ValueCheck! — Trendwende beim HORIZONT Award
Von Andreas Weber, Mainz
Zum 32. Mal wurde am 20. Januar 2015 der HORIZONT Award in Frankfurt am Main verliehen. Der Rahmen war wie immer festlich. Man traf sich in der Alten Oper. Wie immer kamen interessierte Besucher aus der Kommunikationsbranche, die sich mit Medien, Werbung und Marketing beschäftigen. Doch gänzlich anders war das, was sich auf dem Podium abspielte. Eine echte Trendwende ist eingetreten: Bye Bye schöne alte Reklamewelt! Welcome Digital Commerce around the Globe!
Trendwende
„Auch Deutsche können Internet“ — vor allem im „Silicon Berlin“, erzählte Oliver Samwer, CEO des Börsenneulings Rocket Internet AG, in seiner Keynote. Samwer und seine Brüder haben seit 2007 eine 20 Mann-Firma in einen global aktiven, 25.000 Mitarbeiter starken Konzern verwandelt, der sich anschickt, die Welt zu verändern. Und das ganz ungeniert im Fahrtwind der Internet-Giganten aus den USA und China. Denen überlässt Samwer gerne ihre Heimatmärkte alleine. Er tummelt sich dort, wo man Innovationsideen aus Deutschland zu schätzen weiss. Und macht deutlich: Das Internet ist nicht ein neues Medium. Das Digitale ist nicht automatisch Heilsbringer.
Samwer konnte sich nicht verkneifen, seine Anfänge und Geschehnisse aus dem Jahr 1998 zu schildern. Bertelsmann lockte damals junge Digital-Talente an. Doch Samwer und seine Brüder gingen lieber ins Silicon Valley nach Kalifornien, um hautnah mitzuerleben, wie sich die Welt disruptiv durch das Internet veränderte. Die Mission: Dort schnell und gut lernen, um in Deutschland und von Deutschland aus Neues zu wagen. No risk, no fun. Und trotz allem: Konservativ sein. Mit viel Mut. Das beeindruckt. Nicht zuletzt auch einen der HORIZONT Award-Preisträger, den Chef der Deutschen Telekom, Tim Höttges. Höttges sagte frei heraus, dass er ganz und gar hinter dem stehe, was Samwer sagte! Und das hatte es in sich, weil kein Stein auf dem anderen bleiben werde. Der Umschwung auf mobile Internetnutzung ändere alles. Radikal. Letztendlich zerstört dies alle etablierten Strukturen. Deconstruct. Reconstruct. Aber so smart wie Samwer das vortrug, wirkte er fast wie ein Wolf im Schafspelz. Und bekam Applaus. Vor allem von Medienleuten, die sein Geschäftsmodellsmodellansatz und seine Radikalität tilgt. Denn: Samwer bringt mit systematischem Ansatz Angebot und Nachfrage zur direkten Transaktion auf dem Smartphone zusammen. Medien als Mittler im klassischen Sinne werden da gar nicht mehr gebraucht.
Dies wurde verstärkt durch SYZYGY-Group CEO und Gründer Marco Seiler. In geduldiger Arbeit schaffte Seiler aus dem Nichts mit DM 350.000 Startkapital eine börsennotierte 500-Mitarbeiter starke Agenturgruppe und expandierte von Frankfurt am Main aus nach London, New York und anderswo. Sein Bekenntnis zu Peter Druckers Bonmot „Culture eats Strategy for Breakfast“ fundamentierte er auf das Sympathischste durch die Schilderung einer auf Freude, Sympathie, Empathie und Motivation basierenden Firmenkultur seiner „Digital-Agentur“. — Hoppla! Noch ein Wolf im Schafspelz?
Ab jetzt ist klar: Die Trendwende ist vollzogen. Die Digital-Pioniere haben das Ruder übernommen. Sie sind smart, menschlich, mitdenkend, erfinderisch und erfolgreich. Es bleibt kein Stein auf dem anderen im Geschäft mit Medien, Werbung und Marketing.
Kehrtwende
Halt stopp! Es tut sich ja was. 1. Die Medien-Frau des Jahres, Donata Hopfen von Axel Springer, konnte aufgrund ihrer Kompetenz und ihres Durchblicks als Digital-Power-Frau an die Verlagsgeschäftsführungsspitze der BILD-Gruppe treten. Und sie bringt neue und anerkennende Sichtweisen auf Print-Medien ein, die ihre Achtung finden. Vor allem, nachdem sie sich die Druckereiproduktionsstätten anschaute.
Und 2. Dr. Uwe Vorkötter, gesamtverantwortlicher Chefredakteur von Horizont, machte in einem brillanten Vortrag deutlich, wie Fachmedien in ihrer Alltagsarbeit vorgehen und was sie bewirken, um Irrtümer und Fehleinschätzungen zu vermeiden. In großen Bildern zogen immer wieder Titelseiten von gedruckten HORIZONT-Ausgaben im Wechsel mit Online-News auf der Riesenleinwand in der Alten Oper vorbei. Das war gekonnt inszeniert, lehrreich und letztlich der perfekte Brückenschlag zwischen täglicher fachjournalistischer Arbeit und der Besonderheit einer jährlichen HORIZONT Award-Preisverleihung. Chapeau!
PS: Last but not least. Vier wunderbare und hochbegabte Nachwuchstalente wurden durch die HORIZONT-Stiftung mit Stipendien und Förderpreisen ausgezeichnet. Allesamt Digital Natives auf ihrem Weg Digital Savvys zu werden, hochambitioniert und voller Tatendrang!
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