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Fee Fleck vor einem der Med-Bilder in ihrem Atelier in Mainz. Foto: Andreas Weber

Laudatio von Andreas Weber, zum Ausstellung im Landesmuseum Mainz anlässlich des 80. Geburtstag von Fee Fleck

Es geschah am 27. Tag eines Monats, dem 27. Dezember des Jahres 1950, im Herzen einer Weltmetropole beim Spazierengehen. Ein Mann bricht auf offener Strasse zusammen und stirbt in Sekundenschnelle an Herzversagen. Zuvor hatte er intensiv an der Vollendung eines Meisterwerkes in Form eines Triptychons gearbeitet. Was war geschehen? Endet, wenn das Werk vollendet ist, gleichzeitig auch das Leben des Künstlers? — Der Mann starb übrigens in der Fremde. Das Triptychon wurde sein Vermächtniswerk, in dem er vieles bündelte, was sein Leben und Wirken ausmachte.

Es geschieht am 27. Tag eines Monats, dem 27. Januar des Jahres 2012. Im Mainzer Landesmuseum wird eine Ausstellung eröffnet:

Fee Fleck: Medea – die Fremde. 

Zufall, oder auch nicht? Der in der Fremde Verstorbene hatte seinem gerade noch vollendeten Triptychon zunächst den Arbeitstitel „Die Künstler“ und dann final den Namen ”Die Argonauten“ verliehen. Wir sehen im Mittelbild, das an ganz frühe Darstellungen des Künstlers anschließt, den antiken Helden Jason in der Mitte seines Bootes Argo, umgeben von einem Gefährten, geheimnisvollen Himmelserscheinungen und einem bärtigen Greis, der aus dem Meer heraufsteigt. „Die Botschaft der Gestirne und des Ozeans ist freilich verschlüsselt“ (Friedhelm W. Fischer, Max Beckmann, Köln 1972, Seite 88). Ebenso wie der Bildtitel, der wohl aus einem Traum heraus entstand. Das Triptychon bietet keine „typische“ Mythologiedarstellung, eher eine archaisch-archetypische oder sogar auch allegorische mit zeitgenössischer Projektion. Auf dem linken Flügel sieht man einen Maler vor der Staffelei und eine auf abgeschlagenem Kopf sitzende Frau mit überdimensioniertem Dolch, der wie ein Schwert wirkt. Soll das Medea sein? Rechts sitzen junge Frauen beim Musizieren.

Warum erzähle ich das? — Die Antwort gibt Friedhelm W. Fischer: Der Künstler – die Rede ist, wie zu merken war, von Max Beckmann – habe „an einem Sinn des Daseins oft genug gezweifelt, aber er hielt an einer Arbeitshypothese fest. (…) in allem, was wir wahrnehmen und erleben, ist eine Botschaft verschlüsselt. (…) manchmal hat er sich auch seltsam bestätigt gefühlt in der Annahme, die Welt habe einen verborgenen Sinn.“ Fischer konstatiert, der Maler habe sich in seinem Denken und Spekulieren immer wieder in den unauflösbaren Widerspruch zwischen menschlichem Bewusstsein und grenzenlosem Universum verfangen. Und schreibt selbst in seinem Tagebuch: „Wir müssen an unendliche Beziehungen glauben, meist sinnlos für unser Denken und unentwirrbar, doch ist es sicher die einzige Möglichkeit, nicht sein Heimatgefühl im Cosmos zu verlieren.“

Die Fremde kann also überwunden werden durch Sinnlosigkeit des Denkens, das als unbeeinflussbare Nebenwirkung Heimatgefühle erzeugen kann, egal wo wir sind.

In diesem Kontext ist zu hinterfragen: Was meint Fee Fleck mit dem Titel „Medea – Die Fremde“, den sie für einen ganzen Bilderzyklus gewählt hat?

Um diese Frage zu beantworten, muss vorausgeschickt werden, dass unser Bild von Medea kaum etwas mit dem Ursprung zu tun hat. Die Medea-Saga gehört zu den Ur-Mythen und datiert fast 3.500 Jahre zurück. Über die verschiedensten Erzählstationen – von Homer, Pindar, Euripides, bis zu Ovid und Seneca und später dann Franz Grillparzer und Hanns Henny Jahnn – wird Medea bis in die Neuzeit des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich von Männern kolportiert. 1950 widmet ihr Elisabeth Langgässer einen Roman, es folgen 1963 Sylvia Plath sowie 1977 Helga Novak. 1996 erscheint nur kurz nach dem Literaturstreit und einer Verleumdungskampagne in deutschen Medien der Roman „Medea. Stimmen“ von Christa Wolf; ein Roman, der äußerst anspruchsvoll gehalten ist und weltweit ein Bestseller wird – übersetzt in 27 Sprachen – und das in Anbetracht der Ablehnung durch die deutsche Literaturkritik. Christa Wolf setzte sich beim Publikum durch und revidierte das Bild der Medea grundlegend.

Kurz danach, 1998, wurde in Linz  der Kulturverein Medea von der Medienpädagogin und bildenden Künstlerin Andrea Reisinger gegründet. Die Zielsetzung lautet: „Initiative Medienarbeit und Integration in neue Felder der Kunst. Medea verstehe Kunst als Bearbeitung gesellschaftlicher Oberflächen, die von konkreten Menschen gebildet werden. — Insgesamt gibt es bis dato über 300 künstlerische Bearbeitungen der Medea.

Wie die Berliner Literaturwissenschaftlerin Inge Stephan in ihrem lesenswerten Buch „Medea – Multimediale Karriere einer mythologischen Figur“, aus dem Jahre 2006 schreibt, beschäftigen sich seit der Nachkriegszeit, also ab 1945, Frauen intensiv mit Medea. Medea ist aber nicht nur ein Literaturtopos, sondern findet Niederschlag in der Oper, im Theater, im Film (Pasolini lässt Maria Callas 1968 die Medea spielen) und in der bildenden Kunst. Hier reicht das Spektrum von Meistern wie Th. Géricault und Eug. Delacroix über Anselm Feuerbach im 19. Jahrhundert. Andere Künstlergrößen der Moderne folgten. Inge Stephan attestiert Männern wie Max Beckmann und in der Folge auch Anselm Kiefer, dass sie in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Argonauten-Saga zwar großartige Kunstwerke schufen, die Medea aber nur als weibliche Staffage einsetzen, um den Helden Jason und die mit ihm verbundenen Geschehnisse überhöhen und optimal in Szene setzen zu können.

Für Künstlerpersönlichkeiten mit überwiegend männlichen Genen ist Medea eine Gestalt, die Männern Furcht einflösst und Schrecken verbreitet; bei der man gerne auf Klischeevorstellungen zurückgreift und Medea als grausame Gattin, Giftmischerin/Hexe und sogar als Bruder- und Kindsmörderin darstellt. Nicht jedem gelingt dies so eindrücklich und vorurteilsfrei wie Lars von Trier in seinem Medea-Film von 1988, nach dem Buch von Carl Theoder Dreyer und Preben Thomsen auf Basis der Schilderung des Euripides. Ausschnitte des Films finden sich auf YouTube. Der TV-Kultursender Arte sendete wohl 2005 den ganzen Film. In der Ankündigung/Dokumentation heisst es:

Medea, die Zauberin, hilft Jason, das Goldene Vlies zu rauben, das ihr Vater in Besitz hat. Anschließend flieht sie mit ihm. Halb göttliche, halb menschliche Heroine schenkt sie Jason ihre bedingungslose Liebe und tötet sogar den eigenen Bruder, um den sie verfolgenden Vater aufzuhalten. In Korinth finden die beiden mit ihren Söhnen eine neue Heimat – bis Jason Medea verläßt und sich mit Glauke, der Tochter von König Kreon, vermählt. Medea soll mit den Kindern das Land verlassen, denn Jason fürchtet die Rache der Barbarin, die nur die Gewalt, nicht aber das Gesetz kenne. Medea überlistet Jason und vergiftet aus Schmerz über seinen Verrat an ihrer Liebe nicht nur Glauke und Kreon, sondern tötet auch die gemeinsamen Kinder.

Die filmische Adaptation von Carl Theodor Dreyer und Lars von Trier folgt eng der klassischen Tragödie. Eigentlicher Protagonist des Films aber ist die Natur des Nordens: Seelenlandschaften der Einsamkeit, der Düsternis und Verzweiflung. Medea, deren Element das Wasser ist, führt ihre Klage vor einem verhangenen weiten Himmel. Aus dem Nebel taucht sie vor Kreon auf, im Regen begegnet sie Jason. Feuer brennen in unterirdischen Verliesen und erleuchten Kreons Palast wie einen Vorhof zur Unterwelt. Immer wieder brausen Windböen über eine menschenleere Küstenlandschaft, treiben die Geschehnisse unwiederbringlich weiter, bis zuletzt Medeas schwarzer Schleier im Wind auffliegt und Jason leblos auf der Erde liegt. Zwei Schiffe, ein paar Pferde und Hunde, Schwärme von Vögeln über langen Einstellungen von Wolken und Wasser – aus diesen Elementen erschafft Lars von Trier eine archaische Welt. Sein Film ist weit mehr als eine Umsetzung der Handlung in Bilder – er visualisiert die Kraft des Mythos.“

Soweit die Beschreibung des TV-Senders Arte.

Wie gesagt, das Stimmungsbild das Lars von Trier geschaffen hat, ist eindrucksvoll. Er adapiert aber uneingeschränkt das von Männern kolportierte Bild einer Medea, die es so nicht gegeben haben kann.

Die erwähnte Schriftstellerin Christa Wolf hat fast detektivisch-akribisch im Austausch mit Wissenschaftlern und Kennern das überkommene Medea-Bild analysiert, rekonstruiert und neu formuliert.  Das ambivalente Bezugsfeld, das sich mit Medea aufbaut, ist ebenso reichhaltig wie polarisierend: Leidenschaft und Liebe, Mord, Intrige, heilende Zauberei, Fürsorge, Hoffnung und Zweifel, Flucht und Aufbruch, kurzum alle Sonnen- und Schattenseiten des Daseins werden angesprochen, auf persönlicher wie auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Das der Medea unterstellte Gewaltpotenzial, dem Männer nichts entgegenzusetzen haben, provoziert sich in einer Tabuisierung: Medea als Zauberin, als Intellektuelle, als Heilkundige, als Mutter, als Politikversierte und als Frau, die Schuld auf sich nimmt, durchläuft in ihrer Rezeptionsgeschichte einen extremen Wandel. Zur Erinnerung: Der Medea-Mythos gehört zu den „Urtexten der Zivilisation“, wie Inge Stephan es nennt. Und schreibt weiter: „Als umstrittene Täterin und maßlos gedemütigtes Opfer erinnert sie an die Dunklen, tabuisierten Seiten des Eros und der Mutterliebe und rührt an die zerstörerischen Impulse, die im Verlauf des Zivilisationsprozesses nur mühsam humanitär oder christlich übertüncht worden sind.“ Wie Odysseus- oder Ödipus-Mythos schaffe Medea ein „blutiges Erbe“, das nicht zuletzt deshalb so schwer anzunehmen sei, „weil Medea eine Frau ist und als Täterin die Ordnung der Geschlechter fundamental in Frage stellt.“

„Medea – Die Fremde“ ist in der Wahrnehmung von Fee Fleck Täter und Opfer in einem. Auf ihre eigene Art und Weise, inspiriert vor allem durch Christa Wolf, aber auch kritisch wachsam das beeindruckende Opern-Werk von Aribert Reimann reflektierend, entwirft Fee Fleck ihr ganz eigenes Medea-Szenario. Nebenbei: Wir hörten Aribert Reimanns Medea-Musik kurz, dank an den Schott Musikverlag in Mainz. Der Uraufführung der Reimann-Oper am 28. Febr. 2010 in der Wiener Staatsoper wohnte Fee Fleck persönlich bei, in Reihe 7 auf Platz 12!

Reimann vertonte Medea als ein „Doppeldeutiges Wesen“, das ihn in der Komposition drei Jahre lang beschäftigte, eine Zeit in der er der Welt fast abhanden gekommen ist, wie er sagt, als sein schwierigstes Werk, das sein ganzes Fühlen und Denken in Anspruch nahm, bis hin zur völligen Erschöpfung.

Fee Fleck goutiert Reimann voller Demut und Anerkennung. Ihr Medea-Szenario, das in der Konzeption im Jahr 2009, also noch vor Reimanns Partitur-Fertigstellung begann und bis dato 8 von 10 geplanten großformatige Gemälde umfasst, geht aber ganz andere Wege.

Fee Fleck schuf Medea-Bildwerke, die an Frische, Originalität und Kraft kaum zu übertreffen sind. Und die sich so deutlich in Inhalt und Themenwahl von anderen Bildwerken unterscheiden.

Man fragt sich, wie dies das Werk einer nunmehr 80jährigen Künstlerin sein kann, längst selbst schon Mutter und Großmutter. Wer Fee Flecks „Tafelbilder für Ingeborg-Bachmann“ durch die Ausstellung hier im Landesmuseum in Mainz aus dem Herbst 2007 kennt, kann eine Vorahnung entwickeln und ist auf das Medea-Szenario vorbereitet. Die Journalistin Rebecca Wilhelm urteilte damals in der Mainzer Allgemeinen Zeitung: „Starke Farben für die Dichterin“: (…) In zwölf großformatigen Tafelbildern in ausdrucksstarken Farben und kalligrafischen Elementen interpretierte die Mainzer Künstlerin Arbeit und Leben der Dichterin.“ Anlass der Ausstellung vor fast 5 Jahren war der 80. Geburtstag Ingeborg Bachmanns. Bachmanns Männerbeziehungen kamen zur Sprache, wie der Zeitungsbericht anmerkt, geprägt von Liebe, Sehnsucht, Tod. „Bachmanns Liebesverhältnis zum Lyriker Paul Celan gestaltete Fee Fleck positiv hell, die tragische Beziehung zu Schriftsteller Uwe Johnson in schwarzen Tönen“. (Quelle: Allgemeine Zeitung vom 15. September 2007).

Wie auch damals bei den Bachmann-Tafelbildern bereitete Fee Fleck ihr Medea-Szenario exakt und planmäßig vor.  Ein wunderbares, reichhaltiges Arbeitsbuch – das in der Ausstellung in Vitrinen ausliegt – kombiniert Bildentwürfe und Textnotizen. Fee Fleck hat nicht nur einen Plan entwickelt, sondern eine bis ins kleinste Detail durchdachte Programmatik. Zwischengestreut im Medea-Arbeitsbuch findet man Notizzettel mit Gedankenimpulsen, die ad hoc entstanden – meist in der Nacht. Als Regieanweisung ist notiert, welches der acht Bilder/Themen in der Gemälde-Fassung als Hoch- oder Querformat angelegt werden muss. Naturgemäß gibt es Entwicklungen und damit Abweichungen von der Skizze zum fertigen Gemälde. Dies lohnt sich, in Ruhe nachzuvollziehen. Ebenso die Gedanken, die Fee Fleck wie kurze Essays niederschrieb, um die inhaltliche Leitlinie präzise zu erfassen und dadurch ganz befreit den Malprozess gestalten zu können. Ihr Medea-Szenario wird dadurch verdichtet, fokussiert, aber gleichzeitig völlig entkrampft und vielfältig. Den roten Faden in ihrer vielschichtigen Medea-Interpretation verliert Fee Fleck dabei nicht. Und das obgleich die acht Bilder jedes für sich individuell angelegt sind. Es gibt keine durchgängige Gestaltungslinie oder einen Gestaltungsrahmen – etwa wie bei Bilderserien des Barock – speziell bei Peter Paul Rubens.

Fee Flecks Medea-Gemälde verbreiten Stille, aber keinesfalls Ruhe. Sie sprengen sämtliche Klischees, wie wir sie noch aus dem Schulunterricht kennen. Ich bin sicher, mancher „Alterthums“-Oberstudienrat und Bildungsbürger wird entsetzt oder zumindest verstört sein. Ich sage nur: Gut so! Und ich sage: Bravo, Bravissimo, liebe Fee Fleck, dass Sie uns mit Ihrer Kreativität, Erfahrung, Bildung, menschlichen Größe und vor allem Ihrem Talent neue Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnen.

Meine Empfehlung: Es lohnt sich für alle von uns, die Fee Flecks Medea-Szenario betrachten, dies eher in Form einer Meditation zu tun, als in einer klassisch kunsthistorisch „verbildeten“ Herangehensweise. Wir brauchen neue Dimensionen einer Hermeneutik, die dem Prinzip folgen: Wir können uns als Menschheit, gerade wenn und weil wir uns als kultiviert und zivilisiert empfinden, nicht von unserer Geschichte und unserer Schuld befreien. Das, was Medea ausmacht, und das, was mit Medea geschah, ruht in uns allen. Unauslöschlich und kaum unterdrückbar. Ebenso steht Medea für einen Werte-Canon, der sich nie und nimmer ändert. Wer in diesen modernen Zeiten vom Wertewandel spricht, hat nicht verstanden oder begriffen, worum es geht. Ein Wert ist ein Wert und kann sich nicht ändern. Was sich ändert ist die Einstellung zu Werten, die uns als Menschheit ausmachen. Und mit den Konsequenzen aus dieser eigenen Um-Bewertung vom Wert zur Entwertung müssen wir klarkommen. Oder anders: Medea ist Medea. Und: Fee Fleck ist Fee Fleck.

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Fee Fleck kurz vor der Ausstellungseröffnung im Landesmuseum Mainz. Foto: Andreas Weber

Fee Fleck redet oder malt oder zeichnet oder filmt oder inszeniert uns die Welt eben nicht schöner oder schrecklicher als sie ist. Fee Fleck ist von Künstlern der Romantik ebenso weit entfernt wie von Hieronymus Bosch oder Matthias Grünewald. Selbst wenn ihr stilistisches Repertoire, ihre Ausdrucksweise als Malerin als äußerst modern bezeichnet würde, hat Fee Fleck mit dem Zeitgeist nichts zu tun. Zeitgeist ist immer opportunistisch – oder wie mein Vater Prof. Wilhelm Weber gerne sagte: „Wer heute den Zeitgeist heiratet, ist morgen schon Witwer.“ Fee Fleck steht für das Wahrhaftige, für Aufrichtigkeit und Ehrlichsein.

So erklären sich ihre Themen: Vor der Medea entstand das Filmwerk über die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Katinka Zitz, die sonst vergessen oder besser: verdrängt wäre. Hinzu kommen die Werke/Installationen über Autowracks und Flugzeugwracks, die Wüste in Arizona, die Installation „Gegen den Krieg“ in der Unterhaus Entree-Galerie der Stadt Mainz oder aber das Projekt „Warschauer Aufstand“. Vieles andere aus dem Wirken und Werken von Fee Fleck lässt sich aufzählen und in Erinnerung rufen, bis hin zur Mitgliedschaft bei „Gegen vergessen für Demokratie“ Rheinland-Pfalz oder die Mitgliedschaft im Kunstbeirat der Gedenkstätte Osthofen. Nicht zuletzt lebt und arbeitet Fee Fleck in einer aussergewöhnlichen Wohnetage in der Mainzer Walpodenstrasse in einem Haus, das eine Gedenktafel trägt, mit der Aufschrift:

„Historisches Mainz

Gedenken

Mahnen

Handeln

Dieses Haus wurde 1938 nach dem November-Pogrom von den Nationalsozialisten zu einem der „Judenhäuser“ deklariert.

35 jüdische Kinder, Frauen und Männer wurden von hier aus vom 20. März bis 30. September 1942 deportiert und ermordet.“

An einem solchen Ort zu wohnen und zu arbeiten ist für mich persönlich als Nachkriegskind und somit Spätgeborener bewundernswert in der Reflektion dessen, wie Fee Fleck mit unserer und damit auch ihrer Geschichte, ihren eigenen Erfahrungen (sie wurde mit Mutter und Schwestern 1944 in das Lager Radom deportiert und 1945 von russischen Truppen befreit). In tiefer Demut und mit allem Respekt darf ich mich vor einer so großen Frau und Künstlerin verbeugen. Und gleichzeitig schelmisch hinterfragen: Wie lautet nochmals der Titel der heutigen Ausstellung?

Fee Fleck: Medea – Die Fremde.

Stimmt das? Oder könnte es lauten:

Fee Fleck – die Medea?

Fee Fleck – die Fremde?

Urteilen Sie selbst. Meine Sichtweise und sicher die vieler anderer lautet: Fee Fleck ist ein durch und durch politischer, mitdenkender, mitgestaltender und sozial- wie emotional verantwortlich handelnder und denkender kritischer Geist. Ohne dabei dogmatisch, besserwisserisch oder bevormundend zu sein. Die Künstlerin befreit uns aber nicht von der hohen Eigenverantwortung, über unser Tun und dessen Konsequenzen nachzudenken und der Forderung nachzukommen, Korrekturen vorzunehmen, sobald wir Fehler erkennen. Dies manifestiert sich im Medea-Szenario auf das Wunderbarste. Vor allem im Gemälde „Gier“, das sich auf das goldenen Vlies und seinen Missbrauch in Kolchis oder die maßlose Habgier in Korinth genauso beziehen kann wie auf die aktuelle Finanzkrise und den Habitus eines Hedgefonds- oder Investment-Banking-Schurken.

Fee Fleck wählt mit dem Medea-Thema einen Topos, der weit, sehr weit zurück ragt in die Geschichte und trotz allem so aktuell ist wie kaum etwas anderes. Dies mag der Beweggrund sein, weshalb Fee Fleck Christa Wolf verehrt und ihren Roman „Medea. Stimmen“ so sehr schätzt. Christa Wolf hatte die Chuzpe, den von Männern umbewerten Medea-Mythos quasi „zurückzubewerten“, in eine Art „Urzustand“ rückzuführen. Christa Wolf widmet sich der Medea, wie sie durch den Sinn ihres Namens charakterisiert wird. Medea heisst in der Namenbedeutung „die, die Rat gibt, Sorge trägt, waltet“. Oder wie Christa Wolf es umschreibt: „Die guten Rat Wissende, die Heilerin“. Prinzipiell völlig ohne Belang erscheint mir, ob dies nun historisch-faktisch belegbar ist oder nicht. Christa Wolf hat die Medea in die Gegenwart zurückgeholt. Sie hat sie von Verleumdungen befreit. Sie hat sie zur „Bewältigungsfigur“ entwickelt. Sie hat ihre menschliche, gesellschaftliche und politische Dimension neu eröffnet. Eine solche Figur weist alle nachfolgenden Frauenidole in die Schranken oder auf die Plätze. Und schüttelt jegliche Verklärung oder Idealisierung ab. Gerade auch in Bezug auf christliche Frauengestalten bis hin zur Jungfrau-Mutter Maria…

Aber Vorsicht, meine Damen und Herren, bitte beachten: Fee Flecks Medea-Szenario ist in keinerlei Weise als Illustration zum Buch von Christa Wolf gedacht. Fee Fleck fühlt sich dem Esprit, der Literaturkunst und wie erwähnt der Chuzpe von Christa Wolf innig verbunden. Ihr verdankt Fee Fleck wichtige Impulse. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Fee Fleck beschäftigt natürlich auch das Bezugsfeld „Frauenbewegung“, sprich die Medea-Entwürfe in feministischen Diskursen. Die bereits zitierte Literaturwissenschaftlerin Inge Stephan widmet diesem Bezugsfeld ein lesenswertes Kapitel in ihrem Medea-Buch. Und präsentiert als Motto ein Zitat der „Penthesileia“, einem Frauenbrevier für Männerfeindliche Stunden von 1907. Ich zitiere: „Sag mir, Medea, war Jason nicht eigentlich zu unbedeutend, um deiner Rache würdig zu sein? Aber ich vergaß, Du liebtest ihn noch. Die Liebe einer bedeutenden Frau gibt einem mittelmäßigen Manne immer noch soviel Gewicht, daß ihre Rache an ihm sie nicht lächerlich macht.“

Auch das sind „Medea.Stimmen“. Und für uns wichtige Bezüge. Denn Penthesilea, die sagenumwobene Amazonenkönigin, konterkariert die männliche, vorherrschende Vorstellungswelt von Frau-Sein und Weiblichkeit. Die Rezeptionsgeschichte der Penthesiliea ist übrigens ebenso männlich dominiert und umgestaltet wie die der Medea. Wäre da nicht Heinrich von Kleist, der sich um das Jahr 1800 mit alten Überlieferungen beschäftigt. Und – wie später Christa Wolf – den Mythos umdeutet bzw. eine Variante aufgreift, die aus der Antike stammt, sich aber nicht durchsetzte: Nicht Achill besiegt Penthesilea im Kampf und verliebt sich in dem Moment unsterblich, als er sie schon tödlich verletzt hatte. Nein, Kleist greift die Version auf, in der Achill hörte, die schöne Amazonen-Königin könne sich nur in denjenigen verlieben, den sie persönlich im Kampf besiegt und unterworfen hat. Zum Schein geht er darauf ein, flammender Liebe folgt die Tragödie, als Penthesilea den Schwindel enttarnt. Sie tötet darauf hin Achill und zerfleischt ihn gemeinsam mit ihren Hunden.

Anzumerken ist, dass dieser Bezug Medea/Penthesilea und Kleist/Wolf bislang noch nicht in die Rezeptionsbetrachtung eingeflossen ist. Das bleibt noch zu tun. Zumal Kleist damals wohl auch bei Männern Angst und Schrecken provozierte, was J.W. von Goethe veranlasste, Kleist abzuurteilen. Die Kleist‘sche Penthesilea wurde von Goethe wie mit einem Bannstrahl behaftet und war nach Erscheinen des Dramas im Jahr 1808 als Theaterstück für rund drei Generationen tabu.

Es gibt ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Penthesilea- und Medea-Mythos: Beide Mythen zehren von dem Verlust matriarchalischer Ordnungsprinzipien, die fast 100.000 Jahre lang die Menschheit in ihrer Frühgeschichte zur Entwicklung brachten. Die Amazonen sind der Gegenentwurf zur Männerherrschaft und Medea deckt auf, was in ihrer Heimat Kolchis ebenso feststellbar war, wie an ihrem Fluchtort Korinth: Die Männerherrschaft brauchte die Unterdrückung der Frau, um jeden Preis. Reglements, Gewalt, Verleumdung, Mord und Totschlag, jedes Mittel war recht. Die Entwicklung der männlichen Repressalien (nicht nur Frauen gegenüber, sondern generell anders denkenden und anders artigen Menschen) hat sich über die klassische Antike bis in die Christenzeit erhalten. Und wurde in den Schriften manifestiert. Christa Wolf spricht dies unter anderem an, indem sie in einem Interview sagte: „Ich begann 1990/1991 mich mit der Medea-Figur auseinanderzusetzen. Es zeigte sich mir in jenen Jahren, dass unsere Kultur, wenn sie in Krisen gerät, immer wieder in die gleichen Verhaltensmuster zurückfällt: Menschen auszugrenzen, sie zu Sündenböcken zu machen, Feindbilder zu züchten, bis hin zu wahnhafter Realitätsverkennung.“ (zitiert nach Inge Stephan, Seite 154f). Christa Wolf nimmt dann Bezug auf die von ihr nicht gutgeheissene Eingliederung der DDR in die BRD und die entstandene Abwehrhaltung. Und fährt fort: „Diese Ausgrenzung des Fremden zieht sich durch die ganze Geschichte unserer Kultur. Immer schon vorhanden ist die Ausgrenzung des angstmachenden weiblichen Elements.“  Dazu gehört vor allem die Figur der Lilith, der ersten Frau des Adam, die, von den biblischen Überlieferungen quasi ausgeklammert, weil sie dem Adam nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen war, in den alten sumerischen und jüdischen Überlieferungen aber eine wichtige Rolle spielte. Lilith verkörpert eine der Medea im Wolf‘schen und Fleck‘schen Sinne verwandte Seele.

Der Diskurs über das Fremde wird auch in jüdischen Medeen von Berthold Brecht und George Tabori fassbar. Beide entwerfen Medea als jüdische Frau.

Brecht verfasste das Gedicht „Die Medea von Lodz“

Da ist eine alte Märe

Von einer Frau, Medea genannt

Die kam vor tausend Jahren

An einen fremden Strand.

Der Mann, der sie liebte

Brachte sie dorthin.

Er sagte: Du bist zu Hause

Wo ich zu Hause bin.

Sie sprach eine andere Sprache

Als die Leute dort

Für Milch und Brot und Liebe

Hatten sie ein anderes Wort.

Sie hatte andere Haare

Und ging ein anderes Gehn

Ist nie dort heimisch geworden

Wurde scheel angesehn.

Wie es mit ihr gegangen

Erzählt der Euripides

Seine mächtigen Chöre singen

Von einem vergilbten Prozeß.

Nur der Wind geht noch über die Trümmer

Der ungastlichen Stadt

Und Staub sind die Stein, mit denen

Sie die Fremde gesteinigt hat.

Da hören wir mit einem mal

Jetzt die Rede gehn

Es würden in unseren Städten

Von neuem Medeen gesehn.

Zwischen Tram und Auto und Hochbahn

Wird das alte Geschrei geschrien

1934

In unserer Stadt Berlin.

Das Fremde, so Inge Stephan (Seite 69), wird „stets als das sexuell und/oder ethnisch andere konnotiert. Sexismus und Rassismus bilden von jeher das Koordinatennetz, in das die Phantasien der Autoren und Autorinnen eingelassen sind. Medea wird farbig, mal Zigeunerin, mal Asiatin, mal Osteuropäerin, mal Afrikanerin.

 

 

Resümee und Ausblick

Das Szenario „Fee Fleck: Media – die Fremde“, das uns die Künstlerin präsentiert, erfasst Medea in allen ihren Facetten und Bedeutungsebenen. Aus heutiger Sicht gesehen, eröffnet die Bedeutung der Medea-Geschichte vier große Konfliktfelder, die durch Medea als Person verkörpert werden:

Identifikationsfigur des Geschlechterkampfs (seit 1968 im Kontext mit den Emanzipationsbewegungen)

Bewältigungsfigur zur Lösung der Krise in Familie und Politik (Schuldfrage, Matriarchat)

Projektionsfigur bei Rassismus und ethnischen Debatten

Reflexionsfigur in der Bewältigung von Gewalt und Auseinandersetzungen

Medea als Reflexionsfigur hat aktuell wohl den stärksten Bezug zu unserer „modernen“ Kulturwicklung. Inge Stephan sei dazu abschließend zitiert (Seite 4f):

„Die Frage nach der Legitimität von Gewalt stellt sich im Falle von Medea in besonderer Schärfe, da sie mit ihren [den ihr unterstellten, Anm. des Autors] Taten in archaische Praktiken der Blutrache und des Menschenopfers zurückfällt, die in den politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart eine bestürzende Aktualität gewonnen haben.“

Das Thema „Medea – die Fremde“ kann von Fee Fleck nicht zufällig gewählt worden sein, um heute, kurz nach ihrem 80. Geburtstag, uns hier im Landesmuseum in Mainz präsentiert zu werden. Die Künstlerin legt – bei allem Charme, der ihr innewohnt, und aller Freundlichkeit im Wesen – gerne den Finger in die offene Wunde.

Ihr Auftrag als bedeutende Künstlerin ist es wie gesagt unsere Wahrnehmung zu wecken und zu schärfen. Erst die Wahrnehmung ermöglicht das Streben nach der Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Dies gestaltet sich als Prozess, den Fee Fleck hier und heute initiiert. In diesem Sinn ist die heutige Ausstellungseröffnung nicht der Endpunkt, sondern der Beginn von etwas, was uns noch bevorsteht: Die Auseinandersetzung mit uns Menschen als Wesen, die vermutlich allzu lange „kulturentwicklungshörig“ glaubten, die Dinge würden besser, weil wir (angeblich) zivilisierter und kultivierter werden. Doch wie soll das gehen, wenn wir willkürlich agieren? Wenn wir unsere Geschichte manipulieren resp. so auslegen, wie es Strategie und Taktik unseres gegenwärtigen und geplanten Tuns aus subjektiver Sicht erfordern?

Unsere Schuld, unser Falschtun werden wir dadurch nicht los. Und die Welt wird keinesfalls besser. Lassen wir uns also auf den Dialog ein, den Fee Fleck mit ihrem Medea-Szenario mit uns und für uns eröffnet.

Denn Fee Fleck wäre nicht Fee Fleck, würde sie nicht diesen Dialog suchen. Der Ausstellung ist ein wichtiges Momentum vorausgegangen. Der Entschluss von Fee Fleck, sich im Rahmen ihres Medea-Szenarios mit Christa Wolf in Verbindung zu setzen. Fee Fleck musste sich, wie sie sagt, einiges trauen. Deutsch, das sie perfekt beherrscht, ist nicht ihre Muttersprache. Sie wollte und hat aber einen Brief an Christa Wolf in deutscher Sprache verfasst, den ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, gerne kurz vorlesen möchte, um anschließend mit der Künstlerin darüber und über ihre künstlerische Intention und Auffassung zu sprechen.

Am 4. Oktober 2011 schrieb Fee Fleck an Christa Wolf (nicht wissend, was kommen wird, und dass Christa Wolf am 1. Dezember 2011 von uns gehen würde, weshalb der Brief ohne Antwort blieb):

4. Oktober 2011

Sehr verehrte, liebe Christa Wolf,

was für ein Unterfangen, sich mit menschlichen Unzulänglichkeiten bildnerisch auseinanderzusetzen. Ich habe es gewagt, aber nur mit Ihrer Hilfe. Der Weg war lang.

Zaghaft habe ich mich mit Euripides, Seneca und vielen anderen auseinandergesetzt, doch Ihre „Medea. Stimmen“ haben mich gefangen genommen. Explosionsartig habe ich die einzelnen Stimmen wie Medea, Jason, Akamas, Presbon, Oistros und andere in mein Arbeitsbuch aufgenommen und meine Intentionen skizziert.

Aus meinem Arbeitsbuch:

Wie verhält sich eine Fremde? Wann war ich eine Fremde? Es ist ein Ohnmachtsgefühl, wenn man sich dessen bewusst wird. 

Ich kann mich nicht erinnern einmal Medea gewesen zu sein, stark in der Finsternis. Wird es für mich eine Offenbarung? Ich bekomme Angst. Was muß sein, was darf nicht sein!

Wann werde ich es wissen, während ich hier schreibe, wenn ich nachts alles überdenke, oder wenn der Prozess auf der Leinwand beginnt? Das wird ein Kampf.

Zehn Aussagen sollte der Zyklus haben, bis dato sind es vier.

Der Malprozess begann mit dem Bild „Symbiose“. Das Bild „Gerücht“ ist eine wichtige Begründung für den ganzen Zyklus „Medea – Die Fremde“, hier entwickelt sich die große Tragödie bis zum Endpunkt des Bildes „Universum“.

Nicht nur die geistige, sondern auch die praktische Auseinandersetzung wie Farbe, Leinwand, Größe, Hochformat, Querformat ist eine wichtige Entscheidung. Mit der Farbe kann ich intensiv umgehen, hier ist mein Wissen gefordert.

Verehrte, liebe Christa Wolf, ein kleiner Überblick meiner Arbeit „Medea – Die Fremde“. Sobald der Zyklus beendet ist, werde ich Ihnen weiteres Material senden.

Ihre Fee Fleck

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Weitere Informationen im exklusiven, kostenfrei erhältlichen iBook auf Apple iTunes:

https://itunes.apple.com/de/book/medea/id561925330?mt=11

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Print im Wandel. — Hierin liegen maximale Herausforderungen,
aber auch ungeahnte Chancen.

Von Andreas Weber, Mainz/Frankfurt am Main

Der Druckbranche geht es nicht gut. Und das seit vielen Jahren. Um eine aus meiner Sicht notwendige Trendwende zu beschleunigen, muss es gelingen, Print im Digitalzeitalter als Treiber des Kulturwandels auf höchstem Niveau zu profilieren!

Kernbotschaften

  1. Die Kunst des Druckens kam im 19. Jahrhundert zur vollen Blüte durch führende Künstler wie Delacroix, Daumier, Manet, Toulouse-Lautrec und später Picasso und vor allem Christian Kruck. Per Senefelders Drucktechnik konnten herausragende Effekte wie bei Malereien erzielt werden.
  2. Die Industrialisierung durch den Offsetdruck führte im 20. Jahrhundert zur Degeneration der Kultur von Print.
  3. Die kulturelle Neubewertung von Print lässt sich erreichen, wenn Künstler wieder Treiber der Innovation im Print werden.
  4. Die Chance: Kunst-Experten aus China, dem Mutterland der Papier- und Druckkunst, suchen den Schulterschluss. Und wünschen sich ein intermediales Kunstprojekt inkl. Kunstausstellung in China, das in der Gutenberg-Stadt Mainz konzipiert wird.
  5. Das Projekt „The Art of Print“ beschreitet Neuland und zeigt, wie durch neue digitale Druckverfahren (allen voran Ink-Jet-Printing) die Kunstszene bereichert und den Künstlern neue Möglichkeiten eröffnet werden. 

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Kleiner Exkurs: Kulturwandel von Gutenberg bis heute!

  1. Gutenbergs Erfindung im 15. Jahrhundert öffnete den Weg in die aufgeklärte Neuzeit durch die Verbreitung des gedruckten Wortes.
  2. Aloys Senefelder erfand um das Jahr 1800 den „Chemischen Druck“ (auch: Steindruck oder Lithographie); Senefelder erhob das Drucken zur Kunst, weil Kunst und Künstler sogleich seine Erfindung für sich nutzbar machen konnten und dadurch die Kunstwelt nachhaltig veränderten.
  3. Die Industrialisierung des Drucks im 20. Jahrhundert, vor allem durch den Offsetdruck, machte Print zwar noch populärer, aber auch beliebig! Der Wert von Print ging gegen Null, trotz Milliardeninvestitionen.
  4. Im Zuge der Digitalisierung veränderten sich seit den 1990er Jahren die Druckverfahren irreversibel. Modernste Ink-Jet-Druckprozesse versprechen, im Print wieder höchste künstlerische Anforderungen zu erfüllen.

These

Print kann seine Vorzüge wieder ausspielen, wenn man die Technologie-Anwendungsentwicklung und Bildende Kunst zusammenbringt.
Bildende Künstler liefern die hochwertigsten und wirkungsstärksten Inhalte für Print. Und Print liefert die besten Wirkungsmöglichkeiten, um Künstler und ihre Kunst in Szene zu setzen.

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Siehe auch das interview, das Klaus Wenderoth zum Projektstart
mit Andreas Weber führte und das viele wichtige Hintergrundaspekte liefert!

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Projektidee

Um Ink-Jet-Printing fulminant ins Bewusstsein der Künstler zu rücken, soll durch ein intermediales Kunstprojekt inklusive einer Ausstellung gezeigt werden, wie Künstler Print nutzen, um von Print und seiner medialen Wirkung zu profitieren und wie Künstler durch Print neue Kunstformen entstehen lassen. Dazu wurden eine Reihe von führenden chinesischen Künstlern ausgewählt, die die ausgewählten Arbeiten aus der Sammlung Weber ergänzen und zu einer einzigartigen Ausstellungskollektion abrunden.

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Katalysator für das Projekt:  Einzigartige wissenschaftliche Ressourcen

Das „The Art of Print“-Projekt bezieht sich auf die wissenschaftlichen Forschungen und Publikationen von Prof. Wilhelm Weber, dem führendem Experten für künstlerische Druckgrafik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Prof. Weber konnte nachweisen, dass es spezifisch seit dem Jahr 1800 Künstler von Rang waren, die der technischen Innovationen im Print durch den Steindruck zum Durchbruch verhalfen. (Siehe das Standardwerk: Geschichte der Lithographie: Saxa Loquuntur — Wenn Steine reden, Heidelberg, Paris, London/New York, 1961 ff.).

The Art of Print Bilder 2

Das Projekt — die Konkretisierung

Seit Sommer 2014 fanden auf Initiative von Andreas Weber im Team mit Dr. Ying Lin-Sill in der Gutenberg-Stadt Mainz Gespräch statt mit hochrangigen Gästen aus China. Die Gäste waren ad hoc begeistert von Mainz als Zentrum der Kultur der Kommunikation. Der Geist Gutenbergs als „Man of the Millennium“ ist auch noch heute spürbar und beeindruckte.  Ähnlich wie vor einigen Jahren bereits Visionäre aus dem Silicon Valley inspiriert wurden, allen voran Prof. Jeff Jarvis (Autor von „Gutenberg — The Geek“), der Mainz besuchte. 

Die Gäste aus China regten an, eine Ausstellung zur Kultur der Print-Kommunikation zu konzipieren. Man suche den Schulterschluss von China zu Mainz, so u. a. Prof. Yu Hiu, Deputy Director The National Palace Museum, Beijing.  — Die Ausstellung soll in Mainz konzipiert und dann in Beijing und Shanghai gezeigt werden, mit dem Arbeitstitel „The Art of Print“. 

The Art of Print Bilder 1

Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass zwar vor rund 2.500 Jahren das Papier in China erfunden sowie später, vor rund 1.000 Jahren, das Drucken mit Holzlettern in China kultiviert wurde, — in der Neuzeit jedoch Print-Innovationen ausserhalb Chinas stattfinden und von der Kunstszene in China entsprechend nicht mehr genutzt werden.

Im Fokus des Projekts stehen die Resultate der Wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Wilhelm Weber (ehemals Direktor des Mainzer Landesmuseum), seine Publikationen (v. a. „Saxa Loquuntur“ sowie „Aloys Senefelder“) inklusive seiner exklusiven Sammlung an Original-Grafiken mit Schwerpunkt Lithographien (Steindrucke). Sie definieren die Messlatte, an der sich neue Kunstformen mit Print messen lassen.

Darüber hinaus sollen über das Value Print Lab von Andreas Weber, das bis dato innovative Print- und Kommunikations-Lösungen für Kunst+Künstler prototypisch entwickelt, ganz neue Applikationen per Ink-Jet-Printing mit innovativen Partnern entwickelt werden, die dann in China ausgestellt werden können. Dies ist umso wichtiger, als sich die traditionelle chinesische Kunst der Kalligrafie und Malerei immer schwieriger den nachwachsenden Künstler vermitteln lässt, die sich mehrheitlich der digitalen Computer Kunst zuwenden. Ink-Jet-Printing kann dazu dienen, diese virtuelle Kunstwelt wieder in die Realität zurückzuholen.

Auf zu neuen Ufern.001

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Projektinitiator und Rechteinhaber Nachlass Prof. Wilhelm Weber:
Andreas Weber, Mainz/Frankfurt am Main
Email zeitenwende(at)me.com
http://about.me/andreas.weber
https://www.facebook.com/ValueCommunicationAG

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Unterstützung erwünscht: Jeder kann mitmachen!

Für das Projekt ist Unterstützung willkommen, um das Ausstellungsdesign, die notwendige umfangreiche Kommunikationsarbeit und die Logistik zu unterstützen. Dazu wird zu Zuwendungen aufgerufen über die Plattform Indiegogo. Siehe: https://www.indiegogo.com/projects/surprise-the-art-of-print/x/11125975#/story

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@ 2015 by Value Communication AG, Mainz/Germany

 

Von Andreas Weber, Mainz

Für Mittwoch, den 28. Januar 2015, hatte Dr. Ying Lin-Sill mich gebeten, um 15 Uhr in unser Mainzer Büro zu kommen. Ich sollte Freunde von ihr treffen, die aus China zu Besuch gekommen sind. Ying ist seit über zwei Jahren als Künstlerin Dreh- und Angelpunkt in unserem „Value Artist in Residence“-Programm. Seitdem hatten wir hunderte von Gästen bei uns. Sogar das Chinesische Neujahrsfest begehen wir gemeinsam. Und Prof. Yu Hui, Deputy Director Painting/Calligraphy und Direktor Research Institute, National Palace Museum, Beijing, sowie viele andere haben uns besucht. Soweit also nichts ungewöhnliches, ausser, dass der 28. Januar ein besonderer Tag im Jahr ist: der Geburtstag von Jackson Pollock und Claes Oldenburg.

Als ich (zeitig früher) vor dem Büro in der Mainzer Walpodenstrasse ankam, traf ich Jiandong Sun, die mit ihrem Ehemann Dr. Ing. Gert Kaster schon im Gehen begriffen war. „Oben im Büro ist viel los!“, sagte sie lachend. Ich rannte die Stufen hoch. Die Bürotüre war weit geöffnet. Es standen überall so etwas wie einzelne Paravents herum. Viele Kartons waren verstreut. Über ein halbes Dutzend Menschen waren mit diesen Paravents, mit Papierrollen und -blättern beschäftigt. Möbel wurden umgestellt. „Das ist mein Freund Jian Xu, seine Frau Ting Wang, seine Tochter Xiang und sein Sohn Xin“, sagte Ying stolz und freute sich. Alle seien Künstler aus Leidenschaft: Jian ist ein renommierter Maler, seine Frau eine Opernsängerin, seine beiden Kinder sind hochtalentiert und studieren Malerei. Und unser Value Communication Fellow Yajing Huang sorgte als Koordinatorin für den nötigen Überblick.

Idee und Resultat in Windeseile — auf höchstem Niveau!

Was war geschehen? Jian Xu war dermaßen begeistert von Mainz und unseren schönen Räumen, dass er ad hoc mobile Stellwände und alles nötige besorgen ließ, um Dutzende von Arbeiten von sich und seinen Kindern auszustellen. Chinesische Malerei und Kalligraphie vom Feinsten. „Es muss alles sehr schnell gehen. Am Samstag wollen wir eine Vernissage machen“, sagte Ying lächelnd. Ich dachte, in Anbetracht unserer bereits vorhandenen zahlreichen Sammlungsstücke und Gemälde, nicht zuletzt von Ying selbst, die wir ausstellen: Da bin ich gespannt, aber wie soll das werden?

Yajing kam lächelnd auf mich zu und sagte: „Wollen wir jetzt oder später ein Interview mit Jian Xu machen, dass bei seiner Rückkunft im Chinesischen Fernsehen gezeigt werden soll?“ Ying informierte mich, während alle anderen die Ausstellung arrangierten, über Jian Xu’s Lebensweg, seine Arbeit und seine Bedeutung. Jian Xu ist der letzte Meister-Schüler des grossen Malers Wang Xuetao, der unter anderem 1956 eine chinesische Delegation nach Europa führte und als Höhepunkt eine Begegnung mit Pablo Picasso zelebrierte. Wang demonstrierte Picasso eindrücklich die chinesische Malkunst, indem er in nur sieben Minuten einen Adler malte. Zudem wurden Picasso Arbeiten von Wang’s Lehrer und Meister Qi Baishi gezeigt. — Picasso war dermaßen beeindruckt, dass er Wang Xuetao eine Zeichnung seiner Friedenstaube widmete, die Wang mit chinesisches Schriftzeichen versah. Und Picasso sagte anerkennend: „Die wahre Kunst liegt im Fernen Osten.“ Picasso beschäftigte sich im Anschluss intensiv mit Chinesischer Kunst, wenn er auch bedauerte aufgrund der weiten Entfernung und seines fortschreitenden Alters nicht selbst nach China reisen zu wollen.

 

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Jian Xu hat seinem Meister in über fünfjähriger Arbeit die Wang Xuetao Memorial Hall im Gonghuacheng Art Center gewidmet. „Kunst kommt aus dem Herzen. Und hat Beziehungen zu allem, was wir tun“, sagte mir Jian Xu in unserem Interview, nachdem in nicht einmal drei Stunden eine mehr als sehenswerte Ausstellung aufgebaut und inszeniert wurde. (Dazu an anderer Stelle mehr!).

Wir sind voller Freude und sehr glücklich, Jian Xu und seine Familie als Freunde in Mainz gebührend zu feiern. Es ist uns eine Ehre. Und unseren Besuchern eine Freude. Die kamen übrigens schon während des Ausstellungsaufbaus: Jörg Blumtritt aus München sowie unsere lieben Nachbarn mit ihren Kindern sowie eine ganze Reihe von chinesischen Freunden, die in Mainz leben. Kunst fördert Kommunikation. Wir sind mit dem Herzen dabei.

 

Impressionen zum Making-Off der sehenswerten Ausstellung:

 

#jesiusandreas

Unsere Jetztzeit wird in nie zuvor gekanntem Ausmaß von Krisen und Konflikten gezeichnet. Alle Bereiche sind betroffen: Gesellschaft, Ökonomie, Politik, Religion sowie letztendlich die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen. Moderne Zeiten sind keine guten Zeiten.

Viele Fragen tauchen auf und scheinen ungelöst. Dadurch entsteht ein Dilemma. Wir setzen auf Innovation, um uns weiterzuentwickeln. Nur: Das Innovative gilt zwar stets als „das Moderne“ — ist aber nicht gleich „das Neue“. Da das Innovative nicht gleich das Neue ist, das wir brauchen, um uns zu entwickeln, wie kommt dann das Neue in die Welt? Wie analysieren und bewerten wir, ob wir Rück- oder Fortschritte machen? Ist unser Denken und Handeln überhaupt noch auf Sinnhaftigkeit ausgerichtet? Taugen unsere Wertesysteme noch?

 

Mich interessiert daher vor allem: Hat der Mensch der Jetztzeit, dessen Existenz vom Neuen zehrt, dessen Leben immer mit Aufbruch, Zeitgeist, Fortschritt, Erneuerung zu tun hatte, noch eine Bedeutung? Oder ist das Verständnis der Menschen und ihrer Kultur, wie sie für die Avantgardisten des frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich war, kollabiert, also in sich zusammengebrochen? Was empfinden „moderne Menschen“ der Jetztzeit tatsächlich? Was leitet sie in ihrem Schaffen?

#JeSuisAndreas — Wir müssen Position für uns selbst beziehen, um spezifische Gedanken und Vorstellungen mit uns allen zu teilen. Das gemeinsame Ziel ist es nicht, einfach einzelne Sachverhalte einseitig und im sinnentleerten Disput anzuprangern, sondern den kulturellen und kommunikativen Kontext herzustellen, um Barrieren zu brechen und gemeinsam Verständnis zu erzeugen. Wir müssen Orientierungspunkte setzen, die uns ermöglichen, das Dilemma der Jetztzeit zu lösen. Dafür ist es wichtig, eine vielfältige, von Sinnhaftigkeit geleitete Bestandsaufnahme zu ermöglichen, um zu beurteilen, ob das Streben nach dem Neuen, wie wir es kannten, noch existent ist und Bestand hat. Oder, falls nicht mehr existent, wiederbelebt werden kann! Dies kann weder durch Politik, Religion, Ideologie oder Ökonomie geleistet werden. Sondern nur durch Kunst in ihrer reinsten Form! — Picasso. We miss you!

 

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Picasso äusserte sich im Dezember 1937 zu seinem Bild: „Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“

 

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@ 2015 Value Communication AG, Mainz/Germany | Bildcollage von Andreas Weber. Links: Alfred Hrdlicka “Wunderkind Mozart”, Farbradierung, 2004, Sammlung Andreas Weber, Frankfurt am Main.

 

Ein sinnhaftiger Jahresgruss von Andreas Weber

“Being an artist is not just about what happens when you are in the studio. The way you live, the people you choose to love and the way you love them, the way you vote, the words that come out of your mouth… will also become the raw material for the art you make.” —Teresita Fernández, Visionary Sculptor

Die letzten 18 Monate waren äußerst herausfordernd, um nicht zu sagen brutal. Wo viel Licht ist, ist eben auch viel Schatten. Sei’s drum. Wichtiger und zielführender als zu Lamentieren ist in jedem Fall wohl überlegt zu agieren. Ohne in Aktionismus zu verfallen. Das fällt mehr und mehr Zeitgenossen schwer. Es häufen sich (leider vielfach) fruchtlose Debatten bis hin zu Streitereien, einfach nur um recht zu bekommen. Hinzu kommt: Je höher unser Technisierungsgrad wird, um so grösser die Konfusion. Das selbstständige Denken leidet. Warum und wieso beschreibt der Wissenschaftler und Hirnforscher Ernst Pöppel im Team mit Beatrice Wagner in seinem Buch „Dummheit: Warum wir heute die einfachsten Dinge nicht mehr wissen“. Dummheit sei unvermeidbar und gehöre zu unserem biologischen Erbe.

Der kluge Rat, um von Dummheit zu profitieren, lautet: „Ihre Fallen zu kennen, kann aber helfen.“ Ein Fazit der Wissenschaftler: „In Zeiten der rasanten Zunahme von Informationen gewinnt der einzelne Mensch nicht etwa an Wissen, sondern verliert es dramatisch. Intuitives Wissen, die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, das Wissen um das menschliche Maß, Handlungswissen – was über Generationen überlebenswichtig war, werfen wir zugunsten von ‚immer mehr‘ und ‚immer schneller‘ über Bord.“

Sich der eigenen Dummheit zu stellen, ist kein einfaches, aber ein unabdingbares Unterfangen. Die größte Dummheit, die man begehen kann, besteht darin, sich nicht der Sinnhaftigkeit der Dinge und des eigenen Tuns zu widmen. Das Streben nach Sinnhaftigkeit, wie es die Hermeneutik lehrt oder wie es modern gefasst auf englisch heisst: „The Sense of Purpose“, ermöglicht Selbstständigkeit und Kommunikationsfähigkeit, das Einordnen in Gesamtzusammenhänge und Sinnvermittlung.

Der Sinn der Sinnhaftigkeit:
Auswirkungen verstehen

Sinnhaftigkeit ergibt sich primär durch Wissen, Interaktion und die Erfahrung kultureller Leistungen. Der Österreicher Karl Payer beschäftigte sich 2006 in seiner Auslegung von Martin Heideggers „Sein und Zeit“ mit der Analyse der Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins. Payer ist es gelungen, Heidegger mittels Alltagssprache zu kommentieren und seine Texte ins Netz zu stellen, damit möglichst viele Menschen sich damit auseinander setzen können. Siehe: http://seinundzeit.at/download.html

Ein Auszug:

(…) Um die Sinnhaftigkeit eines Ereignisses oder einer Handlung zu erfassen, ist es nicht notwendig, dass ich das Ereignis oder die Handlung verstehe, vielmehr ist es erforderlich, dass ich seine/ihre Auswirkungen verstehe. (“Ich verstehe zwar nicht, wie das zustande gekommen ist, aber ich sehe, dass es einen ausgesprochen positiven Effekt auf ihn hat, und das freut mich sehr!”)

So können wir sagen: Sinn ist das Woraufhin, das Ziel oder der Zweck des Entwurfs, aus dem heraus etwas verständlich wird.

Eine unsinnige Handlung ist eine Handlung, die aus Teilhandlungen besteht, welche keinen logischen Zusammenhang erkennen lassen. Beispiel für “Etwas Unsinniges tun”: “Einen roten Luftballon salzen, pfeffern und dann im Backrohr garen.”

Sinn und Prozess (Teilprozess – Gesamtprozess): Um etwas als sinnvoll zu bezeichnen, muss es aus mehreren Teilschritten bestehen, die nacheinander ablaufen und ein erkennbares Ziel haben. Es muss ein sich durchziehender roter Faden erkennbar sein; es muss in irgendeiner Weise ein Konzept dahinter stehen. Die Teilschritte sind wiederum Teil eines größeren Konzeptes, eines Entwurfs mit einem Woraufhin, also einem Ziel oder Zweck. (…)

Nicht der Weg führt zum Ziel, sondern das Ziel findet sich durchs Laufen!

Die letzten 18 Monate waren äußerst herausfordernd, um nicht zu sagen brutal. Wo viel Licht ist, ist eben auch viel Schatten. UND DAS IST GUT SO! — Dinge sind, ebenso wie all unser Handeln und Tun, alles andere als ein Selbstzweck. Nach über dreissig Jahren Beschäftigung mit Technologie und Innovation durch Kommunikation darf ich sagen: Die Sinnhaftigkeit im Leben der meisten unter uns ist diffundiert. Weil wir den roten Faden verloren haben. Weil wir (allzuoft!) ohne schlüssiges Konzept agieren. Beruflich wie privat. 

Allen, die sich der Sinnhaftigkeit widmen wollen, sei empfohlen: Sucht Euch eine übergeordnete Denk- und Erlebniswelt. Die nichts mehr mit Konsum(gewohnheiten) und Technikgläubigkeit zu tun hat. Für mich, für uns bei ValueArt+Com, war in den letzten 18 Monaten die intensive Beschäftigung mit Kunst und Künstlern ein wahrer Rettungsranker. Herausgekommen sind einzigartige Momente, Begegnungen, Publikationen, Ausstellungen, Neuheiten und Erfahrungen, die sich mit uns bei tausenden Menschen in vielen Ländern der Welt  festgeschrieben haben. In unseren Herzen. In unserem Verstand. In unserer Seele (soweit vorhanden!).

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© 2014 by Value Communication AG, Mainz/Germany

Warum darf (gute) Kommunikation (k)eine Kunst sein?

  • Bislang bildeten #Print und #Publishing das Rückgrat guter Kommunikation, intern wie extern, die gute Dienstleistungsmöglichkeiten (für Dritte) notwendig machten.
  • Neue Formen des Informationsmanagements, beflügelt durch die digitale Transformation, stellen vieles, wenn nicht sogar alles auf den Kopf.
  • Social Platforms sind die Sieger, weil sofort messbar! #Twitter wurde zum Leitmedium für qualifizierte Business News aller Art. Blogs liefern die Backgrounds. #Facebook ermöglicht die besten spezifischen Interaktions- und Dokumentationsmöglichkeiten.

Gedanken von Andreas Weber im Hinblick auf #InfoAtWork — eine Fachveranstaltung von Canon Deutschland und Canon Europa Ende November 2014 in Düsseldorf. Im Fokus des Autors: Was passiert mit klassischer, Print-basierter Kommunikation, die massenmedial auf Push-Effekte zielt?

Ich kommuniziere, also sind wir. Eine einleuchtende Erkenntnis. Passt das ins Digitalzeitalter, einer Ära, die etabliertes Denken und Handeln über Bord zu werfen scheint? Ist tatsächlich alles anders, alles neu, alles unveränderlich verändert? Ja und nein. Ja, weil sich die technologische Basis für Kommunikation, die Art und Weise, wie wir interagieren, radikal verändert hat. Smart Technologies sind Schrittmacher, mobil, multimedial und rund um die Uhr nutzbar. Nein, weil sich das grundlegende Wertesystem, das gute Kommunikation ausmacht, niemals verändert. Kommunikation muss immer relevant, persönlich und wirksam sein.

Das Dilemma: Was für Konsumenten (z. B. Käufer des iPhone 6 mit Apple Pay; hier wurden in 72 Stunden über 1 Million Kreditkarten freigeschaltet!) schnell zur Selbstverständlichkeit wird, ist für Unternehmen oft eine lange Qual. Etablierte IT-Prozesse in Windeseile anzupassen, gelingt nur schwer.

Das Zeitalter der Kunden ist da!

Marktforscher von Forrester nennen die Jetztzeit „The Age of the Customer“. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt. Mit Egozentrik hat dies wenig zu tun; vielmehr mit dem berechtigten Wunsch als Individuum wahrgenommen, aufmerksam und fürsorglich behandelt zu werden. Gerade dann, wenn wir Kunden sind, die für Waren oder Dienstleistungen Geld ausgeben. Dies erfordert seitens der Unternehmen eine komplette Erneuerung ihres Information Managements. Bis dato zählt, Kunden- wie auch Mitarbeiterkommunikation effizient und preiswert zu gestalten. Die Controller wachen darüber. Das Ziel lautet, Aufmerksamkeit und Leads zu generieren, damit der Vertrieb nacharbeiten kann. Diese Aufgabe wird immer schwieriger. Spricht man mit Medienexperten, wird eine simple Frage zur Herkulesaufgabe: „Wie macht man für Massenmarktprodukte wirksame Kommunikation?“ TV funktioniert noch. Die zweite Säule, Printmedien, allen voran die Zeitungen, stecken in einer Krise. Leser und Anzeigenkunden rennen davon.

 

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Hoppla, das Neue ist schwierig! 

Neue Kommunikationsformen via Facebook, Instagram umd Co.  sind extrem erfolgreich; für Kommunikations-Traditionalisten aber schwierig zu handhaben, weil sie “beyond Targeting” auf Interaktion, Beziehungen, Prozessautomatisierung und Algorithmen beruhen, nicht auf bloßer Reichweite. Über 1,3 Milliarden Facebook-Nutzer auf einen Schlag zu erreichen, geht nicht, weil es von Konsumenten nicht gewollt ist. Online-Display-Werbung über Banner wird teurer, Wirkungseffekte sind schwieriger zu durchschauen. Google ist in der Lage, relevante Kommunikations-Lösungen zu bieten, die sich rechnen, weil sie schier unendliche Reichweiten mit direkter Interaktion und Transaktion koppeln. Vorausgesetzt, Inhalte und Botschaften stimmen. Alles, was Google bietet, liefert sofort (= automatisiert) Wirkungsnachweise. Ergebnisse sind blitzschnell ausgewertet.

Von all dem können diejenigen, die bislang auf klassische Kommunikationsformen und Werbung sowie primär auf Print- und Publishing-Aktivitäten vertrauen, nur träumen. Es ist nicht sofort messbar, was ein Druckprodukt oder das per Email versendete PDF leistet. Wird es angeschaut? Oder liegt es nur eine Weile unangetastet auf dem Tisch/Desktop, bevor es im Papierkorb landet? Response-Effekte über QR-Codes reichen nicht aus, da nur punktuell messbar. Printmedien können nicht in Echtzeit Daten liefern, welche ihrer Botschaften oder Stories von wem wann gelesen wird. Erfasst wird höchstens, ob ein Printprodukt zugestellt oder gekauft wurde. Marktforschung ist retrospektiv, dauert Wochen und Monate. Das gilt für fast jedes Druckprodukt. Der Betreiber eines Online-Blogs oder einer Community-Site hat es besser; er kann kostenfrei sofort Statistiken oder Kommentare bekommen, die ihn informieren und helfen, das Inhalte-Angebot zu verbessern. Printproduzenten und deren Auftraggeber gucken dagegen in die Röhre. Und sind hoffnungslos überfordert, wie Kommunikation und Transaktion nahtlos gekoppelt werden können. 

Die Zukunft von Print und Publishing “re-loaded”: Mit neuen, IT-getriebenen, sozial vernetzten Kommunikationslösungen die Lücke schließen zwischen realer Welt und der virtuellen Erscheinungsform von Inhalten aller Art. Das funktioniert technisch längst schon. Man denke nur an Web-to-Print-Lösungen auf Konsumenten-Ebene (C-toC), um z. B. Facebook-Chroniken oder Wikipedia-Inhalte einfach und per Mausklick in Publikationen zu verwandeln, die über Nacht gedruckt und versendet werden. Auf B-to-B- wie auch auf B-to-C-Ebene ist man noch weit davon entfernt. Weil das Denken von etablierten Strukturen und IT-Prozessen diktiert wird. Zeit, das zu ändern, gerade hierzulande bei DAX-Konzernen und im Mittelstand, die in ihrem Börsen-/Unternehmenswert den Digitalfirmen hinterherhinken. Nicht nur relativ, sondern absolut. — Wie gesagt: Ich kommuniziere (werthaltig), also sind wir (profitabel)! 

Ausblick: Alles wird gut, wenn wir aus etwas Altem etwas Neues formen. Die Werte der Gutenberg-Galaxis sind noch immer gültig und beflügeln die Kunst der Kommunikation. Das wurde vor allem im November 2014 im Rahmen der Canon for Business Initiative im Team mit hochkarätige Experten beim ersten #InfoAtWork-Event in Deutschland deutlich. Siehe dazu unser Value Resümee und die Echtzeit-Doku sowie den Kommentar von Jörg Blumtritt (@jbenno).

Lesetip für IT, Marketing und Financial Community:
Canon Business Bytes mit fundierten Fachartikeln zum Thema Information Management!

Und: Lesen Sie bitte auch unseren der #Sinnhaftigkeit gewidmeten Jahresgruss 2015:
ValueMemo! — „Das Ziel findet sich durchs Laufen!“

 

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