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Neue Wege sind wichtig und nötig, um die komplexen Themen rund um Print im Digitalzeitalter aufzuzeigen und vor allem begreidbar zu machen. — Fotos: Fachverband Medienproduktion e.V. (f:mp)

 

PROLOG

Wer alt genug ist, um sich an eine Welt ohne Internet erinnern zu können, wird sich auch an eine Welt ohne Digitaldruck erinnern können. Denn beide, einmal der Kommunikationskanal World Wide Web, als auch der digitale Druck, wie wir ihn heute kennen, betraten Anfang der 1990er Jahre die Bühne. 

Was vor rund 25 Jahren mit dem Netscape Navigator, dem Browser für jedermann, der ersten Indigo und Xeikon begann, ist für uns heute selbstverständlich. Und wer dieses Vierteljahrhundert zurückdenken kann, weiss auch, dass Drucksachen – im Vergleich zu dem, was uns heute geboten wird – schlicht und einfach ‚grottenschlechte‘ Massenware waren. 

So ändern sich die Zeiten. Ohne Internet käme heute wohl keiner mehr klar und ohne den gewaltigen Qualitätssprung im Druck wäre das Medium Print unansehnlich bis langweilig. 


Eine Situationsbeschreibung von Klaus-Peter-Nicolay, Verleger und Chefredakteur Druckmarkt (D/CH)

 

THE END OF PRINT?

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Drucksachen sind heute lebendiger und vielfältiger denn je. Schliesslich hat der Digitaldruck den Offsetdruck weit weniger ersetzt, als es von vielen befürchtet wurde. Aber der digitale Druck hat Drucksachen entstehen lassen, die vorher keine waren. 

Man denke in diesem Zusammenhang an Fotobücher und das gesamte Geschäft mit kleinsten Auflagen, personalisierten und individualisierten Drucksachen, die in konventionellen Druckverfahren gar nicht möglich wären. Doch auch der klassische Druck ist nicht stehen geblieben. 

Immer raffinierter und zielgerichteter werden Drucksachen heute hergestellt. Und das auch ganz bewusst, weil die Erkenntnis gereift ist, dass sich eine Druckerei heute mit einem banalen vierfarbigen Flyer eher blamiert, denn Begeisterungsstürme bei den Kunden auslösen wird. Dazu gehört nämlich mehr. 

ÜBERRASCHENDE EFFEKTE 

Um sinnliche Signale auf die Wahrnehmung einer Information zu übertragen, lassen sich die Wirkungen der Haptik, die von Grammatur, Papierqualität, Verarbeitung und Veredelung nutzen. In der Forschungsdisziplin Werbewirkung wird hier von Bedeutungszusammenhängen (Semantik) und Assoziationen gesprochen, die durch sinnliche Reize ausgelöst werden (Priming). So ‚primen‘ Mailings beispielsweise über Gewicht, Konsistenz, Form und Textur der verwendeten Materialien oder über den Öffnungsmechanismus.

Ist diese erste Hürde erst einmal genommen (auffallen kann ein Mailing ja auch aufgrund des Formats, der Farbe und Papierqualität des Couverts) und der Empfänger beschäftigt sich mit der Drucksache, können Verstärker wie Wechselbilder (Lentikulardruck), Video-in-Print und Soundchips ein Mailing in der Wahrnehmung dynamisch machen. Dabei überraschen auch Effekte wie Laserstanzungen, ‚maschinell Handgeschriebenes‘, Hologramme, Duft, Pop-ups und Rubbelflächen etc. den Empfänger immer dann positiv, wenn sie zum beworbenen Angebot passen. 

 


Impressionen von der Event-Website, zusammengestellt durch den Fachverband Medienproduktion e.V. (f:mp).


 

KNOW HOW AND WHY 

Das alles lässt sich zwar in blumigen Begriffen be- und umschreiben, kann aber dennoch nur andeutungsweise das Gefühl vermitteln, welches erlebbar wird, wenn man solche Druckprodukte erst einmal in Händen hält. Doch wo und wann ergibt sich die Gelegenheit dazu? Und noch dazu in komprimierter Form, ohne von einem Open House zum nächsten reisen zu müssen? Wo mir jemand erklärt, wie ich Sound oder Video in eine Drucksache integrieren kann, wie ich NFC-Technologien für Print nutze, ob es Alternativen über ‚Smart Links‘ und ‚Hidden Codes‘ gibt, welche Möglichkeiten der Druck auf Metallfolien bietet und wo es auch noch fundierte Informationen über die Wirkmechanismen haptischer und multisensorischer Effekte gibt? 

Auf der PRINT digital! CONVENTION im Rahmen der Tage der Medienproduktion des Fachverbandes Medienproduktion (f:mp.)! Diese Veranstaltung Ende April 2018 in Düsseldorf hat die aus den Mailingtagen hervorgegangene und nun nicht mehr durchgeführte Nürnberger Co-Reach sowie die aus der Mode gekommene ‚grafische Fachmesse‘ Druck + Form in Sinsheim schnell vergessen gemacht und beide mehr als bravourös ersetzt. Und zwar auf eine bemerkenswert frische und neue Art. 

 

Trailer zur Event-Ankündigung des f:mp im Team mit der Messe Düsseldorf.

Ausstellung auf der einen, Kongress und Workshops auf der anderen Seite wäre nicht neu. Einzigartig ist das Konzept, weil sich nicht nur die Industrie mit ihren Lösungen präsentiert, sondern weil Druckereien und andere Dienstleister zeigen, was mit den technischen Möglichkeiten und einer gehörigen Portion Ideen umsetzbar ist. Verschiedene Themenwelten führten von der Idee über crossmediale Prozesse hin zu anwendungsfähigen Applikationen, die mit digitalen Druck- und Veredelungs-Technologien, mit hybriden und intelligenten Produktionen realisiert werden können. 

Die PRINT digital! CONVENTION hat Format und ist eine Veranstaltung, wie sie wünschenswert ist. Kurzweilig, informativ und mit einer gehörigen Portion Know-how-Transfer. Und mit der tatkräftigen Unterstützung der drupa wurde in der Stadthalle Düsseldorf im Congress Centrum auf dem Messegelände ein einzigartiges, geradezu persönliches Ambiente geschaffen, das in ‚normalen’ Messehallen nicht erreichbar wäre. 

FAZIT

Das war ein deutliches Signal für die Messeveranstalter der D/A/CH-Region und ein kräftiger Impuls für die Branche. Es ist ein bemerkenswertes und auf die aktuellen Marktbedürfnisse zugeschnittenes Konzept, das von den rund 1.000 Besuchern exzellent angenommen wurde. Und gewissermassen die Transformation altbackener Messekonzepte und langweiliger Kongress-Tage in ein neues Format mit Unterhaltungs-Charakter auf fachlicher Ebene. — Auch so wird Print lebendiger denn je. 


 

Anmerkung der Redaktion von valuetrendradar.com

Kompliment an Klaus-Peter Nicolay. Er hat eine hervorragende Situationsbeschreibung abgegeben, wie sich Print im Digitalzeitalter positioniert. Und eigentlich nicht zu verstecken braucht. Umso sehr ist der Hinweis wichtig, dass es nach wie vor ein Dilemma gibt: Auch auf der Print digital! Convention blieb man wie bei so vielen Print-Fachveranstatungen weitgehend unter sich. Und wer wie ich aus Termingründen nicht teilnehmen konnte, hatte kaum eine Chance, über die relevanten Social-Media-Kanäle sich in Echtzeit ein Bild zu machen, was es an Kernbotschaften zu erfahren gilt. Schade. Denn für innovative Auftraggeber der Druckereien ist genau das ein ganz einscheidender Punkt: Über den Tellerrand blicken und das Potenzial von Digital! voll ausschöpfen. Sonst spielt sich alles wie bisher fast im Verborgenen ab. — Andreas Weber, Head of Value.

 


 

Hinweis

Der Beitrag entstammt der lesenswerten Jubiläums-Ausgabe Nr. 100 des Managementmagazins DRUCKMARKT SCHWEIZ.

 

Druckmarkt Ausgabe 100CH_Titel