Heidelberg — Die unendliche Geschichte

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Glanz vergangener Tage. Heidelberg ist als Pennystock aus dem SDAX rausgeflogen.

 

Von Andreas Weber

Morgen, 9. Juni 2020,  wird ein spannender Tag. Der aus eigener Sicht als „Branchenprimus“ positionierte „Weltmarktführer im Bogenoffset“, Heidelberger Druckmaschinen AG, muss in einer Serie von Misserfolgen seit fast zwei Jahrzehnten wiederum schlechte Zahlen und hohe Verluste rechtfertigen. (Siehe: „Meine persönliche Heidelberg Saga“).

Sowohl Anleger, als auch Kunden und Analysten sind wenig zuversichtlich, dass der Plan von Vorstand und Aufsichtsrat aufgehen kann, durch rigide Einsparungen wieder zu Profitabilität und Wachstum zurückzukehren. Zumal Prosperität bei Heidelberg zuletzt um das Jahr 2000 zu verzeichnen ist. Entlassungen und das Einschrumpfen des Portfolios tun ein Übriges.

Das liegt nicht daran, dass Heidelberg unfähige Mitarbeiter beschäftigt oder Kunden nicht mehr so zahlungskräftig sind wie einst. Im Gegenteil. Es gibt hunderte und tausende talentierte Heidelberg-Mitarbeiter und noch immer zehntausende engagierter Heidelberg-Kunden, die Heidelberg gerne unterstützen würden. Allein, es fehlt der Glaube! Denn die Unternehmensführung macht es beiden Fraktionen zunehmend immer schwieriger bis unmöglich, an ein Happy End zu glauben.

Der Grund: Trotz hohem Schaden aus den letzten Jahren hat man im Top-Management nichts dazu gelernt. Dabei waren die Fakten eindeutig und lange bekannt.

Im für den Maschinenbau wichtigsten Kompendium, dem Branchenreport „Kernbranchen der deutschen Wirtschaft: Aktuelle Branchenreports und wichtige Themen, Jahrgänge 2011-2014, GBI Genios (Kindle Book), S. 2239, ist eindeutig für die Zeit um das Jahr 2011 (im Kontext mit der Insolvenz von manroland AG) festgestellt:

„Schon seit Jahren gelingt es den deutschen Druckmaschinen-Herstellern nicht, vom allgemeinen Boom im [deutschen] Maschinenbausektor zu profitieren. (…) Der Weltmarkt für Druckmaschinen wies in den Jahren vor der [Lehman-]Krise ein Volumen von durchschnittlich über 9 Milliarden aus. Inzwischen geht man davon aus, dass es im vergangene Jahr wohl nur noch 50 Prozent des einstigen Rekordwertes erreichen wird. (…) Da die Bedeutung von Printmedien zurückgeht, scheuen die Druckereien vor großvolumigen Investitionen zurück.“

Langer Niedergang

Und weiter heisst es: Experten sehen die Schuld am allgemeinen Niedergang der deutschen Druckmaschinen-Industrie auch bei den Unternehmen selbst. Die hätten sich viel zu lange im Licht der Marktführerschaft gesonnt und dabei existenziell wichtige Trends verschlafen. So habe die deutsche Druckmaschinen-Industrie bis heute keine richtige Antwort auf die digitale Revolution gefunden. Wortlicht heisst es in dem Branchenreport: Die großen Druckmaschinen aus Deutschland seien zwar Meisterwerke der Handwerkskunst, würden aber immer weniger gekauft. So werde in Amerika und USA kaum noch in Druckmaschinen investiert, während die Schwellenländer direkt ins digitale Drucken einsteigen.

Wie gesagt, das wurde als Mahnung bereits vor rund 10 Jahren von Experten publiziert.

 

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INKISH-Redakteur und CEO Morten B. Reitoft hat in einem lesenswerten Beitrag heute, am 8. Juni 2020, Strategie und Zahlenwerke von Heidelberg unter die Lupe genommen. Und kommt zu keinem guten Ergebnis. Seine zentrale Frage: „Is there an short-term fixes for Heidelberg?“ Morten’s Erkenntnis: „Heidelberg is a volume business. With a break-even, around 1.3 billion euros, and a profit of about 45-48%, their 2.3 billion euro turnover shouldn’t be lowered much before the shit hits the fan!“

Und nach gründlicher Analyse der Zahlenwerke führt Morten an: „Heidelberg is undoubtedly in trouble, and the biggest issue is that there are no quick-fixes. Heidelberg, of course, needs to work to be profitable. The dramatic changes in the market, not only because of the COVID-19 but also the expected recession, require a major focus on profitability. But from where?“

Richtig schlimm wird es, wenn man Heidelberg, den Branchenprimus, mit seinen Haupt-Mitbewerbern vergleicht. Die stehen allesamt besser dar, auch wenn sie nur halb so viel oder deutlich weniger Umsatz machen. Vor allem im Hinblick auf die Marktkapitalisierung, die bei Heidelberg (um die 200 Millionen Euro) in Relation zu Umsatz und Mitarbeiterzahl nicht nur lächerlich gering ist, sondern bedrohlich ist.

 

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Stand: 9. Juni 2020, 17 Uhr.

 

Und vor allem: Die Mitbewerber haben eine bessere, klar kommunizierte Strategie und auch das Talent, diese stringent umzusetzen. Siehe Koenig & Bauer AG (Marktkapitalisierung rund 355 Millionen Euro) oder BOBST Group SE (Marktkapitalisierung über 1 Milliarde Euro).

Bei den Mitbewerbern wird in den Top-Gremien nicht nur geredet und spekuliert, sondern klug und entschlossen gehandelt. Nur: Das nimmt der Heidelberg-Vorstand wie auch die Branchenreports gar nicht wahr. Man ist wie üblich mit sich selbst beschäftigt. Und sucht Ausflüchte. Man könnte fast sagen: Gott sei Dank, dass es die Corona-Krise gibt. Auf die kann man alles schieben.

Übrigens: Morgen, am 9.Juni 2020, wird ab 13 Uhr auch BOBST Group AG eine Pressekonefrenz abhalzten. Und seine Wachstumstrategie verkünden.

 

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Grafik: INKISH

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