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ValuePublishing Viva Rheinhessen Viva G.001

Foto und Bildcollage: Andreas Weber, Mainz/Frankfurt am Main

 

Impressionen und Ansprache von Andreas Weber zur Eröffnung der KEM-Mitgliederausstellung 2016

Die Mitgliederausstellung 2016 des Kunstverein Eisenturm Mainz e. V. KEM hebt die erfolgreichen Ausstellungsaktivitäten der letzten Jahre auf ein neues Level! Fast 80 Mitglieder haben erstklassige Werke eingereicht, die fast alle eigens für die Ausstellung geschaffen wurden. Und wenn nicht, dann waren sie aus eigenem Antrieb im Vorfeld entstanden, um das Ausstellungskonzept wunderbar zu stärken. Die wichtigsten künstlerischen Techniken wurden eingesetzt: Malerei, Zeichnung, Aquarell, Druckgrafik/Frottage, Digital Painting, Collage, Skulptur, Fotografie, faszinierend-kreativ-experimentelle Mischtechnik-Arbeiten bis hin zu visuell inszenierter Literatur/Kurzprosa, Aphorismen. Selten sieht man künstlerisches Schaffen in einer solchen Vielfalt. Herzlichen Dank und Applaus für alle Teilnehmer!

 

 

Alle hier versammelten Werke sind von ihrem Ausdruck und ihrer inhaltlich-visuellen Stärke unendlich nah an Carl Zuckmayers kraftvollen Worten, die unser Turmwächter alias Doq Treznok gerade in seiner szenisch-künstlerischen Einlage vortrug. Es waren Text-Auszüge aus Zuckmayers „Der Teufels General“ (Uraufführung Bühnenstück: Zürich 1946; verfilmt 1954, mit Curd Jürgens in der Hauptrolle). — Bitte nochmals Applaus für Thomas Richter zum gekonnten Vortrag der Textpassage: Der Rhein, die Völkermühle!

 

 

Zur Erinnerung: Carl Zuckmayer, in Nackenheim bei Mainz geboren, war mit Ernst Udet, einem Flieger-Ass, befreundet. 1941 verunglückte der zum Idol aufgestiegene Udet unter mysteriösen Umständen. In seinem weltbekannten Theaterstück „Des Teufels General“ verewigt Zuckmayer den zum Luftwaffengeneral aufgestiegenen Udet, der mit seiner „großen Schnauze“ beim Nazi-Regime aneckte. Die vom Turmwächter vorgetragene Passage trägt den Titel: „Der Rhein, die Völkermühle“.

 

Jens Frederiksen von der Allgemeinen Zeitung in Mainz hat in seiner Vorbesprechung der KEM-Rheinhessensymposium-Ausstellung im MVBForum festgestellt (wer noch nicht da war, MUSS dies nachholen, die Eröffnung war am 23. Juni 2016 vor über 200 Gästen) : „Die Alpen sind einfach. Nordseelandschaften auch. Rheinhessen hingegen hat seine Tücken. Der rheinhessischen Landschaft fehlt diese spektakuläre Unverwechselbarkeit, die sofort einen Ruck des Wiedererkennens durch den Betrachter gehen lässt. Oder gibt es sie vielleicht doch?“ Die Zeitungs-Kunstkritik belegt, dass durch die intellektuell-feuilletonistische Annäherung an das Thema „Rheinhessen“ die künstlerisch-visuell inszenierten Landschafts-Impressionen gekonnt erfasst werden können. Dr. Otto Martin hatte dies in seiner mitreissenden Eröffnungsrede dies trefflich auf den Punkt gebracht.

 

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Titelbild der Einladungskarte zur KEM-Mitgliederausstellung 2016.

Über den Horizont hinausblicken!

Uns geht es hier und heute bei „Viva Rheinhessen“, im Zusammenspiel mit unseren grossartigen teilnehmenden Mitgliedern, um eine Weiterführung, die nicht nur Landschaft, sondern Menschen, Kultur, Architektur, Technik, Umwelt, Natur, Fantasie, Lebensfreude, und natürlich das Erleben und Genießen von Land und Leuten umfasst. Das so entstandene weite Spektrum, ist nicht bloß eine Sicht des Künstlers von außen auf ein Sujet. Rheinhessen, als eine zum „realen Phänomen“ gewordene Kulturregion höchster Güte wird von Künstlern inszeniert und zelebriert. Die 200-Jahrfeier-Aktivitäten zu 200 Jahre Rheinhessen werden damit in ganz besonderer Art und Weise aufgewertet, weit über ein „Weck-Worscht-Woi“-Hochgefühl hinaus.

Überhaupt: Unsere Künstler und ihre Exponate fügen der Jubelfeier-Jahreszahl 200 noch eine Null hinzu: Es wird daran erinnert, dass Rheinhessen und Mainz neben Trier und der Moselregion zu den ersten „zivilisatorisch“ perfekt von den alten Römern ausgestalteten Regionen Deutschlands zählen. Ich wage zu behaupten: Ohne Mainz und Rheinhessen hätte es zu so früher Zeit keine deutsche Hochkultur gegeben! Anders als Trier wurde das Leben in Rheinhessen nicht im Sinne eines zweiten Rom als prunkvoll ausgestatteter Kaisersitz geprägt. Dazu ist unsere Landschaft, ihre „Geo-Historie“, die Mentalität der Menschen, die Eigenheit der Landschaft zu besonders.

 

 

Unsere Künstler und ihre Exponate machen die 2000-jährige Geschichte von Rheinhessen erfahrbar, in einem Exponat sogar quasi als aquarellierte geologische Analyse weit in die Erdgeschichte zurück. Und gerade Mainz, das urban gewordene Rheinhessen, hat über die Jahrtausende bis 1815 eine zentrale Rolle für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gespielt. Mainz war über viele Jahrhunderte der Sitz des Reichskanzlers. Das hat neben Freuden und Ehren allzu viel Schrecken und Zerstörung gebracht. Leider. Oder auch nicht. Denn das höchste menschliche Gut, das Streben nach Schönheit und Glückseeligkeit, kann sich nur entfalten, wenn man auch die Abgründe, das Schreckliche überwindet. Und dass ein Gutenberg in Mainz ansässig war und sein Erfindergeist die ganze Welt nachhaltig veränderte, kann so gesehen gar kein Zufall gewesen sein.

Ich bin sicher, all dies kommt in unserer Ausstellung zum Ausdruck. Und prägt unsere Mitgliederschaft. Denn bei uns im KEM sind ja nicht nur „Eingeborene“ versammelt, sondern auch viele „Zugereiste“, die sich haben verzaubern und betören lassen. Und die Rheinhessen nicht mehr missen wollen. Oder?

 

 

Lassen sie mich zwei Aussteller namentlich herausgreifen, bevor ich mit meinen Co-Kuratorinnen — namentlich schon erwähnt: Dagmar Ropertz, Petra Schippers und Prof. Valy Wahl — hier choram publico persönliche Eindrücke diskutieren darf: Winfried und Leo Hosseus, Grossvater und Enkel. Vater Christoph hatte stolz die Einreichungen am 26. Juni im Turm abgegeben. Und promotet unsere Ausstellung „Viva Rheinhessen“ seither fleissig auf Facebook! Sein Sohn ist Jahrgang 2008, wohl unser jüngster Teilnehmer. Der Titel seiner Buntstiftzeichung von 2016: „Weingut in Biebelnheim“. In den Einreichnungsunterlagen heisst es: „Talent von Vater und Großvater sowie Freigeist der Mutter schufen den leidenschaftlichen Autodidakten. Beitrag zur Ausstellung anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Kunstvereins Eisenturm in 2015. Aktuelle Vorliebe für Comics und Star Wars Literatur.“ — Und natürlich, wie wir alle: Eine große Leidenschaft für Rheinhessen!

Denn, wie es schon in unserer Einladung steht: Mitglieder des Kunstverein Eisenturm Mainz fühlen sich Land und Leuten in Rheinhessen ganz besonders verpflichtet.

 

PREMIERE EINER MULTIMEDIALEN INSZENIERUNG: Viva Rheinhessen — Viva KEM!

Erstmals wird für eine KEM-Mitgliederausstellung eine digitale Publikation erscheinen, die nicht nur Werke der ausstellenden Künstler verzeichnet, sondern alle Aktivitäten vor, während und zum Ende der Ausstellung in Text, Bild, Video erfassen wird! Dieser Blog-Beitrag bietet einen Vorgeschmack. Erscheinungstermin: August 2016.

Hinweise: Die Ausstellung geht bis 24. Juli 2016. An diesem Tag müssen auch alle Werke von den teilnehmenden Künstlern wieder abgeholt werden! — Öffnungszeiten: Mi 16h bis 18h. Sa+So 13h bis 17h. Adresse: Eisenturm, Fritz-Arens-Platz 1, 55116 Mainz.

 

Ich darf daher abschließend kurz die für mich zentrale Stelle bei Zuckmayer wiederholen: „… der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und — ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt — wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein — das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel.“

 

 

 

Die Besten der Besten sind heute auch hier versammelt. Und feiern als Künstler und Kunstbegeisterte „Viva Rheinhessen“! — Bitte ALLE im Chor rufen: VIVA RHEINHESSEN! — Und nun darf ich kurz Petra Schippers und Valy Wahl, die maßgeblich an den Vorbereitungen und vor allem an der gekonnten Hängung der Exponate beteiligt waren, bitten, uns kurz das für sie wichtigste zu schildern. Soviel vorweg: Es war eine grossartige Idee, für uns alle eine neue, einheitliche Rheinhessen-Horizont-Linie zu definieren, indem die Exponate an ihrer Oberkante ausgerichtet wurden. So kann sich die Individualität der Werke in der Unterschiedlichkeit ihrer Formate entwickeln, ohne dass für den Betrachter eine flatternde Unruhe entstehen kann. Brillant!

 

 

Krönender Abschluss der Eröffnungszeremonie: Die rheinhessische Songpoetin und Malerin Nanette Scriba verzauberte die anwesenden Gäste mit ihrer Kunst. Ihr Chanson ‚Vernissage‘ nahm geistreich und humorvoll auf’s Korn, was viele Künstler sicher schon am eigenen Laib erleben mussten…

 

Nanette Scriba. Foto: Martin Kosa, Ingelheim

Foto: Martin Kosa, Ingelheim

 

Impressionen vom 26. Juni 2016 bei der Abgabe der Einreichungen im Eisenturm zu Mainz

 


 

Viva Rheinhessen: Lebensfreude pur!

Das Kuratoren-Team der KEM-Mitgliederausstellung 2016 — Valy Wahl, Petra Schippers und Andreas Weber — hatte am 13. Juli 2016  zu einem besonderen Abend-Anlass eingeladen: Christina Schickert, seit 20 Jahren als engagierte und renommierte Wirtin des Mainzer Weinhaus Wilhelmi weit über Rheinhessen hinaus bekannt, erzählte aus ihrem Leben, das sich der Gastlichkeit, den Gaumenfreuden und der Wertschätzung rheinhessischen Kultur widmet. Der Begegnung im Kunstverein Eisenturm schloss sich ein „Gegenbesuch“ im benachbarten Weinhaus Wilhelmi zum „Winzersekt-Empfang“ an.

„Wie Wein wird Kunst mit Herz, Sorgfalt und Präzision entwickelt. Der Wein gehört für mich zu den kostbarsten Gaben der Erde und ist eine Erquickung des Herzens“, erläuterte Christina Schickert dem kunstsinnigen Publikum im Eisenturm, das vor der einmaligen Kulisse der fast 80 ausgestellten Rheinhessen-Bildwerken im historischen Ambiente des Mainzer Eisenturm buchstäblich verzaubert wurden. In lebhaften Gesprächen kam die jahrzehntelange Expertise von Christina Schickert als erstklassige, leidenschaftliche Weinexpertin zum Tragen: Sie hatte sich als junge Frau in einen Winzermeister verliebt und war in der Folge über ein Vierteljahrhundert auf dem Weingut tätig. Als Höhepunkt ihrer Karriere als Wein-Gastronomin bezeichnete Christina Schickert den unverhofft und spontan entschiedenen Besuch von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Weinhaus Wilhelmi, die sich ad hoc wohl fühlte, freundlich mit allen Gästen war und eine Wilhelmi-Spezialität, rheinhessische Leberwurst, genossen hatte.

Kurzum: Christina Schickert vermittelt damals wie heute „Lebensfreude pur“ und beherrscht die Kunst des schönen Lebens auf eine besondere Art und Weise, die Kunst-Schaffende wie Kunst-Liebende gleichermaßen zu begeistern versteht.

 

 


Namensliste der teilnehmenden Künstler (in alphabetischer Reihenfolge)

 

 

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Der Blick hinter die Kulissen: Impressionen vom Ausstellungsaufbau (Fotos: Valy Wahl. Video-Animation: Andreas Weber)

 

 

 

Zu guter letzt: „Viva G“ — eine am Apple iPad Pro digital komponierte Hommage an Rheinhessen.

 

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Exponat Nr. 44, von gundANDreas: Viva G — Digital Painting&Composing, 2016

drupa2016 ValuePublshing Review Social Media Heroes.001

Great work. Great tweets. Great results. And a lot of fun beyond technology by LOVRA’s amazing chill-out sessions. Last but not least: Many THANKS to the Xerox Social Media team members Stefan, Bill, Jenna.

#drupa2016 Review: Print wins! If…

Dear friends of drupa!

Please read and share our unique series of #drupa2016 reports. We are proud to enable a real multimedia and multichannel experience. And we are happy to interact with a huge global audience covering 120+ countries.

Kick-off: splendid #drupa2016

Our ValuePUBLISHING TRILOGY — a quite critical, selective analysis looking back at the splendid #drupa2016 (in german language)

Topics Outline Overview:
• Part 1 – Proof of concept: Does the printing community communicates properly?
• Part 2 – Crucial: Reduce to the max — don’t get lost in details!
• Part 3 – The crux of the matter: #unleashprint 

 


Back to the future: Some fun

#drupa2050 — TX to Benny: Touch the future again and again…
#drupa2050 — Danke, Benny! Touch the future again and again…


Enjoy ValuePUBLISHING’s #Storify stories the most valuable way to catch up all major topics of #drupa2016 in a smart multimedia format. Convenient to navigate, wonderful to explore and easy to share. Our guideline: Less is more — so reduce to the max!

 

Note: We are proud of the fact that around the globe hundreds of thousands of unique viewers follow us already and interact with our content — shared via Twitter (@ValueCommAG plus @zeitenwende007), Facebook, LinkedIn, XING and Google+. — More than 70 % of our viewers are leading innovators dedicated to all kind of graphic communications applications. 

 

 

The secret of #drupa2016 in 20 sec. — Summary by Andreas Weber, Head of Value.

 

 

GENERAL OVERVIEW

drupa2016 REVIEW — ValuePublishing Storify:
All about the role of print in the communications mix

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
Pre-drupa media conference March 2016

 

 

 

IN MEDIAS RES

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
Ready for #unleashprint? YES WE CAN(on)

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
Heideldruck back to profitable growth

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
Heideldruck Press Conference Feb 2016

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
PitneyBowes reinvented mail (live at drupa may/June 2016)

drupa2016 – ValuePublishing Storify:
Objectif Lune put business communications to the next level

drupa2016 — ValuePublishing Storify:
Automated Digital Cutting made by Zünd Systemtechnik

 

Das Geheimnis der #drupa2016 in 23 Sekunden — Von Andreas Weber, Head of Value.

 


In addition for extended reading check out our focused trend reports via ValueBlog posts by Andreas Weber

Note: Almost all Blog posts are available in english and german.

 

ValuePublishing Storify Review 18062016.001


As well you can find a whole series of ValueDialog stories:

ValueDialog — Christian Kopocz: “Multichannel ensures relevance!”

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Value Publishing About @drupa2016.001

 

Bernard Schultze Aquarell 1982

@ 2015: Andreas Weber, Mainz/Frankfurt. Bildvorlage: Bernard Schultze.” Landschaft mit Vogel” (Detail), 1982, Aquarell und Feder/Papier, 29,3 x 73,9 cm (Sammlung Weber-Schwarz, Mainz/Frankfurt am Main).

Von Andreas Weber

Zufall oder nicht? Am grausam erschütternden, brutalen Terror-Tag, dem 13. November 2015, kam mir nachmittags, vor den schrecklichen Abend-Ereignissen in Paris, Bernard Schultze in den Sinn, der dort lebte und oft und gerne in der Seine-Metropole weilte. Wie auch mein Vater. Und ich selbst, der gerade erst im Oktober 2015 dort weilte und die Picasso.Mania-Ausstellung im Grand Palais bestaunte. Denn 33 Jahre zuvor, am 13. November 1982, hatte mich Bernard in meinem damaligen Mainzer Zuhause besucht. 

Der 1915 im damaligen Schneidemühl, Westpreußen, geborene und 2005 in Köln gestorbene Bernard Schultze war ein deutscher bildender Künstler und gilt noch heute als ein Vertreter der Kunstrichtung Informel. Was eigentlich gar nicht zutrifft! Phantasie und Disziplin, im Wechsel von spontanem Einfall und geistiger Kontrolle, zeichnen sein Schaffen aus — „mit weitläufigen Erzählungen innerer Welten“. Kurzum: Schultze ist Schultze-ist, der den Schultzeismus formte! Wer ihn persönlich kannte — für mich als junger Kunstgeschichte-Student war er ein wichtiger Mentor und Inspirator — kann dies bestätigen. Mein Schlüsselerlebnis: 1982 besuchte er mich in meiner Mainzer Studentenbude. Locker und gelöst saß er mir gegenüber auf dem Sofa, griff den gerade frisch gedruckten Katalog zu seiner Ausstellung im Mainzer Landesmuseum, die am 13. November 1982, also auf den Tag genau vor 33 Jahren, öffnete! Er fragte mir regelrecht Löcher in den Bauch, um mein Denken über Kunst und Künstler und auch das Studium zu erfahren; all das, während er in den Katalog zeichnete. Quasi eine bildnerische Widmung für mich. Das Zeichnen hielt ihn nicht vom Reden und Zuhören ab. Ein intensiveres Gespräch kann man sich kaum vorstellen. Die wunderbare Zeichnung halte ich in Ehren! — Ich habe von Bernard Schultze in einigen Gesprächen und gemeinsamen Erlebnissen, auch bei ihm und seiner Frau „Spinne“ in Köln oder beim legendären Darmstädter Dialog mit Prof. Dr. Adolf Schmoll genannt Eisenwerth mehr über Kunst und Kunstgeschichte gelernt als in vielen Vorlesungen und Seminaren während des Studiums.

Aus Anlass der Mainzer Ausstellung vor 33 Jahren und des 100. Geburtsjahres von Bernard Schultze publiziere ich in Auszügen zwei lesenswerte Aufsätze: Von meinem Vater Prof. Wilhelm Weber, damals Landesmuseum-Direktor in Mainz. Und von Bernard Schultze selbst (beide Beiträge erschienen auch im Katalog, siehe Quellenangabe am Schluss).

Über eine unvermeidliche Sache nicht trauern.
Zu neuen Arbeiten von Bernard Schultze

Von Wilhelm Weber

Seinen Namen habe ich erstmals im Herbst 1950 gehört, Bilder von Ihnen zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort gesehen: in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main, die mich zu einem Vortrag “Zeitgenössische Kunst in Paris” eingeladen hatte. Seit dem Winter 1946 ich mich in Paris auf, hatte mich umgesehen in Ateliers und Galerien. Als einzigen “französischen Bezug” konnte ich in Schultzes Bildern eine gewisse Verwandtschaft mit André Masson ausmachen. Hier wie dort eine „imaginäre Welt, eine doppeldeutige Spielart der Metamorphosen, heimliche und flüchtige Natur, unberechenbares im Flug erhaschen und bannen (Michel Leiris über Masson).

So einzigartig es klingen mag: als ich die späteren Bilder von Bernard Schultze sah, auch die Migofs und Environments, — bei aller Distanz zwischen den Werken von Schultze und von Masson –, musste ich immer noch an diesen französischen Maler und Zeichner denken, wenn Bernard Schultze, der seit 1952 immer wieder nach Paris kommt, vorübergehend Riopelle, Fautrier und Dubuffet näher stand. Eine sist sicher: trotz der tachistishcen Bilder (von „le tache“, der Fleck), die Schultze als Zugehöriger zur „Frankfurter Quadriga“ bei Klaus Franck im Dezember 1952 ausstellte, zeichnet und malt er „diesseits der Natur“. Auch für ihn trifft zu, was Michel Leiris über Masson sagt: „Es hat den Anschein, als verwerfe er jede Perspektive außer der der Kosmogonien, und als zähle für ihn nichts, was nicht als Aufblühen oder als Offenbarung in Erscheinung tritt, die Geburt der Wesen und dinge, das Auftauchen von Figuren und Ideen in den Schlupfwinkeln unseres Geistes“.

Erika Kiffl Atelier von Bernard Schultze, Köln 1978 Silbergelatine auf Barytpapier, 29,1 x 29,1 cm Museum Kunstpalast, AFORK, Düsseldorf

Atelier von Bernard Schultze, Köln, 1978. Foto: Erika Kiff. Silbergelatine auf Barytpapier, 29,1 cm auf 29,1 cm. Museum Kunstpalast, AFORK, Düsseldorf.

Schultze bekannte, daß seine schweifende Bild-Phantastik, auch von den „Chimären Kubins“ beeinflußt wurde. Sein „kulturelles Reservoir“ hat sich in durch Vertiefen in die Werke von Grünewald, Altdorfer, auch in die Graphik und Malerei von James Ensor gebildet. Sein gedanklicher Fundus ist viel zu groß, seine ständige Bereitschaft zu meditieren viel zu lebendig, als daß er sich nur mit der Steuerung materieller Macharten von Bildern hätte begnügen können. Natürlich überstürzten ihn die Bilder von Pollock und Riopelle, diese „Farbfelder-Orgien und Erdbeben-Bilder“, aber die Grundtendenz seines Schaffens — „im Detail wechselnd, doch im Ganzen unwandelbar“ — blieb das Visionäre, die Lust zu verwirrendem Spiel, „zu Abenteuer hinter der Dornenhecke des Märchens zu immer leuchtenderen Labyrinthen“.

Seit 1952 geisterte das Wort „Informel“ durch Pariser Ateliers, Galerien und Feuilletons. Michel Tapié hatte es mit flinker Zunge in Umlauf gebracht, wie es Andere vor ihm mit der Erfindung der Begriffe „Impressionisme“ oder „Cubisme“ getan hatten. Das französische „informe“ heißt unförmig, ungestaltet. Aber genau dies sind die malerischen und gezeichneten Schemen von Bernard Schultze nicht, dessen horror vacui das ordnende Sehen herausfordert. Und wenn das Kunst-Wort „Informel“ auch Bezug haben soll zum französischen „informer“, wobei sicherlich gilt, daß die „Informellen“ sich beim ungesteuerten Malprozess mehr oder weniger bewußt „informieren“, — auch in diesem Falle gab es nur vorübergehend einige Berührungen von Schultze mit dem, was als „Informel“ bezeichnet wird.

So sehr seine Bilder in brodelnder Malerei hintreiben, und seine Zeichnungen aus nervöser, zasseliger Ecriture hervorgehen, — sie zielen auf Gestaltetes ab, saugen sich voll mit der Mühsal des Malens und Zeichnens, um die „Schlupfwinkel des Geistes“  nur zu verlassen, wenn die Umgrenzung gesichert ist. Nicht das Wuchern ins Grenzenlose, sondern das Abgrenzen, das Bestehen des Grenzenlosen, treibt ein gemaltes Bild, eine Zeichnung in das nächste Bild, in die nächste Zeichnung. „Das Labyrinth ist mein Schutz“, hat er selbst lapidar formuliert. Mit dem Schlagwort „Informel“ wird er sich nicht malträtieren lassen.

In seinem Katalog-Beitrag, den Bernard Schultze für die Ausstellung im Mittelrheinischen Landesmuseum Mainz schrieb, äußert sich der Maler und Zeichner zu seinen neuen Arbeiten.

(…)

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Bernard Schultze, 1968. Foto: Wikipedia.

Über meine neuen Arbeiten

Von Bernard Schultze (geschrieben im August 1982)

Was hat sich verändert seit den Bildern aus den fünfziger Jahre, der sogenannten tachistischen Periode? Damals wurde die Leinwand am Boden liegend gleichsam geschunden, mit Farbbrei beschmiert, begossen mit verflüssigter Farbe, um mit Pinseln tätowiert, malträtiert zu werden, Striemen und Einsprengsel hinterlassend. Verwundert betrachtete ich Tage später, was ich da angerichtet hatte, was an Farb-Lachen und Verkrustungen übriggeblieben war. Mit dem ‚musée imaginaire’ im Kopf wurden Bezüge zu Barock, zu Delacroix und Makart geschaffen. Das musée gab das Stichwort. Ich versuchte, den vor mir liegenden Farbzustand kostbarer zu machen, durch Lasuren Schicht über Schicht. Wann aber sollte ich aufhören, denn das ist die entscheidende Tat, wie es schon Paul Klee notierte. Die Folge der Zerstörungen führte zum Endzustand, dass „es stimmt“, mußte erreicht werden.

Und heute, meine neuen Bilder, was hat sich geändert. Der Machensvorgang damals — übrigens die gebräuchlichste Vokabel in tachistischer Zeit — gab dem Zufall der Malmaterial-Manipulationen zu viel Bedeutung. Dem Lesbaren unter dem Diktat des Unbewußten (Breton) wurde zuwenig Raum gelassen. Das automatische Zeichnen, die ‚écriture automatique‘ war immerhin reinster Ausdruck solcher Willenlosigkeit, dem Sichtreibenlassen, ganz Objekt, vom Unbewußten genährt zu werden. Wie gesagt, das schöne Bild, das Ästhetische  war nicht das Entscheidende, war sogar Ablenkung, Ausweichen solcher Konsequenz. Es ging allein um den Wahrheitsgehalt im psychologischen Bereich, also nicht zum Beispiel um Cézannes Bild-Wahrheit vor der „schrecklichen Natur“, sondern um Sichtbarmachung eines inneren Zustands tiefer Schichten, von denen C. G. Jung sprach, als dem kollektiven Unbewußten.

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Bernard Schultze: Handbarriere. Mischtechnik auf Karton, 49,3 cm auf 64,3 cm-1965

Bernard Schultze erzählte bei seinem Besuch bei mir in Mainz, als er simultan zeichnete und redete, dass er ein schicksalhaftes Erlebnis hatte, das ihm die Augen öffnete: Er war im Kunstmuseum Basel, sah sich Zeichnungen von Joseph Beuys an. Er wanderte umher, ging um eine Ecke. Und stand staunend und beeindruckt vor Zeichnungen von Cézannes… —Andreas Weber

Solcher Automatismus ist am reinsten durch das Werk des zeichnenden, schreibenden Pinsel möglich, in einem dem inneren So-Sein im Augenblick der Handlung entsprechenden Zustand, „Brush-Work“ von den Amerikanern genannt.

Es gibt Stellen auf den Bildern von Soutine, Kokoschka und Ensor, nicht zu vergessen die beinahe somnabule Faktur des späten Corinth, selbst wenn sie alle die Natur als Sprungbrett noch nehmen. So ergeben sich Bezüge zu spätimpressionistischer bis expressiver Pinselschrift in meinem neuen Bildern, wie ich die Farbfleckreihung und Überlappung eines Cézanne benutze, ohne damit die Konzeption Cézannes auch nur im geringsten zu streifen. Vielmehr gestattet die Pinselschrift, eine weitläufige Erzählung innerer Welten zu realisieren.

Das gibt mir das Stichwort zu dem, was H. Stachelhaus als General-Titel zu meinen neuen Bildern bemerkte: innere Landschaften. Damals, in den fünfziger Jahren waren es tektonische Formationen, eine Art Erdbeben-Bilder der Gegenwart, an Carus Wortschöpfung denkend.

Ich glaube, meine Migofs der sechziger und siebziger Jahre mit ihrem breiten Stammbaum bis zu den Verzweigungen der Environments, haptische dreidimensionale Geschöpfe bereiteten jetzt den Umschlag vor., Unsichtbares, innere Konstellationen, ja Landschaften neuerer Art darzustellen. Natürlich fließen Fragmente von schon Gesehenem in Natur und Kunstgeschichte mit hinein, machen die Entzifferung solcher Bilder zweideutiger, schaffen Verunsicherungen, wie das Stammeln in der Trance.

Noch etwas zum Grundsätzlichen meines So-seins: Beaucamp [gemeint: Eduard Beaucamp, langjähriger Feuilleton-Redakteur der FAZ] nannte in einem Text über mich diese Situation Disziplin und Fantasie. Ich glaube, es ist eine manieristische Parole, die ich ganz bejahe und auch den Bruch zwischen Natur und Leben. Kein erweiterter Kunstbegriff soll es sein, im Gegenteil, Flucht in erträumte Welten, in ein Land Orplid, im Turm aus Elfenbein lebend.

Quellennachweis:

Beitrag von Wilhelm Weber. In: http://d-nb.info/830172181
Bernard Schultze: Bilder aus den Jahren 1977 – 1982 ; Mittelrhein. Landesmuseum Mainz, 13. November – 12. Dezember 1982 / [Hrsg.: Mittelrhein. Landesmuseum Mainz. Red.: Wilhelm Weber u. Wolfgang Venzmer]

Ausstellungsbilder: WDR “Bernard Schultze in Köln und Düsseldorf: Abstraktion und Poesie” 

Schultze, Bernard:  Ausstellungsbuch mit dreidimensionalem Cover.
Baden-Baden, Staatliche Kunsthalle, 1974 (Exemplar Sammlung Weber-Schwarz, Mainz/Frankfurt am Main)

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Foto: Aus der Einladungskarte für Reinhold Petermann zur Ausstellungstrilogie, Mainz 2015.

Reinhold Petermann: Retrospektive zum 90. Geburtstag an drei Ausstellungsorten

Eröffnung: Kunstverein Eisenturm: „Von der Fläche zur Form“
Zeichnungen und Plastiken von 1945 – 1985

Eröffnung: Freitag, 9. Oktober 2015, 19 Uhr

Begrüßung: Dietmar Gross, 1. Vorsitzender

Grußworte zur Ausstellung: Walter Schumacher, Kulturstaatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz

Einführung: Reinhold Petermann

Kuratorin: Dagmar C. Ropertz, stellv. Vorsitzende

Dauer der Ausstellung: 10. Oktober bis 8. November 2015

Begleitveranstaltung im Eisenturm: 15. Oktober 2015, 19 Uhr
Gespräch und Führung durch die Ausstellung
„Reinhold Petermann und die Mainzer Künstler nach 1945“

Die Ausstellung im Kunstverein Eisenturm Mainz eröffnet die Retrospektive seines Ehrenmitglieds Reinhold Petermann mit dem zeichnerischen und plastischen Frühwerk. Exponate von 1946 bis 1985 zeigen seine erste Schaffensphase beginnend mit „der Stunde Null“ nach dem 2. Weltkrieg.

Die Ausstellung umfasst eine Vielzahl unbekannter Arbeiten, die erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden!

Weitere Ausstellungsorte:

— Rathausgalerie der Landeshauptstadt Mainz

— Galerie Mainzer Kunst!


Notizen zur Eröffnung im Kunstverein Eisenturm von Andreas Weber

Die frühmittelalterlichen Räume im Kunstverein Eisenturm Mainz (KEM) waren prall gefüllt. Mit einzigartigen Kunstwerken (Zeichnungen und Skulpturen) und Menschen. Rund 100 Gäste wohnten der Eröffnung der Retrospektive von Reinhold Petermann bei. „Ich möchte eine Verbeugung machen vor dem Künstler und seinem Werk!“, sagte Kulturstaatssekretär Walter Schumacher. Er freute sich zugleich, dass auch nach 40 Jahren der KEM hohe Wirkung und Strahlkraft erzielt. Kunst und Künstlern sowie Kunstinteressierte würden dadurch aufs Beste vereint. Der Künstler selbst konnte leider aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein, stellvertretend war die Familie erschienen. Und hat sich wunderbar engagiert. Der Schwiegersohn Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Ziebertz trug einen von ihm aufzeichneten Text vor, den Reinhold Petermann zuvor per Tonband verfasst hatte.


„Unverwechselbar ausdrucksstark, treffsicher in der Form, versöhnlich im Ausdruck“

Die KEM-Ausstellung stellt das Frühwerk des Künstlers bis zum Jahr 1985 in den Fokus, wie Dietmar Gross, 1. Vorsitzender des KEM, erläuterte. Er dankte dem Amt für Kultur und Bibliotheken der Stadt Mainz, vertreten durch Martin Paul Janda von der Kulturabteilung, sowie dem Galeristen Rolf Weber-Schmidt und der Kuratorin Dagmar Ropertz, stv. Vorsitzende des KEM, für ihr unermüdliches, wenn auch nicht immer einfaches Engagement bei den umfangreichen Vorbereitungsarbeiten. Galt es doch bei gleich drei Ausstellungen (im KEM, in der Mainzer Rathaus-Galerie sowie in der Galerie Mainzer Kunst), die simultan geplant wurden, viele spezifische Interessen unter einen Hut zu bekommen.

Das Ergebnis ist beeindruckend: Erstmals konnten im KEM flankierend zu Skulpturen als Vergößerungen dargestellt Zeichnungen aus einem kleinformatigen Skizzenbuch gezeigt werden, die 1946 entstanden sind, als Reinhold Petermann sein Studium an der Landeskunstschule in Mainz begann. Selten und einzigartig, so die Resonanz aus dem Publikum, dass ein Bildhauer wie Reinhold Petermann so variantenreich und vielseitig arbeiten kann. Und das über mehr als 70 Jahre hinweg.

Welche Bedeutung das Schaffen von Reinhold Petermann hat, legte die Tochter Barbara Petermann mit ihrer Buch-Dokumentation dar. Titel: „Am Anfang war das Holz — Ein Künstler wird 90 Jahre“ (MedienVerlag Reiser, Hardcover, 190 Seiten, 24,00 Euro; Bestellungen im Buchhandel oder über www.reinhold-petermann.de).

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In der Buchankündigung heisst es: „Wie kommt ein junger Mensch in den letzten Kriegsjahren dazu, sich die Welt zu erschnitzen? Wodurch definierte sich die künstlerische Avantgarde der Nachkriegszeit? Inwieweit zehrt der Meisterschüler Emy Roeders bis heute von deren Erfahrungen? Welcher Art war seine Begegnung mit Karl Schmidt-Rottluff? Wovon hat der junge Künstler sich distanziert? Wo liegt der Fokus seines Schaffens? Was verbindet das Figürliche mit dem Abstrakten? Und was hat es mit den „nackten Weibern“ auf sich? Diese und viele andere Fragen um den Künstler Reinhold Petermann, sein Schaffen und seine Zeit beantwortet die Tochter des Bildhauers, Barbara Petermann, in dieser reich bebilderten Dokumentation.“

Und Barbara Petermann schreibt dazu in der Einleitung: „Anfänglich war es der reine Spieltrieb des kleinen Jungen aus Boos an der Nahe, der ihn veranlasste, Rennwagen der Marke Mercedes oder Flugzeugmodelle zu schnitzen. Baumrinde, die er von seinen Streifzügen in den umliegenden Wald mitbrachte, war sein Material.

Auch wenn er bereits als Vierjähriger fasziniert die Arbeiten in einer Steinmetzhütte bewunderte, so sollte Reinhold Petermann sich noch lange Zeit auf Holz beschränken und darin seine Stärke entdecken, sich Dinge anzueignen, indem er es mit dem Messer in die gewünschte Form brachte. Bei den alten Höhlenmalereien sei es ähnlich gewesen, sagt er. Die Menschen hätten damit die Ordnung der Dinge zu begreifen versucht, um sie sodann in ihre eigene zu übersetzen.

Mehr als 70 Jahre später kann Reinhold Petermann auf ein Leben voller Plastiken und Bilder blicken, mit denen er sich die Ordnung der unterschiedlichsten Gegebenheiten, Zustände und Motive angeeignet hat. Mittlerweile sind sie aus Eisen, Bronze oder Polyester, gegenständlich oder abstrakt. Jedes Mal aber erkennt man den Übersetzer in seinem Werk und das nicht nur bei den ‚nackten Weibern‘, die es ihm immer so angetan haben. Nein Hunde, Katzen, Frösche, Vögel und Pferde sind auch dabei. Kirchenausstattungen und Brunnengestaltungen, es gibt viele Petermänner klein als Standplastik oder am öffentlichen Bau themenbezogen aber eben doch ein Petermann. Unverwechselbar ausdrucksstark, treffsicher in der Form, versöhnlich im Ausdruck, ruinös in der Oberfläche oder konsequent durchgestaltet.“

Neben dem Buch gibt es übrigens ein ungebrochen starkes Echo in den Sozialen Medien zu Reinhold Petermann und den ihm gewidmeten Mainzer Ausstellungen. Die Ausstellungsankündigungen sowie die Kurzdokumentationen der Eröffnung im KEM am 9. Oktober 2015 wurden von vielen tausenden Menschen angesehen und auch von vielen hunderten kommentiert per „Gefällt mir“ und geteilt. Fazit: Erlesene Kunst, erstklassige Ausstellungskonzepte und die zeitgemäße vernetzte Kommunikation darüber bilden eine wirksame Einheit.

Hinweis: Andreas Weber, Beirat und Vorstandsmitglied im KEM, hat ad hoc eine Videodokumentation der Eröffnung im KEM erstellt, die per YouTube angeschaut werden kann, inklusive Ausschnitten aus den Einführungsreden. 

Fee Fleck Arbeitsbücher 2012:2015.001

Fee Fleck: Aus dem Arbeitsbuch zum neuen Drohnen-Zyklus (2015). Erste Skizze zum Bild “Predator”. Foto: Andreas Weber.

Auszug aus dem Redetext von Andreas Weber
anlässlich der Ausstellung im Kunstverein Eisenturm Mainz (November 2012)

Rückschau aus aktuellem Anlass: Seit Jahrzehnten führt Fee Fleck Arbeitsbücher, die sie vor einiger Zeit erstmals komplett im Kunstverein Eisenturm Mainz präsentierte. Darin wird umfassend, bisweilen penibel, in jedem Fall akribisch, alles notiert und gesammelt, was zur Entstehung von Ideen, Konzepten, Gedankengängen, Skizzen bis hin zur Realisierung von Kunstwerken oder Performances von Fee Fleck führt. Arbeitsbücher von Fee Fleck gehen über die gewohnten Notiz- oder Skizzenbücher weit hinaus. Sie sind eine einzigartige Dokumentation eines Schaffensprozesses, der nie endet, selbst wenn ein Thema abgeschlossen scheint. Arbeitsbücher bilden – anatomisch gedacht – das Skelett, die Muskulatur, sogar die Organe, den Stoffwechsel, das Kreislauf- und Nervensystem der KünstlerInnenexistenz. Das Gehirn als Kreatives Cockpit ist auf all dies angewiesen, um sich ausbreiten, mitteilen und verständlich machen zu können.

Machmal steht in Fee Flecks Arbeitsbüchern auch Kritik/Selbstkritik. Oder es finden sich Fragen, Ärger und heftige Kommentare.  Wie zum Beispiel 1984 bei den Arbeiten zu Performance und Film „Zur Musik von Karl Josef Müller“. Da heisst es – handschriftlich notiert: ”Bin verzweifelt. Verflucht!“

Kaum eine Künstlerpersönlichkeit legt so schonungslos offen, worum es geht.

Kaum eine Künstlerpersönlichkeit lässt uns in solcher Dimension teilhaben an den, was gedacht, ausgedrückt und kommuniziert werden muss. Dabei ist Fee Fleck niemals lautstark. Eigentlich eher still und zurückhaltend. 

Kaum eine Künstlerpersönlichkeit ist so multimedial aktiv und begabt wie Fee Fleck.

Kaum eine Künstlerpersönlichkeit geht so strukturiert und konsequent vor wie Fee Fleck.

Kaum eine Künstlerpersönlichkeit ist in der Lage, über Emotionen, die bei Fee Fleck immer am Anfang stehen, zu solch rational-durchdrungenen und zugleich virtuosen Ausdrucksmöglichkeiten zu finden.

Fee Flecks Arbeitsbücher sind ein illustrierter Kultur- und Neuzeit-historischer Roman. Quasi ein spezieller Baedeker für Kunst-Erleben, der viele wichtige Stationen ansteuert. Die Reise führt über Erinnerungen, Entdeckungen, Entgleisungen, Gräueltaten und Vergessenes. Und landet immer im hier und jetzt. Ihre Arbeitsbücher sind Zeugnis eines inneren Dialogs, der auch die Reaktionen einfängt, wenn ein Werk, ein Zyklus, ein Film, eine Performance, ein künstlerisches Ergebnis präsentiert und diskutiert wird. Denn aufgepasst: Wenn der heutige Tag und die Präsentation der Arbeitsbücher erfolgt ist, wird dies wiederum in einem Arbeitsbuch-Vermerk Niederschlag finden. Fee Fleck nutzt dadurch einen Perpetuum-Mobile-Effekt von ungeheurer Tragweite. Und das ist bedeutsam für ihr Leben und Arbeiten: Niemals vergessen, wie es wirklich war.


Fee Fleck  Arbeitsbücher — Liste zur Ausstellung im Kunstverein Eisenturm

1984 Zur Musik von Karl Josef Müller – Performance, Film

1987 VICTORY WRECKERS – Film

1987 PIMA-Indianerstamm, „Die die gegangen sind” – Flugzeugfriedhof Tucson bei Phönix in der Wüste von Arizona – Fotos, Zeichnungen, Malerei, Film, Ausstellung — 75m lange Bänder, Installation — „Wir decken uns mit Müll zu”.

1994 SPURENSUCHE IN GMÜND“, Entwertung von Pankratius” — Performance

1994 WASSER – SCHUTZ – WASSER, Kunst für Bonn – Skulptur

1994 INGEBORG BACHMANN,

  1. emotionale Entwürfe im Großformat
  2. Abstraktion erfolgt im Arbeitsbuch,
  3. großformatige abstrakte Bilder,  Ausstellung im Landesmuseum Mainz

1996 OSTHOFEN „Die Grube gegen das Vergessen” – Installation

1998 INGELHEIM ERINNERT SICH – Installation

1998 BILHILDIS, Altmünster Kirche, Mainz – Malerei im Großformat auf Seide

1999 WARSCHAUER AUFSTAND 1944 – Mahnmal, Großmodell

2001 KATHINKA ZITZ – Leben und Tod – Performance, Film

2005 HINZERT – KZ im Hunsrück – Mahnmal – Entwurf

2012 MEDEA, DIE FREMDE – Malerei, Ausstellung im Landesmuseum Mainz

2012 ARBEITBÜCHER – Präsentation im Kunstverein Eisenturm Mainz

Seit 2014 enstanden die Skizzen und das Arbeitsbuch zum Them “Drohnen”, ein Projekt, das wir in Kürze vorstellen werden. Details finden sich auf unserer speziellen Facebook-Seite, die ständig aktualisiert wird. 

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@ 2015 by Value Communication AG, Mainz/Germany

 

Von Andreas Weber, Mainz

Für Mittwoch, den 28. Januar 2015, hatte Dr. Ying Lin-Sill mich gebeten, um 15 Uhr in unser Mainzer Büro zu kommen. Ich sollte Freunde von ihr treffen, die aus China zu Besuch gekommen sind. Ying ist seit über zwei Jahren als Künstlerin Dreh- und Angelpunkt in unserem „Value Artist in Residence“-Programm. Seitdem hatten wir hunderte von Gästen bei uns. Sogar das Chinesische Neujahrsfest begehen wir gemeinsam. Und Prof. Yu Hui, Deputy Director Painting/Calligraphy und Direktor Research Institute, National Palace Museum, Beijing, sowie viele andere haben uns besucht. Soweit also nichts ungewöhnliches, ausser, dass der 28. Januar ein besonderer Tag im Jahr ist: der Geburtstag von Jackson Pollock und Claes Oldenburg.

Als ich (zeitig früher) vor dem Büro in der Mainzer Walpodenstrasse ankam, traf ich Jiandong Sun, die mit ihrem Ehemann Dr. Ing. Gert Kaster schon im Gehen begriffen war. „Oben im Büro ist viel los!“, sagte sie lachend. Ich rannte die Stufen hoch. Die Bürotüre war weit geöffnet. Es standen überall so etwas wie einzelne Paravents herum. Viele Kartons waren verstreut. Über ein halbes Dutzend Menschen waren mit diesen Paravents, mit Papierrollen und -blättern beschäftigt. Möbel wurden umgestellt. „Das ist mein Freund Jian Xu, seine Frau Ting Wang, seine Tochter Xiang und sein Sohn Xin“, sagte Ying stolz und freute sich. Alle seien Künstler aus Leidenschaft: Jian ist ein renommierter Maler, seine Frau eine Opernsängerin, seine beiden Kinder sind hochtalentiert und studieren Malerei. Und unser Value Communication Fellow Yajing Huang sorgte als Koordinatorin für den nötigen Überblick.

Idee und Resultat in Windeseile — auf höchstem Niveau!

Was war geschehen? Jian Xu war dermaßen begeistert von Mainz und unseren schönen Räumen, dass er ad hoc mobile Stellwände und alles nötige besorgen ließ, um Dutzende von Arbeiten von sich und seinen Kindern auszustellen. Chinesische Malerei und Kalligraphie vom Feinsten. „Es muss alles sehr schnell gehen. Am Samstag wollen wir eine Vernissage machen“, sagte Ying lächelnd. Ich dachte, in Anbetracht unserer bereits vorhandenen zahlreichen Sammlungsstücke und Gemälde, nicht zuletzt von Ying selbst, die wir ausstellen: Da bin ich gespannt, aber wie soll das werden?

Yajing kam lächelnd auf mich zu und sagte: „Wollen wir jetzt oder später ein Interview mit Jian Xu machen, dass bei seiner Rückkunft im Chinesischen Fernsehen gezeigt werden soll?“ Ying informierte mich, während alle anderen die Ausstellung arrangierten, über Jian Xu’s Lebensweg, seine Arbeit und seine Bedeutung. Jian Xu ist der letzte Meister-Schüler des grossen Malers Wang Xuetao, der unter anderem 1956 eine chinesische Delegation nach Europa führte und als Höhepunkt eine Begegnung mit Pablo Picasso zelebrierte. Wang demonstrierte Picasso eindrücklich die chinesische Malkunst, indem er in nur sieben Minuten einen Adler malte. Zudem wurden Picasso Arbeiten von Wang’s Lehrer und Meister Qi Baishi gezeigt. — Picasso war dermaßen beeindruckt, dass er Wang Xuetao eine Zeichnung seiner Friedenstaube widmete, die Wang mit chinesisches Schriftzeichen versah. Und Picasso sagte anerkennend: „Die wahre Kunst liegt im Fernen Osten.“ Picasso beschäftigte sich im Anschluss intensiv mit Chinesischer Kunst, wenn er auch bedauerte aufgrund der weiten Entfernung und seines fortschreitenden Alters nicht selbst nach China reisen zu wollen.

 

JIan Xu Memorial 1

 

Jian Xu hat seinem Meister in über fünfjähriger Arbeit die Wang Xuetao Memorial Hall im Gonghuacheng Art Center gewidmet. „Kunst kommt aus dem Herzen. Und hat Beziehungen zu allem, was wir tun“, sagte mir Jian Xu in unserem Interview, nachdem in nicht einmal drei Stunden eine mehr als sehenswerte Ausstellung aufgebaut und inszeniert wurde. (Dazu an anderer Stelle mehr!).

Wir sind voller Freude und sehr glücklich, Jian Xu und seine Familie als Freunde in Mainz gebührend zu feiern. Es ist uns eine Ehre. Und unseren Besuchern eine Freude. Die kamen übrigens schon während des Ausstellungsaufbaus: Jörg Blumtritt aus München sowie unsere lieben Nachbarn mit ihren Kindern sowie eine ganze Reihe von chinesischen Freunden, die in Mainz leben. Kunst fördert Kommunikation. Wir sind mit dem Herzen dabei.

 

Impressionen zum Making-Off der sehenswerten Ausstellung:

 

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Foto: Dr. Ying Lin-Sill, Mainz

 

Eröffnungsansprache am 26. September von Andreas Weber,
Kurator der Ausstellung “Kunst zu(m) Sterben” in der Rathausgalerie, Mainz.

Kunst zu(m) Sterben. — Warum dieser Titel? — Warum die Klammer um das kleine „m“?

Kunst hat die Aufgabe, zu vermitteln.

Kunst steht für sinnstiftende Wahrhaftigkeit.

Kunst ist Kommunikation, gerade für Themenbereiche, die allzu gerne ausgeklammert, tabuisiert, ignoriert werden.

Kunst ist das Universum der Künstler, also der Kunstschaffenden, ebenso wie das der Kunstliebhaber.

Kunst entwickelt unsere Kultur weiter, pflegt den Umgang miteinander und den Umgang mit unserem Leben in all seinen Facetten.

Sterben bezeichnet den Übergang vom Leben zum Tod.

Beides, Kunst und Sterben, sind zentrale Bestandteile menschlichen Daseins. 

Das Ziel des Daseins beschreibt Friedrich Hölderlin im Fragment „Hyperion“ wie folgt:

 „Eines zu seyn mit Allem, was lebt!

Eines zu seyn mit Allem,

das ist Leben der Gottheit,

das ist der Himmel des Menschen.“

An anderer Stelle heisst es im Hyperion weiter:
„Wir bedauern die Toten, als fühlten sie den Tod, und die Toten haben doch Frieden.“

Der Tod ist rational und absolut begreifbar; er schafft Fakten. Punktum. Wir haben gelernt und Rituale entwickelt, um mit dem Tod umgehen zu können. — Das Sterben hingegen ist zwangsläufig, heterogen, unvorhersehbar und rational wie emotional nicht steuerbar. Sterben berührt die Lebenden.

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Warum steht beim Ausstellungstitel das kleine „m“ in Klammern? 

Es führt unser Vorhaben in dieser Ausstellung weit hinaus über die seit Jahrhunderten in den Religionen begründete Vorbereitung auf den Tod. Spätmittelalterliche lehrhafte Erbauungsschriften titulierten als Ars Moriendi oder Ars Bene Moriendi; sie waren gesetzt als Kontrapunkt zur „Ars Vivendi“.

Doch solche „Moral Subjects“ pass(t)en ins Mittelalter, aber nicht mehr in die Neuzeit, die uns Sicherheit, müheloses Altwerden, ewige Jugendlichkeit vorgaukelt. Fast wird uns sogar noch die Unsterblichkeit in Aussicht gestellt.

Die Botschaft der in der Mainzer Rathausgalerie von Valy Wahl bereits genannten und mit ihren Werken versammelten Künstler ist eine weiterführende. 

Es war uns als „Kuratoren“ (welche schönes Wort, heisst es doch „Pfleger“, „Vertreter“, abgeleitet vom lateinischen „curare: Sorge Tragen, sorgen um…“,  weil es zu den Aufgaben des Palliativnetzwerks passt,), es war und ist uns wichtig, eine Brücke zu schlagen zwischen künstlerischen Werken und ihren Botschaften für uns alle, die wir Leben und zwangsläufig dem Sterben entgegensehen.

Die Aufgabenstellung für die teilnehmenden Künstler aus den Bereichen Malerei, Grafik, BuchObjektKunst, Skulptur, Fotografie/Grafik, Tanz und Performance sowie im Rahmenprogramm auch Musik, Literatur und Kabarett lässt sich wie folgt beschreiben:

Welche Einsichten vermitteln Künstler aus allen relevanten Kunstgattungen auf drei zentrale Fragen zum Thema

  1. Leben: Warum und wo kommt es her, wie schätze ich es zu leben? Wie lebe ich mit dem Bewusstsein des Vergänglichen, um in Würde aus dem Leben treten, also sterben zu können?
  2. Sterben und die Angst davor… — Tatsache ist: Ich werde sterben. Wie sterbe ich, wie und wann setze ich mich mit dem Thema Sterben auseinander?
  3. Helfen — Hilfe:  Brauche ich Hilfe bzw. wenn ich Hilfe in Anspruch nehme, wie wird mir geholfen?

Ein Spezialthema steht noch offen, und würde hier den Rahmen sprengen:

Welche Konzepte und Realisationen für Räume zum Sterben bietet die Architektur für Hospize und Palliativ-Stationen in Krankenhäusern etc.

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Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Komplexität des Themas „Kunst zu(m) Sterben“ ist weit höher, als man erwartet. Bei unseren Vorbereitungsarbeiten haben Valy Wahl und ich noch weitere, tief gehende Aspekte entdecken können: Durch die eingeladenen Künstler und ihre Wertvorstellungen von Leben und Sterben, die in ihren Arbeiten Ausdruck finden.

Elfie Clement lässt uns per Video-Installation an höchst intimen und subtilen Erfahrungen teilnehmen, die sie innerhalb von 7 Tagen am Sterbebett der Mutter machte. Sprachlos und umgeben von Stille zeichnete sie zu unterschiedlichen Tageszeiten immer wieder Gesicht, Mimik, Leid und Erlösung der Sterbenden. Die feine Strichführung vibriert mitunter. Eindrücklicher kann der Übergang vom Leben zum Tod kaum erfassbar sein.

Wolfhard Tannhäuser hatte zu seinem Bild „Pendel“ ein männliches Modell gewählt, das zum Zeitpunkt des Malens vom Tod gekennzeichnet war, ohne dies zu wissen, und kurz nach Fertigstellung des Gemäldes verstarb. Diesem Momentum des Zufälligen stellt Wolfhard Tannhäuser die normative Kraft des Faktischen zur Seite. In „War Memorial — I believe in Syria“ dokumentiert er persönliche Eindrücke aus Damaskus, kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges: Ein riesiges Wandplakat zeigt den syrischen Präsidenten mit froher Botschaft! Im Zuge der kriegerischen Ereignisse kommen als schmale hohe Streifen mit fetzenartigen Motiven, Todesanzeigen hinzu, wie sie unter syrischen Christen üblich sind, um das Sterben und den Tod von Angehörigen zu betrauern.

Fee Fleck, die lebenslang gegen das Vergessen oder besser: gegen das  in Vergessenheit geraten, eintritt, reduziert in plakativ-eindrucksvoller Art und Weise unser Dasein auf den Ausgang: „La Morte“ entstand im Rahmen ihrer Zyklen und Arbeiten zu Ingeborg Bachmann, deren literarisches Schaffen Fee Fleck als von Liebe, Sehnsucht und Tod geprägt sieht. Insofern trifft flächige Malerei auf kalligrafische Elemente. Der Schriftzug La Morte tritt Relief-artig hervor. Morte bedeutet sowohl Tod als auch Abgang. Die Farbsymbolik von Weiß kann Licht, Reinheit, Weisheit bedeuten; in asiatischen Kulturen steht Weiß auch oft für Tod!

Ulrich Heemann bezieht sich mit der inszenierten Fotografie „Selbst“ unmittelbar in sein Werk ein. Die Darstellung kann höchst subjektiv ausgelegt werden. Als Momentaufnahme, hier, im Jetzt und Sein. Oder als Aufbruch in eine neue Welt, die über das Leben hinausgeht.

Fast stoisch fasst der in Mainz geborene und in Berlin lebende Künstler Stör, übrigens der Jüngste in der Riege unserer Künstler, das Thema Sterben auf. In dem eigens für unsere Ausstellung angelegten Werk „Entzweit“, eine überdimensioniert angelegte Malerei mit Aquarell und Acryl, entdecken wir eine lang hingestreckte, leidende, zerschundene, magere Kreatur. Das Bunte des Lebens ist dahin, ebenso wie Proportionen und Verhältnismäßigkeiten. In seiner Stille berührt es die Skizzen-Arbeiten von Elfie Clement auf sonderbare, denkwürdige Art und Weise.

Und vor allem, es führt zur Bildhauerarbeit von Achim Ribbeck, „Unter den Weiden“, gefertigt aus Ulmenholz, teilweise mit Acryl bemalt. Wir sehen einen Nachen – wie wir ihn aus der Antike kennen, den Charon steuert, um den Styx auf dem Weg zum Hades zu überqueren. In den Nachen ist eine menschliche Figur eingezwängt ist, geradeso wie Shakespeares Ophelia aus Hamlet. Ophelia leitet sich als Name vom griechischen Wort für „Hilfe“ ab. Im Hamlet wird sie als Holdselige über den vermeintlichen Wahnsinn des Geliebten und den Tod des Vaters selbst wahnsinnig und ertrinkt, treibend in einem Bach… Im Werk von Achim Ribbeck finden übrigens Boot und Mensch einen deutlichen Niederschlag (was die Auswahl für die Ausstellung nicht einfacher machte…). Stets bleibt offen, ob das Boot der Rettungspunkt oder Ausgangspunkt für Verderben und Tod ist.

Ihre Eindrücke im Hier und Jetzt mit dem Blick zurück nach vorne teilt auch die aus China stammende Künstlerin und Kunstwissenschaftlerin Dr. Ying Lin-Sill mit uns. Im Rahmen einer ganzen Reihe von Mainz-Motiven aus den letzten drei Jahren entstand im Sommer 2013 – mit Blick auf unsere Ausstellung – das Gemälde „Ying‘s Nightmare“, zu deutsch „Yings Albtraum“. Am Beispiel der szenisch überhöhten Darstellung des großen Mauerwerks zu Füssen der Mainzer Kupferberg-Terrasse mit den Rundfenstern, die als Gitter den Davidstern aufweisen, wird uns subtil gezeigt, wie bei uns mit dem Holocaust umgegangen wurde. Der zu Pferd sitzende Heilige Martin wendet sich ab, das infernalische Leid und gewaltsame Sterben unzähliger Menschen nimmt seinen Lauf.  — Am Rande sei darauf hingewiesen, dass kaum einer von uns Mainzern je bemerkt hat, wie die Fensteröffnungen am Mauerwerk vergittert sind!

Siehe die Videoanimation auf YouTube:

Valy Wahl setzt, wie sie selbst sagt, darauf, Hoffnung oder Verwirrung zu stiften. „Der Gesang der Frösche“, meisterlich in Valy‘s ureigener Lack-Druckfarben-Malerei als Viertafelbild angelegt, inszeniert die eigentlich friedvollen Frösche als wahre Monster. Unser Dasein ist nicht nur von Schönheit und Liebe geprägt, sondern auch von Leid, Schrecken und Gewalt. Leben und Tod sind Partner, die durch das Sterben einen Bund eingehen. Übrigens: In fasst allen Weltkulturen spielt der Frosch eine Rolle. Er symbolisiert Fruchtbarkeit und Erotik sowie auf spiritueller Ebene die Verwandlung.

Kunst zu(m) Sterben wird zur Metamorphose, die eine Transformation unserer Existenz von der einen Welt in eine andere beschreibt.

Diese Metamorphose, dieser Übergang wir auch durch die ausgestellten Werke des Schweizer Bildhauers Pi Ledergerber erfahrbar. 1994, also vor fast zwanzig Jahren, startete er ein Experiment. Wochenlang lebte er in Finnland, in einem Seengebiet, abseits jeglicher Zivilisation in einer Blockhütte mit Saune, See und Ruderboot. Kein Mensch weit und breit, was durchaus bedrückte und ängstlich machte. Pi Ledergerber sammelte besondere Steine, jene Findlinge, die aus der Natur kommen. Er bearbeitete sie als Bildhauer und legte sie in die Natur zurück. Wir freuen uns, einige der Findlinge, die er mitbrachte, auszustellen, sowie Fotos aus dem Ursprungsjahr, die er vor Ort aufgenommen hat. — Das Leben kommt aus der Natur und geht in die Natur zurück, so seine Botschaft.

„Natur“ ist auch das Thema eines vollendet gestalteten Kassettenwerks von Hermann Rapp, das in der Hochvitrine ausgestellt ist. Seine BuchObjektKunst greift literarisch hochstehende Texte auf, in diesem Fall das Goethe zugeschriebene, von Tobler verlegte Fragment Natur, illustriert und kommentiert sie, setzt druckt sie vollendet in alter Manier. Das Textfragment beginnt wie folgt. „Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen – unvermögend aus ihr herauszutreten, und unvermögend tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen.“ –– Hermann Rapp setzte auf die Mitwirkung der Kunstwissenschaftlerin Ursula Weber, die Goethes Text und Hermann Rapps Werk in den Kontext grosser künstlerischer Leistungen stellt.

Ursula Weber, meiner Mutter, widmete Hermann Rapp das eigens für unsere Ausstellung geschaffene Werk „Adieu Ursula – Auf den Tod einer Freundin“. — Quasi mitten in den Vorbereitungen der Ausstellung „Kunst zu(m) Sterben“ trat für mich und uns der Ernstfall ein. Meine Mutter starb überraschend am Spätnachmittag des 7. August 2013, gerade an dem Tag, als Valy Wahl und ich zwei unserer Künstler in deren Ateliers in Rheinhessen besuchten, um die letzten Exponate auszuwählen.

Hermann Rapp nahm Ursula Webers Tod und ihre Besetzung per Baumbestattung auf dem Gonsenheimer Waldfriedhof zum Anlass, per hochformatiger Druckgrafiken die Trauergesellschaft zu skizzieren. Fast archaisch, von Betroffenheit und Demut erfasst, wird der Abschied aus der Welt und der Einzug in die Natur für uns alle erfahrbar. –– Beigefügt ist den kostbaren Druckgrafiken ein Sonett von Michelangelo, ins Deutsche übersetzt von Rainer Maria Rilke sowie Anmerkungen von Hermann Rapp zum Werk für die verstorbene Freundin. –– Die Anfangsverse des Sonetts lauten:

Des Todes sicher, nicht der Stunde, wann,

Das Leben kurz, und wenig komm ich weiter.

Den Sinnen zwar scheint diese Wohnung heiter,

der Seele nicht, sie bittet mich: “stirb an.”

Aber lesen sie selbst. Wie sie auch bitte sich selbst ein Bild von den Exponaten der Künstler machen. Fassen sie bitte die Ausstellung nicht einfach nur als Kunstausstellung auf. Sondern als Appell, sich mit dem zentralen Thema unseres Daseins, dem Sterben, aktiv und konstruktiv auseinanderzusetzen. Und nutzen Sie die Kunst und die Botschaften der Künstler als Ratgeber, zur Orientierung und Lebenshilfe. Ebenso und im Kontext mit den vielen engagierten Fachkräften des Palliativnetzwerk Mainz, denen ich danken möchte, die Initiative für dieses Projekt ergriffen und unser Projekt hier im Mainzer Rathaus, unterstützt vom Kulturamt, möglich gemacht zu haben.

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Epilog

Wir haben im Vorfeld mit vielen hundert Menschen über die Ausstellung und ihr Thema reden, diskutieren und per Facebook und Twitter kommunizieren können. Das ist einmalig. Und wir werden den Verlauf der Ausstellung dokumentieren (lassen Sie sich überraschen!), ebenso wie von der Finissage am 6. November 2013, um 18 Uhr. Dann wird als Schlusspunkt Peter Grosz mit Ensemble die Theater-Aufführung „Zeiten alter aus“ darbieten. Sie sind alle herzlich eingeladen.

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Video-Mitschnitt der Rede von Andreas Weber

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