Print im Sinkflug? Nö. Auch wenn der OTTO Katalog eingestellt wird.

92d4 Otto Katalog und iPad Fashionnetwork

Von Andreas Weber, Head of Value

Vor fast 30 Jahren durfte ich in einem exklusiven Team mitarbeiten, das den damaligen Vorstandschef von Agfa Gevaert NV, Paul de Pelsmaker, mit einer soliden Zukunftsstudie über die Veränderungen im Print durch die Computerisierung informieren sollte. Unsere Prognose: Gefährdet seien vor allem „Konsultative Werke“ wie Adressbücher, Telefonverzeichnisse, Lexika. Und letztendlich auch Produktauflistungen wie bei Verkaufskatalogen.

Der Versandhändler OTTO konnte im Verlauf von fast 70 Jahren den Tod seines Hauptkatalogs lange rauszögern. Chapeau. Ausgefeilte Analysen zur Produktaufmachung und -anordnung sowie des Kaufverhaltens machten es möglich, durch gedruckter Kataloge sogar das Online-Geschäft zu beflügeln. Mit dem heutigen Stichtag 22. November 2018 ist das nun vorbei. Bei der Tiefdruckerei Prinovis in Nürnberg laufen dann die Druckmaschinen an, um die letzte Ausgabe 2018/2019 zu produzieren.

Für OTTO bedeutet dies auch das Ende der Doktrin: Der Print-Katalog aggregiert Online-Umsätze. — „Statt Nostalgie herrscht bei uns Aufbruchsstimmung“, betont Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands bei OTTO.

 

 

Die Zeiten ändern sich!

Der Nachrichtensender n-tv berichtet: „Auf dem Titelblatt demonstriert ein Model, warum es keine Zukunft gibt für den klassischen Versandhauskatalog: Das Gesicht ist auf dem Monitor eines Smartphones scharf zu sehen, der Rest nur verschwommen.

„Unsere Kunden haben den Katalog selbst abgeschafft, weil sie ihn immer weniger nutzen und schon längst auf unsere digitalen Angebote zugreifen”, sagt Marc Opelt, Chef der Einzelgesellschaft Otto, des früheren Otto-Versands. Das ist heute eine Tochtergesellschaft des Konzerns Otto Group, der längst über alte Grenzen hinausgewachsen und weltweit in verschiedenen Geschäftsfeldern rund um den Handel aktiv ist.

97 Prozent der Otto-Kunden bestellen heute digital im Internet, die meisten davon mobil über die App. Nur noch drei Prozent nutzen Fax, Brief, Telefon oder Bestellkarten, um Waren von Otto zu ordern. Die Kataloge der Versandhändler waren in den Jahren des westdeutschen Wirtschaftswunders und auch noch nach dem Fall der Mauer mehr als nur ein Vertriebsinstrument.“

Kompakt, modern, massenhaft gefertigt. Das lief über Jahrzehnte gut. Und heute eben nicht mehr. Foto: OTTO Group

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Das Cover der letzten Ausgabe spricht für sich. Otto bietet allen die Möglichkeit an, den letzten Katalog noch zu bestellen. Auslieferung ab 4.12.2018. Foto: Otto Group

 

Fakten sprechen für sich!

Über 7 Milliarden Euro macht der weltweite Online-Umsatz bei OTTO GROUP aus bei einem Gesamtumsatz von über 13 Milliarden Euro. Verglichen mit den Zahlen vom Hauptkonkurrenten Amazon ist das aber nur marginal. Amazon setzte 2017 allein in Deutschland über 16 Milliarden US-Dollar um und weltweit fast 180 Milliarden. Bei OTTO ist das Wachstum moderat-linear, bei Amazon stets dynamisch-exponentiell.

Die Botschaft „Digital erlöst Print: Ab Mitte 2019 wird bei OTTO in Hamburg nur noch online bestellt“ klingt reißerisch. Aber: Ob das Einstellen des gedruckten Hauptkatalogs daran viel ändern kann, ist zu bezweifeln. Es spart Aufwand und Kosten, ist aber keine pro-aktive Maßnahme um Wachstum zu beflügeln.

Spannender wird zu beobachten sein, wie OTTO durch die Ausweitung von Multichannel-Kampagnen, die Print einbeziehen sowie personalisierter gedruckter Katalogen reüssieren kann. Denn Kataloge sind nach wie vor en vogue bei OTTO, selbst wenn das Dickschiff Hauptkatalog verschrottet wird.

Wie es weiter geht, wird sich also zeigen. In jedem Fall sucht OTTO den Schulterschluss mit der Digitalen Welt. Und das ist gut so, sofern man begreift, dass Print heute eben nicht mehr aus Tiefdruck-Massenproduktion besteht, sondern durch digitale Print-Innovationen beflügelt wird, um weiterhin für gute Umsätze und Kundenloyalität zu sorgen.


Backgroundinfos zu “Werte und Digitalisierung” aus Sicht des Otto Group CEO Alexander Birken

Fotos OTTO GROUP Podiumsgespräch mit Facebook 09-2018
„Die Digitalisierung ist viel radikaler, als sie augenblicklich oft dargestellt wird“, sagte Alexander Birken Vorstandsvorsitzender der Otto Group, Ende September 2018 im Gespräch mit Martin Ott, Managing Director Facebook Central Europe, über Werte und Digitalisierung. — Einen Mitschnitt der Diskussion kann man via Hamburger Presseclub e.V. sehen.  


 

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