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ISS Award 2020 Key Visual.001

Prof. Dr. Gerhard Kilger, Chairman of the International Senefelder Foundation. Photo: Andreas Weber

 

Internationaler Senefelder-Preis — SIEGEREHRUNG

Redetext von Prof. Dr. Gerhard Kilger, Vorstandsvositzender der Internationalen Senefelder Stiftung, Offenbach am Main   |  English translation below | Fotos und Videos von Andreas Weber, Franfiurt am Main

Heute begrüße ich das Festpublikum für die Siegerehrung des 12. Internationalen Senefelder-Preises. Allerdings ist in diesem Jahr das Publikum nicht in Offenbach: Durch die Pandemie müsse alle zuhause bleiben und die Zeremonie auf dem Bildschirm erleben. Die originalen Lithographien jedoch sind jetzt alle in diesem Ausstellungsraum des „Hauses für Stadtgeschichte“ in Offenbach versammelt. Hier ist es in den nächsten Wochen auch möglich, dass sie ganz real von interessierten Museumsbesuchern besichtigt werden können.

 



 

Als wir den Preis 2019 ausgelobt haben, konnten wir natürlich nicht ahnen, wie dieser Tag stattfinden würde. Deswegen war auch die Arbeit der Jury nicht einfach, sie hat aber ganz deutliche Entscheidungen getroffen. So wurden in diesem Jahr neben den drei Hauptpreisen auch zwei Sonderpreise vergeben. Gerade weil sich die Lithographie gegenwärtig in einem tiefgreifenden Wandel befindet, sind der Jury zwei Arbeiten besonders aufgefallen: Diese beiden weisen auf ganz unterschiedliche Art neben hoher künstlerischer Qualität durch ihre Technik zum Einen auf den langen Weg von der professionellen und industriell bedeutsamen Arbeitsweise hin zu den heute sehr unterschiedlichen Praktiken individueller Gestaltung, zum Anderen auf ganz neue Perspektiven zu experimentellen Formen der Lithographie.

 

Einer der Sonderpreise geht an den Lithographen Jean-Michel Machet in Paris, der mit dem bretonischen Künstler Jaques Gedan eine ganz bemerkenswerte Lithographie geschaffen hat: Bei dieser wird sowohl durch Farbgebung und kunstvolle Feinheiten als auch durch die besonders exakte Drucktechnik die hohe Meisterschaft der traditionellen Lithographie deutlich, wie sie heute weltweit kaum noch anzutreffen ist. Der Künstler hat – vielleicht unbewußt – in einer großartigen Metapher den Wandel der Lithographie in der Darstellung „Penduik auf der Reise zum Nordpol“ geschaffen: Die hohe Kenntnis des Segelns hat einen vergleichbaren Wandel durchgemacht, die alten Kapitäne und Seeleute sind verschwunden, Segelboote erfahren heute neue Anwendungen.

 

Ein weiterer Sonderpreis geht an Katarzyna Tereszkiewicz aus Polen. Sie hat eine ganz eigenwillige Arbeit geschaffen, die den Druck selbst nicht vollzieht, sondern den lithographischen Prozeß  zur künstlerischen Bearbeitung nutzt. Die Zinkplatte als Druckträger wird selbst zum Werk, die chemischen und künstlerischen Prozesse erzeugen ganz neue Farben und Formen, die in ihrer Struktur an eigenartige Malerei erinnern und die ihre eigene Ästhetik erzeugt. Hierbei wurden bekannte Techniken des Abreibens und Ätzens angewandt, die allerdings so zu ganz neuen Ergebnissen geführt hat. Dieser außergewöhnliche Eigensinn, keinen Druck, sondern das Ergebnis eines Experiments für den Wettbewerb einzureichen, hat die Jury überzeugt.

 


 

Die eigentlichen Hauptpreise sind für originale Lithographien vergeben, die alle drei nach ganz unterschiedlichen Kriterien begutachtet wurden. Natürlich stand bei allen die hohe künstlerische Qualität im Vordergrund, wichtig war für die Jury auch, dass hier Ausführungen von Lithographie sichtbar sind, die nicht bereits bekannt und vielfach angewandt wurden. Diese Kriterien anzuwenden, war tatsächlich nicht einfach, weil dafür durchaus viel mehr Preise hätten vergeben müssen als vorgegeben war. Diese Schwierigkeit läßt sich auch nachvollziehen, wenn man die Qualität in der heute eröffneten Ausstellung der 32 nominierten Kandidaten besichtigt.

Nun möchte ich aber Ihre Spannung nicht mehr überstrapazieren, wir kommen zu den drei Hauptgewinnen:

Der dritte Preis wurde an den Spanier Rafael Rodriguez Garcia vergeben, der seine Arbeiten in Belgien macht. Er hat einen Master in Fine Arts, Print Making an der Royal Academy of Fine Arts Antwerp gemacht und bereits viele internationale Preise erhalten. Die nun prämierte Arbeit mit dem Titel „Begegnung II“ ist 2019 entstanden. Rafael Rodriguez untersucht die Eigenschaften des Steins als Objekt und nicht als einfache Oberfläche, auf der ein Bild gezeichnet werden soll. Dieses entsteht bei ihm durch verschiedene Zustände, wobei die Oberfläche des Steins zwischen jedem Zustand leicht gelöscht wird. So wird die „Erinnerung“ des Steins Ausgangspunkt für den nächsten Zustand. Darüber hinaus werden Spuren und Fragmente früherer Zustände sichtbar, die er eine „Archäologie“ des Bildes nennt.

 

Die Jury hat dies besonders überzeugt: Der Künstler hat nicht einfach einen Druckträger bemalt, sondern die Eigenschaften des Steins und die der besonderen Wirkungen von Senefelders „Chemischer Steindruckerey“ als künstlerische Technik entwickelt.

Doch diese beeindruckende Arbeit wurde nach Einschätzung der Jury noch von zwei weiteren übertroffen:

Den zweiten Hauptpreis hat die Polin Magdalena Uchman erhalten. Sie ist Graphic Designerin und hat nach ihrem Diplom am Fine Arts Institut der Universität Rzesów sogar den Doktor an der Academy of Fine Arts in Cracow gemacht. Seit 2012 ist sie in der Lehre an der Universität Rzeszów tätig. Darüber hinaus hat sie seit 2006 sehr viele Ausstellungen im In- und Ausland gemacht.

 

Die sehr geheimnisvolle Arbeit aus dem Jahre 2018 verwendet das Bild im Bilde, so wie wir in deutsch das Bewußtwerden mit der Redewendung „über etwas im Bilde sein“ aussprechen. Es ist ihr „Movie“, den sie uns mit wasserfestem Marker auf „Algrafia“, der Zinkplatte vorführt. In Abreibetechnik sehen wir ihre persönliche Erscheinung als Bild von hinten. Sie schreibt uns: „Die Grafiken bestanden aus zwei Matritzen: gekörntes Aluminiumblech unter Verwendung von Lithografietinte und kombiniert mit Lithografie, die in der Technik des Nachdrucks und des wasserdichten Markers entwickelt wurde.“

Das eingereichte Blatt ist drucktechnisch von hoher Qualität, die Jury hat Magdalena Uchman mit dieser experimentellen Arbeit von hoher künstlerischen Ausdruckskraft voll überzeugt.

Nun kommen wir endlich zum hochbegehrten ersten Hauptpreis: Er geht an den Thailänder Amnat Kongwaree. Auch er ist in der Lehre tätig: Er ist Assistenzprofessor an der Silpakorn Universität in Bangkok für Graphic Arts, Faculty of Printing, Skulpture and Graphic Arts. Dort hat er auch seine Ausbildung zum B.F.A. und M.F.A. gemacht und schon seit 1995 viele Preise erhalten.

 

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Seine Arbeit ist 2019 auf Aluminiumplatten entstanden, weil dies – wie er sagt – in Thailand nicht anders möglich ist. Aber er hat die industriellen Platten mit traditioneller lithographischer Technik behandelt und dabei eine sehr beeindruckende Drucktechnik geschaffen. Bei dem eingereichten Blatt „Parasitism“ aus dem Jahre 2019 hat er zehn Platten verwendet und dadurch eine hohe Farbqualität erreicht. Die realistische Darstellung einer jungen Frau, die offensichtlich einen jungen Kukuk in der Hand hält, läßt eine geheimnisvolle Geschichte des „Parasitism“ vermuten. Das ganze Kunstwerk ist sowohl technisch als auch künstlerisch bis ins gegenständliche Detail durchgearbeitet und besticht durch seine geheimnisvolle Ausdruckskraft. Die originale Lithographie zeigt an diesem Beispiel eine in Farbe und Auflösung erstaunliche Qualität, die durch heutige Drucktechniken kaum zu erreichen ist. Es war ein ganz eindeutiges Votum der Jury, dass der Internationale Senefelder-Preis dieser Arbeit zugesprochen werden soll.

Bedauerlicherweise können die Preise nicht wie üblich persönlich überreicht werden. Doch wir hoffen alle, dass das persönliche Zusammentreffen der prämierten Lithographen in besseren Zeiten wieder möglich sein wird.

 


 

Impressionen zur Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte zu Offenbach am Main | Virtual tour throug the exhibition in the museum Haus der Stadtgeschichte Offenbach, Germany. Photo/Video: Andreas Weber


Auf einen Blick / At a glance

#ISSAward2020 — And the winner is… We proudly present:

1. Hauptpreis / 1st main award: Amnat Kongwaree , Bangkok/Thailand

2. Hauptpreis / 2nd main award: Magdalena Uchman, Rzeszów/Polen

3. Hauptpreis / 3rd main award: Rafael Rodriguez Garcia, Antwerpen/Belgium, Spain

Special Awards:
• Jean-Michel Machet, Paris/France (Drucktechnik)
• Katarzyna Tereszkiewicz, Rzeszów/Polen (Experimentalkunst)

Gratulation an alle Teilnehmer | Congrats to all fantastic attendees.

Die Offenbach Post hat einen lesenswerten Artikel von Reinhold Gries publiziert zur Verleihung des 12. Internationalen #Senefelder-Preises der Internationale Senefelder Stiftung am 6. Dezember 2020 und der Ausstellung der Finalisten und Gewinner im Haus der Stadtgeschichte (Offenbach).

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English Translation

International Senefelder Award — LAUDATIO

By Prof. Dr. Gerhard Kilger, Chairman of the International Senefelder Foundation

Today I greet the audience for the award ceremony of the 12th International Senefelder Award. However, this year the audience is not in Offenbach: Due to the pandemic, everyone has to stay at home and experience the ceremony on screen. The original lithographs, however, are all gathered in this exhibition room of „House of City History“ in Offenbach. In the next few weeks it is also possible that interested museum visitors can view them in real life.

 


 

 


 

When we announced the award in 2019, of course, we had no idea how this day would take place. That´s why the work of jury wasn´t easy, but it made very clear decisions. So this year, in addition to the three main prizes, two spezial prizes awarded. Just because the lithography currently in profound change, the jury are two particularly noticed work: These two have very different ways in addition to high artistic quality by their technique on the one hand the long way from the professional and industrial working method to the very different practices of individual design today, on the other hand to completely new perspectives on experimental forms of lithography.

 

One of the special prizes goes to the lithographer Jean-Michel Machet in Paris, who has created a very remarkable lithograph with the Breton artist Jaques Geda: With this, the high mastery of traditional lithography is demonstrated through the coloring artistic fineness as well the particularly precise printing technique clearly as it can hardly be found anywhere in the world today. The artist – perhaps unconsciously – created the change in lithography in a great metaphor in the description „Penduit on the journey to the Northpole“: The high level of knowledge of sailing has undergone a comperable change, the old captains and seamen have dissapeard, sailboats are experienced today new applications.

 

Another special award goes to Katarzyna Tereszkiewicz from Poland. She has created a very idiosyncratic work that does not print itself, but uses the lithographic process for artistic processing. The zink plate as pressure medium becomes the work itself, the chemical and artistic processes generate completely new colors and shapes, the structure of which is reminiscent of strange painting and which creates its own aesthetic. Well-known techniques of rubbing and etching were used, which, however, led to completely new results. This extraordinary stubborness of submitting the result of an experiment for the competition, not printing, convinced the jury.

The actual main prizes awarded for original lithographs, all three of which were appraised according to very different criteria. Of course, standing on the high artistic quality in the foreground, was important for the jury also that the works of lithography are visible here are not already known and have been widely used. Applying these criteria was actually not easy, because many more prizes shoult have been awarded than were given. This difficulty can also be understood if one inspects the quality in the exhibition of the 32 nominated candidates that opened today.

Now I don’t want to overstrain your tension, we come to the three main prizes:

The third prize was awarded to the Spaniard Rafael Rodriguez Garcia, who does his work in Belgium. He has a Masters in Fine Arts, Print Making at the Royal Academy of Fine Arts Antwerp and has already received many international awards. The now award-winning work entitled „Encounter II“ was created 2019. Rafael Rodriguez Garcia investigated the properties of the stone as an object and not as simple surface, on which a picture is to be drawn. This arises in him through different states, whereby the surface of the stone is slightly erased between each state. So the „Memory“ of the stone becomes the starting point for the next state. In addition, traces and fragments of earlier states become visible, which he calls an „Archeology“ of the picture.

The Jury was particuarly impressed by this: The artist did not simply paint a print substrate, but developed the properties of the stone and the special effects of Senefelder’s „chemical stone printing“ as an artistic technique.

But according to the jury, this impressing work was surpassed by two more:

The second main prize went to Magdalena Uchman from Poland. She´s Graphic Designer and has even made the doctor at the Academy of Fine Arts in Cracow after her diploma at the Fine Arts Institude of the University Rzesów. She has been teaching at the University of Rzeszów since 2012. In addition, since 2006 she has done a lot of exhibitions at home and abroad.

 

The very mysterious work from 2018 uses the picture in the picture, just as we pronounce awareness in German with the phrase“ being in the picture about somthing“. It is her „Movy“ that she shows us with waterproof marker on „Algraphia“, the zink plate. In the rubbing technique, we see her personal appearance as a picture from behind. She writes to us: „The graphics consisted of two matrices: grained aluminium sheet using lithographic ink and combined with lithography, which is develop using the technique of reprint and waterproof marker“.

The submitted lithograph is of high printing quality, the jury fully convinced Magdalena Uchman with this experimental work of high artistic expressivness.

 


 

Now we finally come to the coveted first main prize: It goes to the Thai Amnat Kongwaree. He is also active in teaching: He is assistant professor at the Silpakorn University in Bangkok for Graphic Arts, Faculty of Printing, Sculpture and Graphic Arts. There he also did his academic degree in BFA and MFA and have received many awards since 1995.

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His work was created on aluminium plates in 2019 because –  as he says – there is no other way in Thailand. But he has treated the industrial plates with traditional lithographic techniques, creating a very impressing printing technique. He used ten plates for the lithography „Parasitism“ submitted in 2019, which resulted in high color quality. The realistic depiction of a young woman who obviously holding a young cuckoo in her hand suggests a mysterious story of „Parasitism“. The entire work of art it worked through both technically and artistically down to the tanggible detail and impresses with  its mysterious expressiveness.In this example, the original lithograph shows an amazing quality in terms of color resolution, which can hardley be achieved with today’s printing techniques. It was a very clear vote of the jury that the International Senefelder Prize should be awarded to this work.

Unefortunately, the prizes cannot be presented personally as usual. But we all hope that the personal meeting of awardees is possible in better times.

 


Epilog

The celebration of all ISS Award 2020 attendees and winners was broadcasted live via YouTube. Youn can see the movies on the Youtube Page of Haus der Statdgeschichte Offenbach. Please follow the Links:

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And there will be also a booklet available showcasing the Award and the work of the winners in german and english.

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ThinkPaper TagDerDruckkunst 15032019.001

 

Von Prof. Dr. Gerhard Kilger, Vorstandsvorsitzender der Internationalen Senefelder-Stiftung

#Think!Paper — Edition 2, Vol. 4

 


Von einigen noch unbemerkt — vor allem in der Print- und Verlagsbranche — aber von vielen engagierten kreative Köpfen getragen, wurde am 15. März 2019 in über 200 Einrichtungen deutschlandweit der ›Tag der Druckkunst‹ begangen. Die Internationale Senefelder Stiftung mit Sitz in Offenbach am Main hatte zu einem besonderen Event eingeladen: Im Druck-Studio der Stiftung führte Prof. Dr. Kilger praktisch vor, wie man künstlerisch mit Steindruck umgehen kann. Über 100 Gäste zeigten sich begeistert. Im nachfolgenden Beitrag, erstmals publiziert als Leitartikel in der Zeitschrift ›kultur politik‹, Ausgabe 1/2019 ›Kulturerbe Druckkunst‹ des BBK Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V., Berlin, erläutert Gerhard Kilger, welchen Wert Druckkunst gestern, heute und morgen darstellt. Und welchen Nutzen Drucktechnik stiftet. Aus meiner Sicht eine Pflichtlektüre für alle, die sich kreativ, künstlerisch und technisch mit Print beschäftigen. — Andreas Weber


»Wer in der Drucktechnik lediglich den Wert der Vervielfältigung sieht, hat die eigentlichen Potentiale nicht wahrgenommen.«

 

Es war im vergangenen Jahr 2018 ein großer Erfolg: Künstlerische Drucktechniken des Hochdrucks, Tiefdrucks, Flachdrucks, Durchdrucks und deren Mischformen sind von der Deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis ›Immaterielles Kulturerbe‹ aufgenommen worden. 

Damit sind die von Generationen über Jahrhunderte überlieferten Techniken nicht nur zu bewahren, sondern auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Es war sehr klug, dass die UNESCO – erst seit wenigen Jahren – nicht nur materielles Kulturerbe, sondern kulturelle Formen gelebter Praxis vor dem Vergessen schützen möchte. Denn »Das Wesen der Dinge liegt in ihrem Gebrauch« – um diese wichtige Sichtweise des Philosophen Ludwig Wittgenstein auszudrücken und anzuwenden. 

In der Begründung der Auszeichnung durch die Kommission heißt es deswegen: »Gedruckte Text- und Bildmedien sind fester Bestandteil der europäischen Kultur und Wissenschaftsgesellschaft. Künstler nehmen sich den traditionellen Drucktechniken kreativ an und entwickeln diese weiter (…)«. Gut bekannt sind Johannes Gutenberg und Albrecht Dürer, die am Anfang der damals innovativen Drucktechniken vor über 500 Jahren stehen, ebenso bekannt ist der damalige Einfluss der erstmaligen Vervielfältigung der Bibel auf die Reformation und neuzeitliche Entwicklungen. 

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Drucktechniken für Bildung und Demokratie 

Weniger bekannt ist allerdings das seitdem hoch entwickelte Niveau handwerklicher Praxis, das für die Qualität von Druckerzeugnissen in hohen Auflagen bestimmend war. Das galt nicht nur für Texte, sondern vor allem für Abbildungen, die bis Ende des 18. Jahrhunderts fast ausschließlich durch Holzschnitt, Holz- oder Kupferstich möglich waren. Weniger bekannt ist auch, dass im 19. Jahrhundert durch die Erfindung von Alois Senefelder die Lithographie als Flachdruck die Industrialisierung des Bilderdrucks möglich machte. Neben Bildung und bunter Vielfalt im öffentlichen Raum wären die gesellschaftlichen Entwicklungen zu Demokratie und Sozialstaat nicht denkbar gewesen. Später kamen neuere Verfahren wie Lichtdruck, Durchdruck und Siebdruck dazu. 

Photolithographische Techniken und Flachdruck auf Metallplatten führten im 20. Jahrhundert zum heutigen Offsetdruck, der spätestens seit den 1990er Jahren durch ganz unterschiedliche digitale Techniken ergänzt oder abgelöst wurde. Hinter all diesen professionellen Techniken standen Berufsbilder, für die hohes fachliches Wissen erforderlich war, sowie Menschenschicksale, auf deren Biographien technische Umwälzungen oft dramatischen Einfluss hatten. Heute sind traditionelle Kenntnisse der Drucktechnik industriell nicht mehr anwendbar. 

Allerdings enthält die Auszeichnungsbegründung durch die Kommission eine wichtige Feststellung: »Künstler nehmen sich den traditionellen Drucktechniken kreativ an und entwickeln diese weiter«. Eine solche Feststellung kommt bei allen anderen Auszeichnungen immateriellen Erbes nicht zu Wort. Im Gegenteil: Während fast alle Kulturgüter mit dem Wegfall ihrer eigentlichen Funktion meist leblos in Museen konserviert oder in laienhafter Liebhaberei künstlich als Folklore entfremdet werden, erleben die traditionellen Drucktechniken in den Künstler-Werkstätten einen lebendigen Umgang und eine kreative Weiterentwicklung auf vielerorts ganz unterschiedliche Art und Weise. 

Natürlich sind das ursprüngliche Fachwissen und die industrielle Berufserfahrung von professionellen Drucktechniken bei heutigen und zukünftigen Künstlerinnen und Künstlern nicht mehr zu erreichen – deren praktische Kenntnisse entsprechen eher denen von versierten Sportseglern, die heute auch keinen historischen Viermaster steuern könnten – aber sie haben hohe Kenntnis von diesen Techniken, obwohl ihr beruflicher Alltag ganz andere Absichten und Gewohnheiten verfolgt, als dies traditionell nötig war. 


Impressionen vom Tag der Druckkunst im Druck-Studio der Internationalen Senefelder Stiftung in Offenbach am Main. Fotos/Video: Andreas Weber

 


Von Hand geschaffene Originale 

Warum haben sich viele Künstlerinnen und Künstler diese aufwändigen Praktiken und das Wissen erworben, und welcher Wert wird darin von diesen gesehen? Worin unterscheidet sich ein von Künstlerhand gedrucktes Erzeugnis von üblichen Druckerzeugnissen? Welche Bedeutung haben zukünftig die traditionellen Drucktechniken für Kunst und Kultur? 

In der Bildenden Kunst gilt, was ebenso für Musiker ganz offensichtlich ist: Jedes Instrument hat seinen Klang, seine unverwechselbare Ausdrucksform. Gerade Drucktechniken haben ihre werkspezifischen Charaktere, die mit anderen Techniken nicht zu schaffen sind. Zudem können durch Variation und Experiment bei Drucktechniken unzählige »Klänge« erzeugt werden, die für neue Kompositionen beste Voraussetzungen bieten. Ebenso wie mit Klängen kann unbegrenztes und überraschendes Neuland durch Experimente gefunden werden. 

Wer in der Drucktechnik lediglich den Wert der Vervielfältigung sieht, hat die eigentlichen Potentiale von Radierung, Holzschnitt, Lithographie, Siebdruck und allen Mischformen nicht wahrgenommen. Längst hat ein künstlerischer Druck nicht mehr den Wert in hoher Auflage, jeder Abzug hat heute die Qualität eines von Hand geschaffenen Originals. Meist machen deswegen Künstlerinnen und Künstler keine hohen Auflagen, sondern beschäftigen sich lieber mit dem Schaffensprozess des Druckträgers als mit dem – demgegenüber monotonen – Drucken einer hohen Auflage. 

 

 

Lebendige Weiterentwicklung überlieferter Kenntnisse 

Natürlich sind auch dafür sowohl die Einrichtung und der Betrieb einer historischen Werkstatt, als auch eine hohe Kenntnis von Material und Prozess notwendig. Diese ist heute sogar noch anspruchsvoller als damals, weil nun die Vollzüge ganzheitlich angelegt werden müssen: Gab es früher noch die Arbeitsteilung von Druckvorlagenherstellung, Andruck und Fortdruck, so muss man dies heute selbst beherrschen; wurden früher die Materialien aus dem Handel bezogen, so gilt es nun, nach alten Rezepten oder aus fernen Landen das notwendige Material zu beschaffen oder sogar selbst zu schaffen. Weil darüber hinaus in früheren Zünften die beruflichen Kenntnisse überwiegend als Geheimwissen betrachtet wurden, wurden schon seit Jahren die letzten Profis von künstlerischen Fachleuten noch zu Lebzeiten ausgefragt oder es mussten bestimmte Techniken durch Experimente neu entdeckt werden. 

Heute kann man das Kulturerbe der Drucktechniken in den Händen von Künstlerinnen und Künstlern als qualitativ hohe Praxis bezeichnen, welche die historischen Techniken zwar nicht identisch reproduzieren, jedoch als lebendige Weiterentwicklung aus den überlieferten Kenntnissen alte und neue Formen der Drucktechniken lebendig werden lassen. 

Aufgaben der Museen 

Auch in einigen wenigen Museen leben diese handwerklichen Techniken weiter. Vor allem dort, wo nicht nur nach sammlungsorientierten Konzeptionen museale Gegenstände in Vitrinen präsentiert werden, sondern Kontexte für zugehörige Arbeitsvollzüge und Lebensgewohnheiten geschaffen werden. Auch dort werden Vorführungen oft von Künstlerinnen oder Künstlern gemacht, weil es für die Museen nicht einfach ist, das zugehörige Personal dafür zu schulen. Langfristig wird es für die Museen zur Aufgabe, das Immaterielle Kulturerbe neben dem Aufbau und der Pflege von Sammlungen zu bewahren. 

Dabei werden sie sowohl das Weiterleben der experimentellen Drucktechniken dokumentieren als auch die besten Ergebnisse künstlerischer Arbeiten in ihre Sammlungen übernehmen. Hier ist auch einer der Gründe dafür ersichtlich, warum die Beantragung der Anerkennung der künstlerischen Drucktechniken als Immaterielles Kulturerbe gemeinsam vom BBK-Bundesverband und dem Museum für Druckkunst Leipzig erfolgt ist. 

Nachdem es für die künstlerischen Drucktechniken in den letzten Jahren sowohl durch meist ungenügende Wertschätzung bei Ausbildungsgängen in den Hochschulen als auch bei der Haltung von Kuratoren, Sammlern und Händlern manche Enttäuschung gab und darüber hinaus die künstlerische Auseinandersetzung mit digitalen Medien die Sicht auf »alte Techniken« verstellt hat, ist nun zu erwarten, dass die Wahrnehmung für den echten Stellenwert dieser Kunstform wieder zunimmt. 

 


 

Zur Person

 

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Prof. Dr. Gerhard Kilger ist Museums-Fachmann, Physiker, freier Künstler und Dozent für Lithographie. Er war Gründungsdirektor der »DASA – Arbeitswelt Ausstellung« in Dortmund und ist Vorstandsvorsitzender der Internationalen Senefelder Stiftung mit Sitz in Offenbach am Main. http://www.senefelderstiftung.de 


Zur Internationalen Senefelder Stiftung

»Die ISS macht durch die Verbindung von Tradition und Moderne den Wert von Print als unverzichtbarer Kulturtechnik anschaulich. Und zeigt auf, wie sich die kreative Techniknutzung durch künstlerisches Schaffen im Digitalzeitalter verankern lässt.« 

Zur Erinnerung: Der Erfinder Alois Senefelder hat um das Jahr 1800 mit dem chemischen Druck vom Stein und von Metallplatten die Print-Branche in ein neues Zeitalter geführt. Noch heute profitieren wir davon, nicht nur bei der Drucktechnik, sondern sogar in der Halbleiter-Technologie. Zugleich wurde der Steindruck zum einzigartigen künstlerischen Medium mit anhaltend weltweiter Bedeutung.

Die ISS verfügt über einen hochkarätig besetzten Beirat (Vorsitz: Gert Kaiser) und seit 1. Januar 2019 über ein neues Vorstandsteam mit Prof. Dr. Gerhard Kilger (Vorsitz), Dr. Volker Dorsch (stv. Vorsitz), Hans-Jörg André, Eckhard Gehrmann, Andreas Weber und Dr. Ralph Philipp Ziegler.

Die ›Freunde und Förderer der Internationalen Senefelder Stiftung e.V.‹ (FISS) sind mit Wirkung vom 7. November 2017 ein im Vereinsregister eingetragener, gemeinnütziger Verein (VR 5784). 

Somit bestehen für Einzelpersonen wie auch für Firmen individuelle Möglichkeiten zur Mitgliedschaft und Förderung der Internationalen Senefelder Stiftung.

Kontakt:

Dr. Volker Dorsch, Mitglied im Vorstand und Leiter der ISS- und FISS-Geschäftsstelle im Bernardbau
Herrnstr. 61 | 63065 Offenbach am Main

T: 069-98340506
F: 069-98340507
W:www.senefelderstiftung.de
E: info@senefelderstiftung.com

 

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Von Andreas Weber, Head of Value

Etwas ‚Altes‘ hilft, das Neue zu bewältigen: Vor über 200 Jahren wurde der Grundstein für moderne IT- und Kommunikationstechniken mit Print gelegt. Die Internationale Senefelder-Stiftung und ihr neu geschaffener Förderverein FISS mit Sitz in Offenbach am Main erinnern daran. Durch FISS bieten sich neue, attraktive Möglichkeiten, zu unterstützen und sich einzubringen. 


Zum 200. Geburtstag von Alois Senefelder, dem Erfinder der Lithografie, errichtete das Komitee zur Vorbereitung der Senefelder-Stiftung in Offenbach am Main – vertreten durch seinen Vorstand – zur Wahrung des Andenkens dieses genialen Erfinders die Internationale Senefelder-Stiftung mit Sitz in Offenbach am Main.

Zweck der Stiftung ist die Förderung junger bedürftiger Künstler und Techniker sowie die Vergabe des Senefelder-Preises für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Lithografie und des Flachdrucks. Im Laufe des Jahres 2017 wurde der gemeinnützige Förderverein FISS gegründet, um über die Stiftungsarbeit hinaus Wirkung und erweitertes Engagement zu ermöglichen. Ein Meilenstein bildet das Kolloquium „Quo vadis: saxa loquuntur“, erstmals am 6. Dezember 2017, dem Tag der Lithografie, in Offenbach abgehalten — mit nachhaltig internationaler Beteiligung und starker Beachtung in den Sozialen Medien.  


 

Die Erfindung von Alois Senefelder vor über 200 Jahren ist als grundlegenden Voraussetzung für heutige Anwendungen der IT-Technologien anzusehen. Die Möglichkeiten einer flachen Druckform wie sie auf Lithografiesteinen bis in das zwanzigste Jahrhundert Verwendung fand, hat nicht nur in der künstlerischen Druckgrafik überlebt, sondern wird zur Herstellung von Halbleiter-Chips für jedes digitale Bauelement verwendet. Insofern hat die technologische Entwicklung seither eine kulturelle und soziale Auswirkung auf die heutige Gesellschaft, die in ihrer geschichtsprägenden Kraft von anderen Entwicklungen kaum übertroffen wurde.

Auch wenn diese Bedeutung der Fachwelt durchaus bekannt ist, kommt dieser Erfindung in der öffentlichen Wahrnehmung bei weitem nicht die gebührende Anerkennung zu.
Die Internationale Senefelder-Stiftung ist weltweit die einzige Einrichtung, deren Ziel es ist, die Bedeutung der Erfindung von Alois Senefelder zu fördern und Aktivitäten dafür zu veranstalten. Sie ist in Offenbach angesiedelt, weil von diesem Ort aus nach den Jahren der Erfindung in München mit der ersten kommerziellen Druckerei die industriellen Verbreitung in die ganze Welt ausging. Offenbach ist als Geburtsort aller lithografischen Techniken anzusehen.

Die Stiftung verfügt über ein Vermögen von ca. 50.000,00 € und eine umfangreiche Sammlung zur Lithografie, sie ist aber insbesondere durch den wirtschaftlichen Niedergang von traditionellen Druckmaschinenherstellern (konkret: manroland AG) nicht mehr in der Lage, aus eigenen Mitteln die erforderlichen Aktivitäten und die Pflege der Vermögenswerte selbst zu erbringen. Deswegen ist sie auf der Suche nach Fördermitteln.

Da es sich bei der Sammlung der ISS um einen kulturhistorisch bedeutsamen Bestand handelt, soll sowohl das Land Hessen, als auch die Kulturstiftung der Länder angesprochen werden. Obwohl die Stiftung ISS satzungsgemäß international ausgerichtet ist, verfolgt sie das Ziel, den Bestand und die internationale Ausstrahlung in der Geburtsstadt im Lande Hessen zu bewahren. Dies soll auch in Kooperation mit den kommunalen Museen der Stadt und dem Landesmuseum in Darmstadt erfolgen. Satzungsgemäß sollen auch wichtige Unternehmen und Verbände der Druckbranche zugezogen werden.

 


Kontakt und Infos zur Förderung der Internationalen Senefelder-Stiftung:

Freunde und Förderer der Internationalen
Senefelderstiftung e.V.
Geschäftsstelle: Dr. Volker Dorsch
Herrenstr. 61, 63069 Offenbach
Tel.: 069-98340506
Email: info(at)senefelderstiftung.com
Web: http://www.senefelderstiftung.de

 

ISS Aufgaben und Ressorts 2017

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