MALEN MACHT REICH!
Fotos: Andreas Weber, Mainz, 2. Mai 2014
Bildwerke von Zoppe Voskuhl, Berlin
MALEN MACHT REICH!
Rede von Prof. Valy Wahl, Mainz zur Ausstellungseröffnung Zoppe Voskuhl am 2.Mai 2014 im Kunstverein Eisenturm Mainz
Eindrücklich-inspirierende Bildergalerie zur Eröffnung der Ausstellung im KEM von Zoppe Voskuhls “Malen macht reich!”.
Liebe Freunde, liebe Gäste, ich möchte Ihnen hier Zoppe Voskuhl vorstellen, Zoppe Voskuhl! Er kommt aus Berlin zu uns, um uns seine vielseitigen Werke zu zeigen und dafür möcht ich ihm herzlich danken. Ich muss Ihnen mitteilen, dass der Aufbau dieser Ausstellung mit Zoppe mir sehr viel Spaß und Freude bereitet hat.
Begrüßen möchte ich Hendrik Liersch aus Berlin, der V.O. Stomps-Preisträger der Minipressenmesse Mainz 2007, seine Frau, seine und meine Freunde aus Wendelsheim. Über die zahlreich anwesenden Freunde und Mitglieder des Eisenturms freue ich mich besonders. Das Leben von Zoppe Voskuhl begann in Rhauderfehn, wo auch immer das ist, es ist wohl ein ostfriesisches Dorf. Ich hoffe im Gespräch gibt es sicher hierzu eine Aufklärung. Der Ort muss sicher in der Nähe von Bremen sein, denn dort hat er an der Hochschule für Gestaltung Malerei studiert. Stationen seines agilen Schaffens war erst mal Bremen, dann, na klar, Paris, Hannover und seit 1995 ist sein zu Hause und Atelier nun in Berlin.
Zoppe Voskuhl zeichnet gerne mit Bleistift, macht Kaltnadelradierung, schneidet in Holz und Linol. Die Malerei ist eine Technik, die ihn fesselt, deshalb ist die Skulptur eine logische Folge, die sich aus seiner Themenfülle selbständig macht. Thema ist der Mensch als figurative Ausformung. Die Frage nach dem Menschsein wird immer wieder neu gestellt. Z. V. arbeitet in verschiedenen Werkgruppen: Rüdibilder, Braunbilder, Neubilder, Direktbilder, Schönbilder.
- “Rüdibilder” wir stehen mittendrin. Rüdi ist eine Kunstfigur, die träumt, scheinbar sinnlos agiert und phantastische Bilder mit Rüdis bevölkert.
- “Neubilder” sind auf altmeisterliche Art typisch bekannte Situationen, die jedoch rätselhaft wirken.
- “Braunbilder” sind Menschenfiguren in expressionistischer düstern Farbgebung.
Zoppe V. nutzt die Situation sich mit seinen verschiedenen Werkgruppen gestalterisch auseinanderzusetzen, um methodisch und ästhetisch seine illusionistische Gegenständlichkeit präzise zu definieren. Sie brauchen sich nur umzuschauen. Außerdem bereitet Lyrik ihm ein großes Vergnügen. Seine Linolschnecken sind hierzu bei Hendrik Liersch verlegt. Dazu später eine Info.
Textfetzen von C. H. Simpson zu “Rüdibilder”: “Freude am Leben verkörpert Rüdi, als Kind, Kobold, Zwerg, als Comic-Figur, ein Wesen, das durch die Erwachsenen nicht wirklich ernst genommen werden kann. Er kann alt, jung, Mann, Frau oder Kind sein. Mit seinen Spielkameraden gestaltet er die Bilder selber und poltert ohne Tabu und Regeln über die Grenzen hinaus, ein Lobpreis der Komplexität des menschlichen Daseins. Verletzt wirkende, unausgeglichene kindische Wesen, hoffnungsvolle, naiv stumpfsinnige Gesichter, auf streichholzartigen Gliedern verloren und vertrauend in die Zukunft zu schauen, scheinen Rüdis einer umfangreichen potent polternden Bildwelt zu entspringen.”
Die Figuren transportieren Menschliches spielerisch triebhaft jedoch unreflektiert. Eine Fülle von Furchtlosigkeit findet man in den Motivschöpfungen. Farbakkorde, mit drei-, vier- und fünf Klängen werden in schroffen Übergängen expressionistisch und teils in geschmeidiger Modulation behandelt. In Mitten der verschiedenen Bildsprachen steht Rüdi, der Alleskönner, das liebe Kind, der Kleinverbrecher, der Wiederholungstäter, der moralische Entdecker im gemalten Format.
“Rüdi” ein Fabelwesen auf der gespannten Leinwand, Rüdi der merkwürdige Homunkulus, oder das künstliche Menschlein des Keilrahmens mit einer Schar Gleichgesinnter. Die liberale Bildwelt bricht inhaltlich Tabus und ist hoch extrem. Womit die Schmerzgrenze des Sehbaren überschritten ist. Zoppes Farbklänge sind leicht beschwingt wie Schmetterlingsflügel, nicht brodelnd dunkel, sondern das überzogene expressionistische Farbgefühl ist schillernd und schrill.
Rüdi widerspricht der erhabenen Idealfigur mit ausgewogenen Gliedmaßen und anmutigen Gesten. Er ist ein halbfertiger, mal kindischer , mal grauenhafter Bildakteur, der in der Menge anderer Bildgenossen mannigfaltige Sozialallegorien aufzeigen kann. Obwohl sie kultiviert erscheinen, foltern sie in der gleichen Unbekümmertheit, wie sie sich lieben.
Er ist ein Mischwesen, schön, voller Bewunderung, ekelerregend, zuweilen sexbesessen, wie ein sich selbst quälendes Monster. Schön hier in den Zeichnungen exemplarisch zu sehen. Die Entstehung der Rüdibilder sind wie eine wellenartige Ablagerung von Strandgut am Meeresrand einer ostfriesischen Insel. Im Rüdiland herrscht Vollbeschäftigung. Nichtstun und Konsumieren ist eine anerkannte Tätigkeit, die mit Hyperaktivität betrieben wird.
Braunbilder
Großformat, keine klassische schöne Zeichnung, sondern eine eminent ästhetische Unruhe, bestimmt seine Bildsprache. Die Brauntöne bestimmen die Motive und Inhalte, sie sind wesentlicher Bildbestandteil der Thematik, die durch den gewollt heftigen Duktus des Farbauftrags hervortritt. Die Zeichnung mit Graphit funktioniert mit gleicher Intension und Konzentration.
Die Figurationen in szenischem Bildraum entwickeln sich mit vollem Körpereinsatz des Künstlers beim Malen. Die dunklen Farbflächen intensivieren sich dramatisch wie die menschlichen Seelen und ihre Befindlichkeiten, manchmal brutal und gewalttätig, manchmal sanft und zärtlich.
Für den Betrachter sind diese Aussagen unverständlich, nebulös, geheimnisvoll, traurig oder melancholisch, jedoch kann das Temperament des Künstlers während des Machens, die Tätigkeit der Farbe und des Pinsels auf und in den Bildgrund eine Ekstase oder wunderbaren Rausch bewirken. Die Entfesselung des Künstlers und dem entstandenen Sichtbaren fordert den Künstler heraus, sich der formulierten Bildrealität zu stellen und kann und muss klärend in Form und Farbe einwirken.
Dieses Spiel oder auch Stress zwischen dem Künstler und seinem figurativen Werk machen dem Betrachter Angst, denn dieser Vorgang wird nicht wirklich nachvollziehbar, weil er die Zwänge und zugleich Freiheiten des Künstlers in diesem Moment nicht kennt. Diese intensiven Zwiegespräche Künstler-Bild und Bild-Künstler, machen die Faszination der “Braunbilder” von Zoppe Voskuhl aus. Damit wird die Frage nach dem Menschsein beantwortet. Gegen das krude Bildgeschehen setzt er als Tröstung die ästhetische Gestaltung. Reden und Malen wirkt als Befreiungsakt.
Albtraum von der Seele malen, nicht schön, aber möglichst schnell, dabei passieren grobe Inhalte, grobe Mittel und keine Ästhetisierung. Ausgetüftelte Tortouren und beängstigende Exekutionen sind surreal und obsessiv. Kitschige Harmonie und heimelige Idylle ist ironisch und karikierend. Schön ist doppelwertig zu verstehen. Zoppe V. eignet sich Bereiche des Imaginären an und setzt sie in die materielle Fiktion des Bildes um.
Neubilder
Mit einer rötlich-grünlich-blauer reinen und satten Farbpalette werden Menschen mit kleinen Köpfen und langen Körpern in ihren Fähigkeiten und Unzulänglichkeiten fast mit altmeisterlichen Stil gemalt. Hier stöbert Zoppe gerne durch die Kunstgeschichte. Meistens sind das wirklich “schöne” Bilder, wie Zoppe V, sie auch nennt, jedoch ist die Aussage nicht immer gut, denn schön ist nicht immer gleich gut, wie er in den Bildern “Baumträger” oder “Vasen” und einige ohne Titel aufzeigt.
Z. V. will auf die Grausamkeiten des menschlich Möglichen formal reagieren, die zu zeigen ist ihm wichtig. Mit freigestellten Figuren und monochrom wirkenden Bildgründen reagiert er pointiert und plakativ. Die Unendlichkeit und der weite Blick lässt fragen, nach dem Begreifen was vorgeht oder ob Neues kommt. Eingefrorene Momente, wie eigentümliche Staffagen modelliert Z. seine Geschichten und webt Geheimnisvolles hinein. Mit den “Vasen” oder “Baumträgern” schildert uns Zoppe das Verhältnis des Menschen zur Natur. Mit der Fracht auf dem Rücken agieren die Figuren geschäftig und dynamisch, als wäre das das Logischste der Welt, statt Bäume zu pflanzen, vielleicht leichtsinnig und unbedacht sie zu Grabe zu tragen.
Will Zoppe Voskuhl mit seiner Bilderwelt seinem liebenswerten Humor und dem beißenden Spott uns einfach mal “schön” aufrütteln und uns auffordern uns an unsere lebensnotwendigen Ressourcen denken zu lassen?
Bei den “Vasen” muss man sich schon fragen, was wird mit Blumen so schön geschmückt und wird mit so viel Leichtigkeit fortgetragen und wohin transportiert?
Zoppe Voskuhl als Maler
Seine Braunbilder bewegen Widersprüche, Affekte und Brüche, die als Synonym für zeitgenössisches Denken gilt. Bevormundung durch ästhetische Theorien lehnt er ab, denn für ihn ist das Bild spontan und ebenso reflektiert. Eindeutige Aussagen werden verweigert. Der Selbstausdruck wird gefeiert.
Der Mensch als Thema wird in dynamischer Bewegung sowie in statuenhafter Pose in großartigem Volumen geformt. Diese Formen wachsen aus der Farbe, die keinen fixierten Raum und auch keine Zeit kennt. Soziale Erfahrungen bestimmen die Tätigkeiten seiner Figuren, die ihre Haltung und nicht das Milieu dokumentieren.
Wie Michael Stoeber sagt, “werden Gebärden des Beschützens und des Abwehrens, das Suchen und Verlierens, Umarmens und Unbeteiligtseins, Gebärden von Angriff und Verteidigung, embryonaler Schutzsuche und regressiver Verweigerung bevorzugt”. Dies geschieht einmal mit minutiösem Pinselstrich an Pinselstrich, gleichermaßen mit nervös geschlagenen Pinselhieben in ungeduldiger Manier, um seine Figurenwelt aus dem Malgrund, in erdigen Brauntönen, zu modellieren. Illusionistische Räumlichkeit und atmosphärische Dichte führt Zoppe Voskuhl mühelos und meisterhaft vor.
Die Begrifflichkeit wird anstrengend, es gibt kein eindeutiges Abbild, es entstehen Fixierbilder die desorientieren, die nur so elementare Gesten gelten lassen, nämlich vom Leben gezeichnete und gebeutelte Gestalten. Sie stehen immer im Kontakt und im Dialog zueinander, um ihre Regungen manchmal zärtlich und auch manchmal brutal und gewaltig erscheinen zu lassen. Die Kunst zielt auf eine originelle Zusammenstücklung von Gedanken, umgesetzt in einer realistisch gestimmten Malerei, die wie ein Geheimzeichen funktioniert. Die Brücke zum Betrachter wird geschlagen indem reale und surreale Momente aufgezeigt werden.
Auf der Webseite von Z. V. ist ein Interview zu sehen, wo er schildert, dass er beim Arbeiten “auf der Suche nach dem beglückten Zufall” ist. Dabei hat er so recht, wenn er weiter sagt: den Zufall pflegen zu müssen, denn es gilt das Medium zum Tanzen zu bringen, denn dann tanzen die Bilder.” So passt der Titel unserer Ausstellung: “Malen macht reich”.
Zu der Druckwerkstatt in Berlin, von Hendrik Liersch, möchten wir heute einige besondere Druckwerke zur Lyrik und Prosa, verschiedener Autoren, mit Radierungen und Holzschnitten von Zoppe Voskuhl Ihnen vorstellen. Hendrik Liersch und seiner Frau Karin danke ich für die schöne und wertvolle Ergänzung und Sonderschau. Die Bücher zum großen Teil mit originalen Zeichnungen bzw. Exponaten als Unikaten, sind natürlich gerne käuflich zu erwerben. Wer sie gesehen und mal in der Hand hatte, wird sich ihnen, sowie den Exponaten von Zoppe Voskuhl nicht mehr entziehen können.
I
Ich freue mich, dass jetzt Andreas Weber, unser Spezialist für Kunst und Kommunikation, nun ein bewegt-informatives Gespräch mit Zoppe Voskuhl führen möchte.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Eindrücklich-inspirierende Bildergalerie zur Eröffnung der Ausstellung im KEM von Zoppe Voskuhls “Malen macht reich!”. https://www.facebook.com/zeitenwende007/posts/10203655703858426