ValueCheck: Weihnachtlich glänzet … die Medienwelt?
Gastkommentar von Michael Seidl, Wien
Vorbemerkung: In unserer aktuellen ValueChecks zum Thema Printfachmedien haben sich bislang Johann Oberauer und Klaus-Peter Nicolay geäußert. Michael Seidl, Verleger und Chefredakteur für Print aus Leidenschaft, bringt seine Sicht der Dinge ein und wirft neue Aspekte auf. — Hinweis: Der Beitrag wurde erstveröffentlicht im Print & Publishing Online-Newsletter, Ausgabe vom 20.12.2017.
Die Medienwelt ist in einer gewaltigen Umbruchphase. Das ist durchaus bekannt. Welchen Wert hat guter Journalismus heutzutage im Kampf mit kostenlosen Online-Diensten, die frech Content anderer grabben? Wie kann ein Magazin heutzutage existieren, wenn die Anzeigenumsätze rückläufig sind und Online-Angebote diese Umsätze bei weitem nicht kompensieren. Die Antwort? Verlage müssen wohl oder übel an den Kosten drehen. Die einen helfen sich damit, indem sie Journalisten kündigen und dann wieder in Form von de facto Einzelverträgen wieder einsetzen. Damit umgeht man mehr oder weniger elegant die kollektivvertraglichen Spielregeln. Oder Medien werden ganz einfach eingestellt (wie aktuell derzeit auch in der Druck- und Medienindustrie hierzulande). Aber was ist die Lösung? Das Problem ist, es weiß in Wirklichkeit niemand so genau. Denn für guten Journalismus braucht es Zeit für Recherche, die immer weniger zur Verfügung steht und demnach die Qualität von Medien leidet.
Viele Unternehmen, auch in der Druck- und Medienindustrie, dieser Industrie, verwenden mehr und mehr Social Media Kanäle, Newsletter oder poppen ihre Webseiten auf. Ich selbst habe dieser Tage reihenweise diese neuen, durchwegs ähnlich aussehenden Newsletter erhalten. Das ist für uns grundsätzlich ja kein Problem, da dies Teil unseres Berufes ist, Informationen zu erhalten und zu verarbeiten. Aber stellen Sie sich nun einen Unternehmer vor, der mittlerweile von vielen Anbietern per Newsletter oder Social Media „digital bombardiert“ wird, um seine Gunst zu erlangen. Kann es sein, dass einige von diesen Empfängern das „digitale Handtuch“ werfen, weil sie einfach überlastet sind? Tut es dann doch nicht gut, wenn es Medien gibt, die aus dem „digitalen Schlachtfeld“ die richtigen Informationen filtern und aufbereiten? Und diese Arbeit sollten sich die Firmen und Konsumenten auch etwas kosten lassen.
Michael Seidl ist nicht nur international agierender Print-Fachzeitschriften-Verleger, sondern auch Mit-Initiator und Veranstalter des seit fast einer Dekade ambitioniertesten Print-Wettbewerbs in Europa: Golden Pixel Award.
Marlene Auer, Chefredakteurin vom Horizont [Ausgabe für Österreich], formulierte es kürzlich treffend, indem sie meinte: „Ein Cappuccino in der Wiener Innenstadt kostet je nach Lokal im Schnitt rund vier Euro, ein Abo einer Print-Zeitung rund 20 bis 30 Euro im Monat – mit einer einzigen Tankfüllung eines Mittelklassewagens kann man also schon zwei Monate Zeitung lesen. Digital-Abos sind nochmal günstiger. Ist das viel? Oder nicht viel? Ob etwas Wert hat, bestimmen Markt und Konsumenten. Der Unterschied: Konsumgüter wie Kaffee oder Rohstoffe wie Benzin werden konsumiert ohne großes Nachdenken. Bei Informationen hingegen sitzt das Geldbörserl offenbar weniger locker.“
Sie hat vollkommen Recht mit dieser Aussage, und ich finde sie gut, da ich mir dies auch manchmal denke. Wie viele PRINT & PUBLISHING Abos sind eine Tankfüllung für Mercedes, Audi, BMW und Co.? Trotz aller Wehklagen wegen der digitalen Einflüsse auf die Medienwelt… ich meine zudem, dass sich generell in den letzten Jahren die Einstellung und Wertschätzung für Medien und deren Vertreter geändert hat. Das wird bei Einladungen zu Presskonferenzen besonders sichtbar, wo Journalisten immer öfter auf die billigsten Plätze gebucht werden, verbunden natürlich mit der Erwartungshaltung, dass dieser eine möglichst coole Story abliefert. Man habe ihn ja letztendlich eingeladen… Derlei Beispiele gab es genügend in diesem Jahr. Macht das Spaß? Dem Journalisten nicht wirklich und dem Unternehmen, das einlädt, offensichtlich auch nicht, sonst würde es nicht so agieren. Und leider verkommt die Beschäftigung mit „Pressearbeit“ in vielen Unternehmen heutzutage (aus Kostengründen) zu einer Art „oh yeah, we have to do this“. (Journalistische) Beziehungen werden praktisch heute nicht mehr aufgebaut, ja schon … 5.000 Freunde auf Facebook oder 6.000 Follower auf Twitter, das genügt wirklich?
Kollege Andreas Weber hat Recht, wenn er meint, wir benötigen werthaltige Kommunikation über alle Ebenen hinweg, und Print ist integraler Bestandteil davon. Denn schließlich lebt diese – unsere – Branche von Druck und Systemen, die Druckwerke produzieren. Das vergessen leider heute manch namhafte Unternehmen der Zulieferindustrie (Stichwort: Verkaufen via Facebook), aber auch die Informationsempfänger, die es ebenso billig haben wollen. Was bleibt, ist die Hoffnung, trotz aller Diskussionen hinsichtlich digitaler Transformation, dass die Leistung von Medien wieder mehr geschätzt und damit bezahlt wird. Denn sie sind genauso Dienstleister, wie viele andere auch, nämlich Informationsdienstleister, die ihren Beitrag für eine aufgeklärte Gesellschaft leisten. Tagtäglich …
Ich wünsche Ihnen im Namen des PRINT & PUBLISHING Teams eine wunderbare Weihnachtszeit und viel Erfolg für das neue Jahr 2018.
Herzlichst Ihr , Michael Seidl
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