
Künstler experimentieren erfolgreich mit KI und lassen einen Algorithmus ein Bildwerk entstehen. — Foto: Screenshot aus ARD-Sendung vom 26. Oktober 2018.
Von Andreas Weber, Head of Value
Zufall oder auch nicht: Wenn man über wichtige Themen gute Gespräche führt, wird die Aufmerksamkeit enorm gestärkt. Denn dieser Tage, während ich mein Webcast-Gespräch mit Xerox-Direktorin Elisabeth Rochman über Künstliche Intelligenz (KI) auswerte, tauchen unverhofft spannende Dinge auf.
Zum einen feierte Xerox den 80. Geburtstag der Xerographie als bahnbrechende Erfindung, die aus heutiger Sicht recht musealen Charakter hat. Aber trotzdem hochaktuell zu sein scheint.
Zum anderen macht die in Deutschland prominenteste TV-Sendung zur Primetime am Sonntag Abend das Thema KI zum Hauptmotiv: In der Erstausstrahlung der Krimireihe TATORT vom 21. Oktober 2018 müssen die Münchner Kommissare aufklären, wie der Dialog zwischen Mensch und Maschine mit einem Verbrechen zusammenhängt. Empfehlenswert ist nicht nur die Krimi-Folge selbst, sondern auch das aufschlussreiche Kurz-Video mit dem Kommissar-Darsteller Miro Nemec.
„Is artificial intelligence set to become art’s next medium?“
Und zuletzt versteigert das Auktionshaus Christies für 432,500 US-Dollar das erste per KI von einem Algorithmus erzeugte Kunstwerk. Initiator war das französische Künstler-Kollektiv Obvious aus Paris.
Christies verlautbarte mit Stolz: „Is artificial intelligence set to become art’s next medium? AI artwork sells for $432,500 — nearly 45 times its high estimate — as Christie’s becomes the first auction house to offer a work of art created by an algorithm. The portrait in its gilt frame depicts a portly gentleman, possibly French and — to judge by his dark frockcoat and plain white collar — a man of the church.
The work appears unfinished: the facial features are somewhat indistinct and there are blank areas of canvas. Oddly, the whole composition is displaced slightly to the north-west. A label on the wall states that the sitter is a man named Edmond Belamy, but the giveaway clue as to the origins of the work is the artist’s signature at the bottom right. In cursive Gallic script it reads:

This portrait, however, is not the product of a human mind. It was created by an artificial intelligence, an algorithm defined by that algebraic formula with its many parentheses. And when it went under the hammer in the Prints & Multiples sale at Christie’s on 23-25 October, Portrait of Edmond Belamy sold for an incredible $432,500, signalling the arrival of AI art on the world auction stage.”
Das Künstlerkollektiv — Hugo Caselles-Dupré, Pierre Fautrel und Gauthier Vernier — erläuterte, warum sie die Gattung Porträt-Bild ausgewählt hatten: „Wir stellten fest, dass Porträts die beste Möglichkeit zur Veranschaulichung unseres Arguments darstellten, nämlich dass Algorithmen der Kreativität nacheifern können.“
Die Kunstwelt staunt und die Fachwelt diskutiert. „Wenn man den ganzen Prozess betrachtet, dann ist das, was man hat, eher konzeptuelle Kunst als traditionelle Malerei“, kommentierte z. B. Ahmed Elgammal, Direktor des Art and Artificial Intelligence Lab an der Rutgers University.
„Es ist schließlich ein Porträt“, sagt Christie’s Spezialist Richard Lloyd, der den Verkauf auf der Auktion organisiert hat. „Es wurde vielleicht nicht von einem Mann mit einer gepuderten Perücke gemalt, aber es ist genau die Art von Kunstwerk, die wir seit 250 Jahren verkaufen.“ Letztendlich, so Lloyd weiter: KI ist nur eine von mehreren Technologien, die sich auf den Kunstmarkt der Zukunft auswirken werden — obwohl es noch zu früh ist, um vorherzusagen, was diese Veränderungen sein könnten. Es werde spannend sein zu sehen, wie diese Revolution ausgeht.
Rund 15.000 Porträts verschiedenster Maler wurden analysiert und codiert, um daraus per KI und eigenem Algorithmus ein neues, eigenständiges Werk entstehen zu lassen. Fotos: Screenshots aus ARD Tagesthemen-Sendung vom 26. Oktober 2018,
Anfang des Jahres 2018 veranstaltete Christie’s bereits ein Symposium über die tiefgreifenden Implikationen von Blockchain für Künstler und Sammler. Die Technologiekonferenz soll jedes Jahr stattfinden und KI wird sehr wahrscheinlich eines der Themen sein, die erforscht werden. Wer weiß schon, was Zehn oder 20 Jahre später sein wird? — Gegenstand der Diskussion könnte dann Virtual-Reality-Performance-Kunst oder das Oeuvre eines noch unbekannten Roboters Picasso sein.
Übrigens: Kunst und modernste IT bilden stets ein gutes Team. Bereits im Frühjahr 2016 hatte in Amsterdam das The Next Rembrandt-Projekt aufsehen erregt. Aus 600 Gemälden, 300 Radierungen und rund 1.500 Handzeichnungen des Meisters hatte man auf digitalem Weg ein neues, synthetisiertes Gemälde erzeugt und digital, mit Reliefcharakter gedruckt.
Hinweis
In der Tagesthemen-Nachrichtensendung der ARD vom 26. Oktober 2018 nahm die Auktion des Algorithmus-Werkes breiten Raum ein. Anbei der Link zur Aufzeichnung (Beginn ab Minute 9.15).
Den TV-Bericht gibt es auch in modifizierter Form als Zwei-Minutenbeitrag: Gemälde aus dem Computer — kann KI Kunst?