Fachmedien und Journalismus für Print – Wem nutzt das?
Morten B. Reitoft spricht in einem LinkedIn-Post einen wichtigen Aspekt an: Wie gut ist unsere Fachpresse-Berichterstattung für Print & Publishing (inkl. Papier und Substraten aller Art). Und wem nutzt das bzw. welcher Nutzen entsteht?
— Was denkt Ihr? Kommentare erwünscht! —
Kritische Analyse von Andreas Weber
Mein POV: Ich gebe Morten völlig recht!
Zu oft werden Pressemeldungen der Industrie unverändert publiziert sowie Berichterstattung von Anbietern bezahlt. Zudem bestimmen die Anbieter gemäß ihrem Marketingplan die Themen, die in den Medien behandelt werden. Was für Leser, sprich die Beschäftigten in den Druckereien sowie deren Kunden, wirklich relevant wäre, findet so gut wie keine Beachtung.
Als dient der Nutzen der Fachmedien gar nicht dem Leser, sondern nur dem Anbieter, quasi als durchgängige, selbstverliebte Nabelschau und Selbstbeweihräucherung.
Zur Qualität des Fachjournalismus orientiert sich Morten an den bekannten allgemein gültigen „Sieben News Criteria“:
„Timeliness · Proximity · Impact · Prominence · Oddity · Relevance · Conflict“
Das ist gut so. Aber m. E. geht es nicht nur um News, sondern um umfassende Berichtsertattung in Form von Analysen, Bewertungen, Kommentaren, Marktszenarien etc. — Sprich alles, was dem Leser erlaubt, Dinge einordnen zu können bzw. Orientierung zu finden.
Hinzu kommt, wie diese Form des massiven Anbieter-Lobbyismus nicht nur die Qualität der Berichterstattung herabsetzt, sondern auch dazu führt, dass eine unabhängige Berichterstattung nicht mehr möglich ist, weil Finanzierungsmodelle fehlen.
Die meisten Fachmedien bestehen aus Gratis-Angeboten für den Leser/User. Das heisst, für den Konsum von Inhalten wird nicht bezahlt. Warum auch, wenn die Inhalte über die Anbieter selbst und ihre PR-Agenturen verfügbar gemacht werden? Bzw. sie nicht die Interessen der Leser treffen…
Fakt ist zudem, dass ein Großteil der Fachpresse-Berichterstattung über Events erfolgt, zu denen die Anbieter die Journalisten einladen und die Reisekosten (oft auch mit Zusatzwünschen) bezahlen. Streng genommen ist dies eine Form der Vorteilsnahme resp. sogar Bestechung, die zum Beispiel vom Axel Springer Verlag als Nummer 1 in Europa schon vor über 10 Jahren stigmatisiert wurde und das Unternehmen seinen Journalisten dies ausdrücklich verboten hat.
„Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit“
Die Deutsche Journalisten Akademie bezieht dazu wie folgt Stellung: Qualitätsjournalismus sei gefordert, gemeint sei damit ein Schlagwort, das die professionelle Redaktion vom Laienjournalismus abgrenzen soll, deren Inhalte meist kostenlos verfügbar sind.
Und weiter: „Die journalistische Berufsethik entspricht den Kriterien für den sogenannten Qualitätsjournalismus“. In Einzelnen wird genannt:
- Wahrhaftigkeit
- Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation
- Sachlichkeit bei der Berichterstattung
- Unparteilichkeit im Konfliktfall
- Argumentation statt Meinungsinflation
- Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit
- Vertraulichkeit
Folgende Faktoren können sich auf die Qualität journalistischer Arbeit auswirken:
- Geld: Personalabbau, geringere Honorare
- Zeit: Mehrarbeit und Zeitmangel
- Routinen: zu wenig Recherche, routinierte Themenselektion
- Recht: Einschränkung journalistischer Freiheit, inkonsequent umgesetztes Akteneinsichtsrecht, geschwächtes Urheberrecht
- Bildung: mediale Elite als Ergebnis des Ausbildungssystems, Mainstream-Journalismus
- Selbstverständnis: Vernachlässigung relevanter Themen durch mediale Elite, Prioritätenverlagerung vom journalistischen Selbstverständnis zum notwendigen Broterwerb
- Public Relations: externe Einflussnahme, Abnahme der Trennung zwischen Redaktion und Werbung, Uneinigkeit journalistischer Berufsverbände bezüglich ethischer Prinzipien
- Digitalisierung: Zunahme der Partizipation von Laien, Aushebelung der Gatekeeper-Funktion durch zunehmende Internetnutzung
Daraus lassen sich drei Kernprobleme für die Qualität journalistischer Arbeit ableiten:
- Geld- und Zeitmangel führen zu Qualitätsverlust.
- Einschränkungen der Berichterstatterfreiheit und interne sowie externe Einflussnahme beschneiden die journalistische Unabhängigkeit.
- Die gesellschaftliche Funktion des Journalisten verliert ihre bisherige Bedeutung.
Fazit
Bezogen auf die Print- und Publishing-Branche inkl. dem Markt der Bedruckstoffe ergibt sich ein m. E. überaus trauriges Bild, das in der Breite keinen Qualitätsjournalismus zuläßt. Tiefgehende, fundiert recherchierte Berichte gibt es kaum; stattdessen mehr oder weniger redigierte Pressetexte, die mitunter dann sogar unter dem Namen des Redaktionsmitglieds publiziert werden.
Die Wertschöpfungsoptionen der meisten Fachmedien sind antiquiert sowie limitiert und klammern Vertriebserlöse zumeist komplett aus. Im Ergebnis erhalten wir Gratismedienangebote mit zumeist gleichlautend-beliebigen, von der Lieferindustrie gesteuerten Inhalten.
Leserinteressen werden nicht evaluiert und kaum berücksichtigt. Ausnahmen bestätgen die Regel, wie zum Beispiel in Deutschland Fachmagazine wie Druck&Medien und Druckmarkt, sowie international die Angebote von Inkish.tv (Videoportal) und Inkish.news (offener Blog und Newsportal) oder aber die Fachbeiträge und Blogs von anerkannten Fachleuten wie Hamilton T. Costa und Rainer Wagner (LATAM), Ludovic Martin (Frankreich) und einigen anderen mehr.
Gerade durch Expertenblogs wird die Meinungsbildung und das Vermitteln aktueller Fachthemen deutlich geprägt. Im Übrigen belegt auch mein Blog Valuetrendradar.com seit dem Jahr 2012, dass relevante Stories ein großes Publikum weltweit erreichen, mit bis dato über 130.000 Nutzern aus mehr als 160 Ländern. Als erster Fachblog im Print-Sektor wurde Valuetrendradar.com 2015 von der Deutschen Bibliothek ISSN-zertifiziert und gilt damit als wissenschaftlich zitiertfähig.