Game of Drones: Persönliche Begegnung mit dem Whistleblower Brendon Bryant
Von Andreas Weber, im Kontext der Projektarbeit mit Fee Fleck und Prof. Valy Wahl
Der wichtigste Satz von Whistleblower Brandon Bryant fiel fast beiläufig, als das zentrale Wesensmerkmal seiner Tätigkeit als „Drone-Operator“ im Container in Nevada und im fernen Irak beschrieb: „I had only pictures and no context!“
Ein schauriger Moment. Ich habe im Staatstheater Mainz einem staatlich instrumentalisierten und sanktionierten Serienkillerkomplizen die Hand geschüttelt. Intendant Markus Müller und Hausregisseur Jan-Christoph Gockel hatten Brandon Bryant zu einem Podiumsgespräch am 17. Oktober 2015 eingeladen, weil im neuen Stück „Game of Drones“, das am 27. November 2015 in Mainz Premiere haben wird, die US-Airbase Ramstein eine zentrale Rolle spielt und auch Brandon Bryant im Stück vorkommt.
In mehr als 6.000 Stunden Drohnenkampfeinsätzen hat der heute 29-jährige Brandon Bryant als Ex-Staff Sergeant der US-Luftwaffe im Team mit seinen Kollegen 1.626 Menschen gezielt und aus dem Hinterhalt getötet. Sozusagen per Bildschirm und Joystick wie in einem Video-Computerspiel. Er agierte quasi als Scharf- resp. Präzisonsschütze, der die finalen Informationen lieferte um per Predator-Drohne die tödlichen Hellfire-Raketen fern seiner Heimatbasis mit Hilfe von Metadaten der Geheimdienste, Zielplanungen und optischen Analysen abzufeuern. 98 Prozent seiner Dienstzeit habe er mit dem Beobachten von Menschen in ihren jeweiligen Lebensbereichen verbracht. (Dazu gehörte, wie ein bewaffneter Afghane die Kalaschnikow beiseite stellte, um liebevoll von seinem kleinen Kind einen Kuss zu bekommen.) — Zwei Prozent seiner Zeit habe der tatsächliche, tödliche und zerstörerische Angriff benötigt. Danach wurden checklistenartig Reports erstellt, um den „Erfolg“ zu bewerten: Grad der Zerstörung, Zahl der Verletzten und Toten. Die Kollateralschäden sind immens. Zu bis zu 95 Prozent sollen Unschuldige resp. nicht an Terrorhandlungen Beteiligte getötet werden. Opfer von Kriegshandlungen in Kriegsgebieten können zu Tätern des Terrors stilisiert werden, die dann Opfer der Drohnenangriffe werden. Laut Brandon Bryant haben sich die agierenden Militärs eine plausible Rechtfertigung zurechtgelegt: Getötet werden Terroristen und auch solche, die es noch werden könnten. „They don’t care who gets killed!“ (Quelle: rt.com).
Ich habe einem Serienkillerkomplizen die Hand geschüttelt. Ich konnte es tun, weil er dramatische und schmerzliche Erfahrungen machte, die ihn psychisch zusammenbrechen ließen. Die ihn zur Umkehr zwangen. Schon bevor die US-Luftwaffe Brandon Bryant im Juli 2011 nach 5 Jahren und 5 Tagen aus seinem Vertrag entließ. Er bereut, was er tat. Und bittet um Vergebung. Und möchte nunmehr dazu beitragen, sein Land, das er liebt, zum Umdenken zu bewegen. Und das vor allem auch bei uns, hier in Deutschland, dem wichtigsten Verbündeten der USA. Dazu hatte er kurz zuvor in Berlin stundenlang vor dem NSA-Untersuchungsausschuss ausgesagt. (Siehe u. a. Zeit Online).
Und er hatte in Baden-Baden den Whistleblower-Preis 2015 erhalten. Die Begründung der Jury ist lesenswert! Auszug: „Die US-Regierung hat zu keiner Zeit seine Informationen als unzutreffend dargestellt oder dementiert. Bryant gab mit seinen Informationen den Anstoß für weitere detaillierte Recherchen und Enthüllungen zahlreicher investigativer Journalisten. Es ist seinen Informationen zu verdanken, dass sich der Fokus der Debatte um den globalen Drohnenkrieg der USA in Deutschland nunmehr immer stärker auf die Aktivitäten der USA in Ramstein konzentrieren kann. Die Bundesregierung begeht mit ihrer Politik der Duldung der dortigen Vorgänge selbst ein völkerrechtliches Delikt.“ (Quelle: Netzfrauen.org).
Ein Soldat tötet und sei jederzeit bereit, sein Leben für sein Land, das er liebe, herzugeben. Dazu stehe er, sagte uns Brandon Bryant in Mainz. Nicht mehr vertreten könne er aus ethischen Gründen die Art und Weise, wie das mit Drohnen geschehe. Er warnte davor, dass man sich in Deutschland zum Ermöglicher und damit zum Mittäter von nicht zu rechtfertigendem Vernichten, Zerstören und Töten mache.
Ich habe einem Serienkillerkomplizen die Hand geschüttelt. Ebenso wie die Mainzer Künstlerin Fee Fleck, die derzeit als Aufschrei ihren Drohnen-Zyklus malt und die Inszenierung ihrer Serie an grossformatigen Gemälden im Team mit Prof. Valy Wahl und mir als Projekt umsetzt. Zu sehr ist die Künstlerin entsetzt über das, was geschieht und wie es gerade ignoriert und bagatellisiert wird. Fee Fleck hat Brandon Bryant davon berichtet. Er zeigte sich berührt und interessiert, die Bilder zu sehen. Es helfe ihm ungeheuer im Voranbringen seiner Sache, wenn engagierte, kluge Menschen aus Kunst und Kultur das Thema Drohnen-Krieg aufgreifen, richtigstellen, brandmarken und darüber pro-aktiv kommunizieren. Gerade auch weil er selbst erleben musste, wie eine solche Tätigkeit bei der US-Luftwaffe Leben ruiniert und Beteiligte wie ihn in die Isolation getrieben haben, mit schwersten psychischen Belastungen. „Irgendwann lässt es Dich nicht mehr los. Du gehst abends nach Hause, aber gedanklich bist Du immer noch in Afghanistan oder im Irak.“ Der wichtigste Satz von Whistleblower Brandon Bryant fiel im Übrigen fast beiläufig, als das zentrale Wesensmerkmal seiner Tätigkeit als „Drone-Operator“ im Container in Nevada und im fernen Irak beschrieb: „I had only pictures and no context!“
Hinweis: Netzpolitik.org publizierte Befragungsprotokolle des NSA-Ausschusses. Nachfolgend als Screenshots.
NACHTRAG
Am 22. Oktober 2015 war Brandon Bryant zu Gast in der ZDF-TV-Runde von Markus Lanz. Hier stand, anders als im Mainzer Staatstheater, das persönliche Erleben von Bryant im Abgleich zu seinen beruflichen Anforderungen im Fokus. Per Einspieler und Fotos wurde dies dokumentiert. Quelle: Archiv Lanz. Anbei zur Impression einige Screenshots aus der pdf Sendung:
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