ValueCheck: Was bewirken kluge Sätze in unkreativem Kontext? Wenig! Schade.

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Eine Kritik an der Medienkritik von Miriam Meckel

Grossartig. In vielem hat sie recht, die WiWo-Chefredakteurin Miriam Meckel, ehemals Kommunikationswissenschaftlerin in St Gallen. Und schickt uns trotzdem wie sich selbst auf die falsche Fährte… Auszüge aus ihrem Artikel „Zukunft der Medien: Unkreative Zerstörung in der Medienbranche“:

  • INTRO: Der digitale Wandel wirkt bei Medien und Werbung bisher nicht schöpferisch, sondern verdummend. Wir sollten das ändern, um unser Menschsein zu wahren.
  • Der derzeitige Slogan der Werbewirtschaft – „Klick mich!“ – hat ungefähr den erotischen Reiz der früheren Call-in-Werbeformate im Privatfernsehen.
  • In den vergangenen zehn Jahren hat sich unsere Aufmerksamkeitsspanne von zwölf auf acht Sekunden reduziert. Sie liegt damit nun unter der eines Goldfischs. Das liegt auch daran, dass das Werbemodell in der digitalen Medienwelt auf Reizüberflutung statt Qualitätsbotschaften, auf dumpfe Reaktion statt Engagement setzt.
  • (…) die Qualität von Inhalt und Werbung steht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Wer gute Inhalte sucht, will werbemäßig nicht wie eine Dumpfbacke behandelt werden. Umgekehrt gilt das Gleiche.
  • Die Logik der biologischen Verödung des Menschen greift, wenn wir zulassen, dass im Zuge der Digitalisierung Inspiration gegen Bequemlichkeit und Qualität gegen das schnelle Abschöpfen von Quantität ausgetauscht werden.
  • Tatsächlich sollte es in unserem Leben so etwas wie ein verbindendes Element geben, das über unsere individuellen Präferenzen, unsere Wohlfühlzonen der Selbstgewissheit und Selbstverstärkung hinausreichen sollte. Das leisten auch soziale Netzwerke nur partiell (…)
  • Nur wer sich Überraschendem, Unvorhersehbarem aussetzt und sich neuen Aufgaben in immer wieder anderen Zusammenhängen stellt, bleibt im Kopf vital.
  • Wenn wir also nicht nur Ziel, sondern auch Treiber der digitalen Informationswirtschaft sein wollen, dann sollten wir nicht weiter zulassen, dass unser Gehirn mit Massenware überflutet wird, wie es derzeit in vielen digitalen Angeboten geschieht.
  • OUTRO: Unsere Haupteigenschaft ist, dass wir Mensch sind. Das ist nicht nur ein Gattungsbegriff, sondern bezeichnet auch eine Qualität. Für die Gestaltung unserer Medienzukunft wäre es gut, wenn wir kreative Zerstörung fördern würden, unter der Voraussetzung, dass der Mensch Teil der Gleichung bleibt. Alles andere wäre die weitreichendste Disruption, die wir uns vorstellen können: die des jahrtausendealten Geschäftsmodells der Humanität.

Meine Kritik: Please practice what you preach!

Kluge Worte nehmen Schaden und bringen kaum Nutzen, wenn man sie, wie Miriam Meckel als Mitverantwortliche der Plattform, auf der sie publiziert, in einem Umfeld präsentiert, das genau das anschaulich macht, was (zurecht) kritisiert wird. Zu dem zeigt Miriam Meckel keinen probaten Lösungsansatz auf. Hier gut, da schlecht, so ist die Welt gar nicht. Und Technologieentwickler wie Facebook oder Google als Volksverdummer zu brandmarken, weil sie Technik höchst einfach und leicht nutzbar machen, bringt wenig. Und trifft den Kern nicht: Die High-Tech-Newcomer mit ihren Algorithmen wollen gar nicht Medien sein.

Apropos Volksverdummung: Dummheit ist die Ausprägung von mangelnden Kenntnissen und damit verursacht durch ein Bildungsdefizit. Und hier liegt das Dilemma mit den werbefinanzierten Medien von denen Miriam Meckel spricht: Die, die diese Medien machen, haben die neue Welt und die Grundprinzipien der „Digitalisierung“ nicht verstanden. Hier sind seit mehr als 25 Jahren kreative Zerstörungen am Werk, die disruptivem Denken entsprechen. Wohlgemerkt: Denken. Technologien können per se nicht disruptiv sein, sie optimieren etwas, was schon in anderer Form vorhanden oder nicht möglich war. Mit dem Ergebnis: Die Königsdisziplin ist Multichannel! Technologie vernetzt, das Social Life zielt auf das Verstärken der Human-to-Human Kontakte ab. Medien und ihre Macher als Mittler im Datentransfer spielen da kaum eine Rolle bzw. werden nicht mehr wie bisher gebraucht. Wir alle können mit uns allen direkt in Kontakt treten, Daten nach belieben hin und her schaufeln, uns austauschen, Interaktionen herbeiführen, Dinge empfehlen. Was auch immer. Grenzen gibt es keine. Und gerade Blogger lieben es, über ihr Blogging Menschen persönlich zu erreichen, die sie anders kaum finden würden, und, wenn es passt, diese andere, neue Person persönlich zu treffen.

Liebe Frau Meckel, Sie ausgenommen, muss man feststellen: Die „Dumpfbacken“, wie sie es nennen, sitzen in den Chefetagen der (traditionellen) Medien. Das sind zu 99 Prozent „digitale Analphabeten“, die Smartphones und Tablets stolz besitzen, aber gar nicht professionell nutzen können. Das auf uns Leser/User/Zuschauer, sprich Empfänger (und damit uns alle) abzuwälzen, ist weder sinnvoll noch zielführend. Ihre „Medien“ haben doch schlichtweg den Anschluss verpasst. Und wollen an der Gier nach noch mehr Werbegeldern festhalten — und weniger an dem Wohl der Leser/User/Zuschauer. Alle Neuerungen, die das Kommunikations- und damit Medienverhalten beeinflussen und verändern, kommen von Dritten, ausserhalb der Medienbranche. Das kommt gut an. Warum auch nicht? Ergo: Ihre Medien sind nicht (mehr) meine/unsere Medien. Der „Qualitäts-Journalismus“, wie sie ihn einfordern, den gibt es seit langem nicht mehr, weil Journalisten per Diktat durch die „Dumpfbacken“ auf die Quote schielen müssen. Oder? (Siehe dazu meine Analyse zu Zeitungsverlagen). Das ist der wahre Grund für das Dilemma und die „Unkreative Zerstörung in der Medienbranche“, die sie anprangern. — Besser erscheint aus meiner Sicht, liebe Frau Meckel, zu praktizieren, was Sie predigen. Zeigen Sie doch, wie es gehen sollte, am eigenen Beispiel auf! Vielleicht können Sie uns dann wieder begeistern.

Beste Grüße aus der Gutenberg-Stadt Mainz, dem Ursprungsort unserer Kommunikationskultur! Hoch geschätzt von wenigen Deutschen — aber von vielen aus dem Silicon Valley sowie den Innovationszentren in China, Japan und Korea!

Ihr 

Andreas Weber

PS: Den Beitrag von Miriam Meckel fand ich nur, weil er auf Facebook von einem Freund gepostet wurde. Die WiWo-Website lese ich sonst nicht… Und das aus gutem Grund, wie der nachfolgende Screenshot von der WiWo-Website vom 23.10.2015 zeigt: Kommunikativ ein Desaster! Oder?

Bildschirmfoto 2015-10-24 um 10.02.27

1 comment
  1. Über Facebook erreichte mich ein unter Kommentar, der zur Diskussion anregt. SEHR GUT! Nachfolgendes zur Info:

    Jürgen Zietlow:
    Ich finde, Sie beide haben Recht. Es ist aber auch so, dass Google und auch Facebook nicht erst einmal dabei erwischt wurden, die Sichtbarkeiten von Kritischem und Umliebsamen schlicht weniger sichtbar zu machen. Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihren Artikel zu lesen. Wetten, dass das nur sehr wenige tun? Schade, denn was Sie schreiben, ist sehr interessant. Ich liebe auführlichere Auseinandersetzungen mit Inhalten. Aber im 140-Zeichen-Zombie-Zeitalter werden wir Leser natürlich von den Medien getrieben, Dinge nur noch in Kurzform zu posten. Keine Zeit mehr für Hintergründe. Das ist dramatisch. Content entsteht nur noch zum Selbstzweck, aber nicht mehr, um Inhalte zu transportieren – es ist halt wichtig für das SEO. Das ist ein Problem der Medien und von uns Usern. Schade und darum ist Merkels Artikel so falsch nicht, denke ich.

    Andreas Weber:
    Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zu lesen und zu antworten, lieber Jürgen Zietlow. Sie sprechen die richtigen Punkte an. Eigentlich brauchen wir eine Debatte über CONTENT und CONTEXT. Eine Debatte über Medien brauchen wir eigentlich nicht mehr, insofern trifft meine Kritik an Frau Meckel den Punkt. Oder? — Zu den 140 Zeichen, die Twitter bis dato vorgibt: Wer es begriffen hat, kommt gut damit zurecht.Und profitiert davon. In der Kürze liegt die Würze (gar nicht so einfach). Die Hintergründe entschließen sich durch “Beigaben”, wie aussagekräftige Bilder, Videos und Links sowie Hashtags.

    ZUSATZ
    Andreas Weber:
    Witzig und doppelsinnig: Die Apple Autokorrektur verwandelt den Nachnamen “Meckel” immer in “Merkel”! Haha! Da muss man aufpassen.

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