Heidelberg’s Vorstand gibt sich ‚verhalten optimistisch‘. Was heißt das?
Von Andreas Weber, CEO INKISH D-A-CH | English Version via INKISH.NEWS
Die Aktie von Heidelberger Druckmaschinen AG bewegt sich zwar noch immer als Penny-Stock im Keller, stieg aber von € 0,567 im Juni 2020 auf € 0,724 — Stand heute Mittag. Der Grund: Der Plan von CFO Marcus A. Wassenberg scheint momentan aufzugehen. Ein straffes Finanzmanagement steht über allem und erscheint alternativlos. (Siehe Analyse “Heidelberg’s need for money” von Morten B. Reitoft via INKISH.NEWS).
Als Priorität Nummer Eins nannte Wassenberg heute in der Präsentation der Ergebnisse für Q1 2020/2021: drastische Reduzierung der Verschuldung, gefolgt vom geschickten Handling der Kurzarbeit und Arbeitszeitreduzierung sowie der Portfolio-Bereinigung. Das führte zu einem EBITDA von 60 Millionen (ohne Restrukturierungs-Ergebnis und dank Ertrag der Neuordnung der betrieblichen Altersvorsorge). Der Umsatz lag mit rund 330 Mio. € rund ein Drittel unter dem Vorjahresquartal (502 Mio. €). Der Auftragseingang ging in den ersten drei Monaten insgesamt um 44 Prozent auf 346 Mio. EUR zurück (Vorjahr: 615 Mio. EUR).
Bei bis zu 80 Prozent Kurzarbeit durch COVID-19-Krise bleibt wenig Spielraum. Zu bedenkne ist: Ohne Fabrikation keine Lieferungen, ohne Lieferungen/Installationen beim Kunden keine fakturierbaren Umsätze. Und da ist es fast schon zuträglich, dass im Vergleich zum Vorjahresquartal der Umsatz (minus 30 %) und Auftragseingang (minus 44 %) sich dramatisch verschlechtert haben. Damit liegt Heidelberg übrigens bei Umsatzrückgang und AE schlechter als Wettbewerber wie Koenig & Bauer oder BOBST, die allerdings beide fürs 1. Halbjahr 2020 Verluste ausweisen müssen.
Wassenberg kompensiert diese missliche Lage durch Verkäufe (Gallus, CERN) und Stilllegung von Unternehmensbereichen. Alles in allem sollen so innerhalb der nächsten drei Jahre rund 100 Mio. € eingespart werden. Die Rückholung von Pensionsmitteln dient dem Ausgleich der Schulden und spart rund 12 Millionen Zinszahlungen.
Facts & Figures von Heidelberg.
Schrumpfkur unvermeidlich?
Als künftiges Umsatzziel benennt Wassenberg 2,0 Mrd. € bis 2,1 Mrd. €. Das sind rund eine halbe Milliarde € weniger als in den letzten Jahren. „Wir halten Wort“, betonte Wassenberg, und lobt gleichzeitig die „grandiose Mannschaftsleistung“, nicht nur im Finanzbereich, sondern überall im Unternehmen. Er spricht dabei von einer Belebung auf „niedrigem Niveau“, „mehr Freiheiten zum Investieren“ und einer „schrittweisen Erholung“. Der Wermutstropfen bei Heidelberg sei das (niedrige) Eigenkapital und der Cash Flow, der zwar immer noch negativ sei, sich aber verbessert habe.
CEO Rainer Hundsdörfer bleibt in dieser Lage nur, optimistisch zu sein. Er betont, das Ziel sei, Heidelberg „wetterfest“ zu machen, „überfällige und unabdingbare“ Maßnahmen vorzunehmen, um „erfolgreich und nachhaltig Geld zu verdienen“ sowie das „Kerngeschäft strategisch weiter zu entwickeln“.
Während Wassenberg sehr konkret wird, oder besser: werden muss, zeichnet Hundsdörfer ein letztlich stets vages Zukunftsbild von Heidelberg, das einerseits auf Besitzstandswahrung („Wir tracken online in Echtzeit weltweit die Situation unserer Offsetdruck-Kunden und stellen uns exakt darauf ein“) und andererseits auf Innovationen in Form von zarten Pflänzchen beruht, die mit dem Kerngeschäft nichts zu tun haben: Rund 5 Mio. € wurden im Werk Wiesloch laut Hundsdörfer in eine Produktionsstrecke investiert, um per innovativer „Printed Electronics“ hochwerte Sensoren v. a. für den Medizinsektor zu fertigen.
Wohin geht die Reise?
Nun denn. Für den Moment steht Heidelberg einigermaßen gut dar in Zeiten der Pandemie. Aber ob das so bleibt? Für den weiteren Verlauf wird schicksalhaft, ob der Verkauf von Gallus Bestand haben kann und der hohe Kaufbetrag auch gezahlt wird. Darüber gibt es Zweifel und CFO Wassenberg sprach heute nicht mehr vom Kaufpreis in Cash von 120 Mio. €, sondern ‚nur‘ von einem „erheblichen Betrag“.
Der Verkauf von Gallus ist für Heidelberg nicht nur wichtig, um Verluste auszugleichen, sondern vor allem um rund 450 Mitarbeiter aus der Kostenliste zu bekommen.
Schau’n wir mal. Es bleibt spannend!
PS: Übrigens war heute, so mein Empfinden, das Interesse der Presse an dem Heidelberg Webcast zum Quartals-Ergebnis erstaunlich gering. Ebenso wie die Fragen an CEO Hundsdörfer und CFO Wassenberg, die nur von der Regionalpresse kamen und nicht von von FAZ, Handelsblatt, Reuters oder DPA.