Wie überleben wir den Digital-Tsunamie? — Spannend zu sehen, wie professionelle Kulturschaffende, Künstler und Technologieexperten die Herausforderungen durch die Digitalisierung angehen. Und scheitern!
Soviel vorab: In Deutschland wurde nicht nur alles verschlafen. Sondern es werden durch Old-School-Kunstverwalter horrende Gelder bei den Kulturinstituten verschwendet. Die Verantwortlichen sind äußerst aktiv. Wissen aber gar nicht, was sie tun. Und grenzen das Publikum durch Kommunikationsunfähigkeit aus. Das zeigte sich schon durch die Hilflosigkeit prominenter Vertreter von SPK oder Städel. Oder durch den Veranstalter selbst, der weder selbst twitterte noch ein frei zugängliches WLAN zur Verfügung stellte.
Trotz allem: Das FAZ Forum Digitalisierung war den Besuch wert, gerade weil es von vielen Unzulänglichkeiten dominiert war.
Text, Fotos/ Videos und Animationen:
Andreas Weber, Mainz/Frankfurt am Main
Das Traditionshaus F.A.Z. ließ durch sein Frankfurter Allgemeine Forum am 25. und 26. November 2015 eine erkenntnisreiche Konferenz durchführen zu “Digitalisierung — Kunst |Museen | Markt — Bleibt alles anders?”. Der Schuss ging zwar nicht nach hinten los. Brachte aber jede Menge Kollateralschaden. Sowohl der FAZ Herausgeber Jürgen Kolbe also auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Hermann Parzinger schossen sich ins Abseits. Sie beschrieben das “Digitale” als Zukunftsvision, auf die man(n) sich künftig einstellen müsse. Und skizzierten aus Old School-Bildungsbürgertum-Sichtwiese eine schwierige Situation, die man nur meisten kann, wenn man (umständlich mit riesigen Ressourcen) das, was da ist, digitalisiere. OH JE!
Bitte anschauen: Meine umfassende Video-Doku per YouTube, mit zahlreichen Kurzfilmen im Originalton.
Willkommen im Digital-Nirwana!
Beide Herren wurden in der Folge krass widerlegt (waren dann aber schon wieder weggegangen!). Eigentlich schon am Vorabend durch Berlins Kulturminister Tim Renner beim Empfang im Café Moskau. Nomen est Omen: Die (digitale) Revolution Frist ihre Kinder. Renner, der eigentlich genau weiss, wovon er redet, hat alles, nur keine Lösung parat. Zu sehr macht Renner wohl die normative Kraft des Faktischen zu schaffen. Er hat viele Ideen und Erkenntnisse, stößt spannende Projekt an, erntet aber viele Anfeindungen. Und er stösst in den Kulturinstitutionen auf Mitarbeiter, die nicht wissen und erst gar nicht tun können, um was es gehen muss. Konservieren heisst allerorten das Motto. Und das Publikum muss auf hohem Niveau unterhalten werden. Die Expertise liegt bei den Museums- und Kultur-Fachleuten, die gerne schlau dozieren, aber sehr schlecht zeitgemäß kommunizieren. — Wie auch, wenn der SPK-Chef Parzinger ihnen die Budgets für Social Media (Twitter) streicht? — Beim FAZ Forum zeigte sich das Kommunikationsdesaster durch den (Teilzeit-)Moderator und Kunstkritiker Boris Pofalla, einen großgewachsenen Blondschopf, der blass wirkte und blass blieb. Die einfachsten Regeln der Moderationskunst beherrschte er nicht. Und brachte dementsprechend mit Top-Partnern keine engagierte Diskussion zustande. Über ein in die Länge gezogenes Blablabla kam er nicht hinaus.
Was für eine Jammer der verpatzten Chancen! — Wann kann man schon eine Wendy Woon vom Education Department des Museum of Modern Art in NYC oder eine Lynn Hershman Leeson, die Übermutter der Digital Media Art, in Gespräche verwickeln? Gott sei Dank hatten beide Damen eigene Vortragseinheiten. Und versetzten in Erstaunen. Das angeblich Neue, ist schon längst (seit mehr als 30 Jahren!) fest durch Künstler etabliert. Und beim MoMA im Alltag solide verankert. Ohne Interaktion über Apps und Social Media geht gar nichts. Und das Wichtigste ist, Gespräche über digitale Plattformen zu initiieren, bei denen Besucher ihre persönliche Erfahrungen mit anderen austauschen können. Der Mehrwert liegt auf beiden Seiten. Die Feststellung von Lynn, dass es problematisch ist, digitale Kunst auf Dauer sichtbar zu machen, da die Technik sich weiter entwichelt, wurde in der Podiumsdiskussion gar nicht vertieft. Trotz allem zeigt Lynn neue Weg: Sie entwickelt ihre Digitalkunst mit Wissenschaftlern und Technikern zusammen. Da passte gut, dass Google aus seinem Pariser Cultural Institute Laurence Gaveau entsandt hatte. Der Franzose belegte eindrucksvoll, wie Google das Mission Statement “Make the world’s culture accessible to anyone, anywhere” mit Leben füllt: Über 800 Partner in 60 Ländern, denen Google mit seiner Technik hilft, sowie Artist in Residence Programme und Events mit Künstlern zeigen, was möglich ist. Deutsche Kulturinstitutionen verweigern sich Google. Sie machen alles selbst, vergeuden Unsummen und erhalten Ergebnisse, die nur sie selbst begeistern können. Bei Stiftungen wie SPK, Kunstsammlungen NRW oder dem Städel in Frankfurt am Main sollte man mal genau nachfragen.
“Innen zeigen, was zeitgleich außen passiert”
Der deutsche Prof. Dr. Martin Roth, Chef des traditionsreichen Londoner Victoria and Albert-Museum, ist seinen Landsleuten weit voraus. Nicht etwa, weil er sich auf Verdiensten anderer ausruhen kann. Sondern weil er strategisch klug agiert und innoviert. Am Tag vor seiner Reise nach Berlin bekam er vom britischen Schatzkanzler trotz Geldknappheit keine Budgetkürzungen, sondern eine Aufstockung um 50 Millionen Pfund! Warum? Er konnte die Regierung in UK überzeugen, dass Kunst und Kultur gerade in schwierigen Zeiten einen wichtigen Beitrag leisten. “Wir müssen innen im Museum zeigen, was außen zeitgleich passiert!” — “Total Accessibility” nennt das Roth. Und erläuterte in Berlin exakt und äußerst anschaulich alles, was sich als Folge daraus ableitet. Er zieht in ein neues Gebäude. Er positioniert die Arbeit seiner Kuratoren um, die Services für Besucher als “Kunden” erbringen müssen. Er will, dass das Wissen der Besucher aus aller Welt einfließt in die Museumsarbeit. Dass Besucher sich in einer halben bis einer Stunde eigene Ausstellungen aufbauen können. Die Frage rund um Digitalisierung stellt sich gar nicht mehr. Dies sei längst schon Fakt, inklusive hoher E-Commerce-Umsätze. Es gäbe auch keine singuläre Digitalstrategie, sondern ganz viele für viele einzelne Bereiche, die miteinander verwoben sind.
Wunderbar. SPITZE! Das hat gut getan, was Martin Roth ganz zum Schluss vorgetragen hat. Und knüpft an das an, was von Künstlerseite durch David Claerbout vorgetragen wurde, der buchstäblich einen Volltreffer landete. Der Künstler zeigte, wie er digital inspiriert und online recherchiert Projekte angeht, indem er wie im Fall seiner kritischen Shell-Nigeria-Ölarbeiter-Arbeit ein niedrig aufgelöstes Internetbild in fünfjähriger Arbeit digital mit eigens entwickelten Kamerasystemen und 3D-Technik aufarbeitete. Das Endergebnis: Ein analoges Kunstwerk. Und das aus gutem Grund, wie Claerbout darlegte: “Der Digital-Tsunamie hat uns überrollt. Wir können nur überleben mit Texten/Gesprächen, realen Büchern und analoger Kunst.” Dazu braucht es aber digitale Kompetenz!
— Ende! Mehr ist erst einmal nicht zu sagen. — Ich freue mich, die Diskussion zum Thema Digitalisierung im persönlichen Gespräch vorzuführen. Gerne auch in meinem Mainzer Kommunikationsparadies.
++++++++++++++++++++++
DOKUMENTATION IN ECHTZEIT:
Trotzdem kein WLAN angeboten wurden, konnte ich einen aufschlussreichen Echtzeit-Report via Facebook und Twitter publizieren. Hier das Storify dazu:
#FAZForum Digitalisierung 2015: Kunst auf neuen Wegen?
#FAZForum Digitalisierung 2015: Kunst auf neuen Wegen?
“Der Digital-Tsunami hat uns voll erfasst!” — Künstler auf der Überholspur, klassische deutsche “Kunstverwalter” im Abseits! | MoMa in NYC und V&A in London weit vorne!
-
-
-
Puh. MINUSPUNKT. Bei dem Thema sollte es ein öffentliches WIFI geben beim Event im Café Moskau. #Berlin #FAZFORUM… http://fb.me/2kyqzjzxa
-
-
Die Unterschiede sind dramatisch gross zw. Deutschland und den USA sowie UK. #fazforum #digitalisierung…Die wahre Bedeutung der #Digitaliserung wird gründlich verkannt. #FAZFORUM#Kunst #Museen #FAZ #Dummheit pic.twitter.com/sS9EcaxnDS
-
-
Big Bang at the end of #Fazforum: Martin Roth berichtet, dass er gestern fürs #V&A von der britischen Regierung… http://fb.me/26DLU1ZBD
-
Martin Roth, #V&A beim #fazforum: “Im Museum zeigen, was außen passiert: Alle, die sich Digital bewegen, sind… http://fb.me/3C61rc64x
-
-
-
-
-
-
Beim @Moma weiss wie’s geht. Und hat Erfolg. V.a. bei jungen Publikum #FAZFORUM #Digitalisierung #Kunst #Museen #FAZpic.twitter.com/b9AS7WaBtC
-
-
-
Sehr gut. Berechtigte Kritik zum #Fazforum und seinen Schwächen auf #Twitter kommen über #facebook. #Digitalisierung https://twitter.com/sinnundverstand/status/669887457320640512 …
-
Musste mich mal kurz drüben ereifern über @faz_forum, #fazforum, #fazdigital und den lausigen Umgang mit Twitter: http://on.fb.me/1XteinA
-
-
Dank an @sinnundverstand für #Inspiration und #Aufschrei von außen zu #fazdigital und #fazforum: http://on.fb.me/1XteinA “
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
#Digitalsierung & Museum: Zugang erleichtern, Barrieren abbauen, Zielgruppen spezifischer ansprechen @faz_forum #fazforum Panel @museumsbund
-
“people look 3 sec. @ art” @wendywoon. To fill the gap btw modern art & you @MuseumModernArt stuctures art by subject, not by time #fazforum
-
“Zeitreise in die Vergangenheit”: das @faz_forum #FAZdigital#fazforum https://twitter.com/ExposeBerlin/status/670579452225679360 …
-
#fazdigital #fazforum: Letzte Session mit Perspektiven aus der Praxis.Mit dabei #NinaQuabeck zur #Digitalisierung von #ThomasHirschhorn #K21
-
-
-
-
#FAZForum#Digitalisierung — Abschluss im #Gropiusbau: #Sinnfrage — Sind wir nur ein Schatten von uns selbst?… http://fb.me/5PJ2ho3yr
-
Fantastischer Ausklang (2) zum #FAZForum#Digitalisierung. Analoge Kunst im Berliner #Gropiusbau. Sammlung #Würth… http://fb.me/5yjlGftD9
-
Cool. Schöne Zusammenfassung #fazforum #digitalisierung https://twitter.com/zeitenwende007/status/670180885350715392 …