ValueCheck! — Design-Studium: Warum Master und Desaster nahe bei einander liegen!

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Themenüberblick von Prof. Gregor Krisztian, HSRM, zur Ringvorlesung im Wintersemester 2015/2016. Inkl. Titelbild der Charts von Andreas Weber.

 

Oder: Die Selbstvertreibung aus dem Kommunikationsparadies!

Anmerkungen zu meinem Vortrag „Willkommen im Kommunikationsparadies, dem Reich der Kunstsinnigkeit“ an der Hochschule RheinMain im Rahmen der Master-Studien-Ringvorlesungen für „Design & Media Management.

Von Andreas Weber

Hinweis: Das Lesen lohnt sich, braucht aber einen Moment. Also nichts für Kurz- und Schnellleser unter den Kommunikationsprofis. 

 

„… im Rückblick auf meine jahrzehntelange Gestaltungsarbeit und Lehrtätigkeit, im Streben nach der Kunst/Existenz und Kunst/Qualität (…): Alles gegeben, vor allem um zu helfen, dass an der Hochschule junge Menschen selbständige Persönlichkeiten werden und dass sie selbst zu ihrer eigenen Persönlichkeit finden.“ — Prof. Valy Wahl, Kunst und Design (Hochschule Mainz, im Un-Ruhestand)

 

TEIL 1: VORSPIEL

Der Meinung von Prof. Valy Wahl, junge Menschen müssen selbständige Persönlichkeiten werden, kann ich mich hundertprozentig anschließen. Vor über eine Dekade begann ich, Start-ups von Jungunternehmern zu fördern, etwa auch nach dem Studium gegründete Designfirmen. Seit einigen Jahren betreibe ich mit eigenen Mitteln auf meine Kosten eine spezielle, eigens von mir entwickelte Form der Talentförderung. Zumeist mit (nicht aus Deutschland stammenden) Talenten, die auf Grund ihrer aus meiner Sicht außergewöhnlichen Fähigkeiten hierzulande Probleme haben. So wurde ein junger Künstler, der akzentfrei fünf Sprachen spricht und sich in den jeweiligen Kulturen bestens auskennt, von einem (rheinhessisch sprechenden) Arzt als psychisch erkrankt, in seinem Selbstverständnis gestört, eingestuft. Sein Selbstvertrauen war erschüttert, im Kommunikationsparadies fand er zu sich zurück! Und eine junge Studierende, in UK zur Schule gegangen und darauf getrimmt, komplexe Sachverhalte schnell, präzise und professionell aufzufassen und zu bewerten, wurde an einer deutschen Universität nicht adäquat behandelt. Ihr „Problem“: Im Bedarfsfall z. B. bei Diskussionsthemen blitzschnell eine Erklärung/Lösung  parat zu haben, während andere noch versuchen, die Problem- oder Aufgabenstellungen zu konkretisieren. Schnelligkeiten im Denken und Erkennen von neuen Zusammenhängen, kann das ein Nachteil sein? — Der Schlüssel zum Erfolg meiner Methodik, diesen jungen Talenten zu helfen: Ein anspruchsvolles Blitztraining ihrer Kommunikationsfähigkeiten innerhalb meiner Aktivitäten im Mainzer „Kommunikationsparadies“. Dazu gehört das professionelle Präsentieren ebenso wie Twittern, Bloggen, Interviews führen, Videos erstellen, iBooks publizieren u. a. m. Es spielt dabei kaum ein Rolle, welches Studienfach belegt wurde. Zeitgemäße Kommunikationsfähigkeiten sind übergreifend wichtig. Gewürzt wird mein Blitztraining mit viel Inspiration, Motivation und Freude sowie die Förderung der Bereitschaft für den Sprung ins kalte Wasser. Voraussetzung bei den Kandidaten sind: Talent, Wille, Offenheit, vernetztes Denken und Demut vor dem, was man nicht wissen kann, aber wissen sollte, um sich weiter zu entfalten.

 

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Hilfreich für mich: Ein grossartiges Buch, das der führende Sinnesphysiologe und Professor für Medizinische Psychologie Dr. Ernst Pöppel mit Co-Autorin Dr. Beatrice Wagner 2013 veröffentlichte: „Dummheit: Warum wir heute die einfachsten Dinge nicht mehr wissen.“ Es ist allerdings mehr, als nur ein Buch. Es ist die Fortsetzung dessen, was in Mainz, dem Zentrum der Kultur unserer Kommunikation und der Brutstätte unserer heutigen Wissensgesellschaft, begann. Ich hatte bereits vor vielen Jahren als verantwortlicher „Kommunikator“ Dr. Pöppel motivieren können zur international beachteten Konferenz typo[media] 2000 im Gutenberg-Jubiläumsjahr nach Mainz zu kommen. Die typo[media] positionierte sich als „aktives Forum für Design und Internet“. Es galt, eine Standortbestimmung für visuelle Kommunikation im Internet-Zeitalter vorzunehmen. Wir hatten unter der Ägide von Bruno Steinert, damals Gründungsgeschäftsführer des Schriftenhauses Linotype, ein Projektteam gebildet: Prof. Friedrich Friedl (Hochschule für Gestaltung, Offenbach/Main), Otmar Hoefer, Bernhard Hofmacher (beide Linotype-Marketing), Karin Schmidt-Friderichs (Verlegerin), Bruno Steinert und ich selbst, Andreas Weber.

Dr. Pöppels Beitrag: Seine nachhaltig wirksamen Entdeckungen und Erkenntnisse zum Thema „Wissen“ und „Wissensaufnahme“ vorzustellen. Denn Wissen ist die Grundvoraussetzung für alles. Ohne Wissen kein Verständnis. Ohne Verständnis keine Erkenntnis. Microsoft Typography-Manager Gary Munch schrieb damals in seinem Blogpost-Report überd ei typo[media] 2000 ganz begeistert: „Prof. Dr. Ernst Pöppel gave an intellectually stimulating discourse on some researches into the ways we know; explicitly, implicitly, and imagistically. How do we know we know we know…“.

 

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Prof. Guido Ludes hatte dies zum Anlass genommen, mit einem qualifizierten Team seiner Kommunikations-Design-Studenten der Fachhochschule Wiesbaden der Konferenz beizuwohnen. Eine herausragende Bilddokumentation entstand für den typo[media]-Veranstalter Linotype GmbH; genutzt damals für eine eigen typo[media| Website. Die Wiesbadener setzten in Szene, was hochkarätige Referenten aus den Bereichen Kunst, Design, Typografie, Werbung, TV, Print und Internet/Web-Design vortrugen: u. a. Prof. Hermann Zapf, Hans Ed Meier, April Greiman, Lorraine Wild, Lita Talarico (alle drei aus den  USA), Irma Boom (NL), Prof. Wolfgang Henseler, Nikolaus Toxler (CH), Ernst Pöppel, Claudius Lazzeroni, Gottfried Pott und Thomas Rempen (alle D). Jaan Noolandi vom Forschungslabor Xerox/PARC in Kalifornien berichtete über eine absolute Weltneuheit: E-Paper, ein neuartiges elektronisches Papier.

Wir konnten ehedem auf zeitgemäßem Niveau und international publik machen, was hierzulande die Apologeten von einst, wie der herausragende Michael Schirner, der als Kommunikationsdesigner in der Werbung Furore machte, noch provokant-isoliert formulieren mussten, als er 1988 das Buch „Werbung ist Kunst“ herausbrachte: Neuzeitliches Design in all seinen Facetten hilft Kommunikation nachhaltig und wirksam in Szene zu setzen. Dadurch lässt sich der Geschäftserfolg signifikant steigern. Es gab damals einen Aufschrei, vor allem seitens der Marketingprofis und BWLer, die ihre Zuständigkeiten, Kompetenzen und Machtpositionen gefährdet sahen. Mehr geschah aber nicht, da die Designszene diesen Ball, der ihr zugespielt wurde, nicht aufnahm. Die Kunstszene selbst wollte sich auch nicht eindeutig zu Schirners These bekennen nicht einmal ein Joseph Beuys („Jeder Mensch ist ein Künstler“).

Aus diesen, unseren typo[media] 2000-Erkenntnissen heraus, die dem Design im 21. Jahrhundert eine neue Bedeutung zuwies, entwickelten sich eine Reihe grossartiger Projekte. Die v. a. auch die Region Mainz-Wiesbaden bereicherten. Gemeinsam mit Prof. Valy Wahl von der Fachhochschule Mainz realisierte Guido Ludes im Jahr 2003 ein einzigartiges Projekt: „kunstdialog mz-wi. Ein Kooperationsprojekt der Kulturdezernate und Fachhochschulen von Mainz und Wiesbaden.“

 

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Es ergab sich ein Kaleidoskop grossartiger, facettenreicher Visualisierungen beider Städte, die in ihrer Unterschiedlichkeit von einander lernen konnten. Damals wie heute war klar: Design ist eine Teilmenge der Kommunikation. Und Kommunikation ist (eine) Kunst. Kunst ist Kommunikation. Design ist aber keine Kunst, sondern die wirksame Gestaltung dessen, was schon vorhanden sein muss. Design ist somit ein „Werkzeug“ für Kunst und Kommunikation. Das Neue kommt durch die Kunst in die Welt. Digitale Technologien, wie sie im Design, Publishing und Marketing genutzt werden, spielen dabei für bildende Künstler seit den 1960er eine große Rolle, wie jüngst die Konferenz des Frankfurter Allgemeine Forum „Digitalisierung. Kunst. Messen. Märkte“ in Berlin zeigte. Künstler sind bei der Digitalisierung weit vorne dabei und damit viel weiter als die (deutschen) Kulturinstitutionen. Künstler sind auf Augenhöhe mit Pionieren wie Google und arbeiten eng mit diesen zusammen, wie meine jüngste Analyse ergab. (Siehe:Digital FATAL @FAZ Forum: Warum in Deutschland die Digitalisierung nicht bewältigt wird.)

Um Bestand zu haben, können und müssen Designer von der Kunst wie auch den disruptiven Digitaltechnologien, die sie in ihrer Bandbreite kennen und noch besser, souverän beherrschen sollten, lernen. Nicht zu unrecht ist also noch immer in den Basisinformationen zum Bachelor-Studium „Kommunikationsdesign“ der Hochschule Rhein Main vermerkt: „Das Studium setzt künstlerische Begabung voraus. Sie nehmen an einer künstlerischen Begabtenprüfung (Mappenprüfung) teil und weisen dadurch Ihre künstlerische Befähigung nach.“ So weit, so gut. Doch wie harmonieren Anspruch und Wirklichkeit?

 

Netzwerken FAZForum 2015

 

Richtig oder falsch? — Man kann doch nicht wissen, was man nicht weiß!

Ich für meinen Teil war vom Damaligen begeistert. Und brachte mich ab 2005 aktiv ein. Als Dozent unterrichtete ich Professionelles Präsentieren. Mit meiner Firma wurde ich Mitglied im Förderverein Die Gestaltende Gesellschaft. Mit Guido Ludes und Gregor Krisztian konnten viele spannende Projekt erfolgreich realisiert werden, vor allem Publikationen über Mainz sowie das „Berlin-Buch“. Zu Beginn des Jahres 2015 veranstalteten wir mit dem Förderverein eine „Valencia Studio-Tour, die Maßstäbe setzte beim Verschmelzen von Kunst, Kultur, Design zu einem ganzheitlichen Kommunikationserlebnis, die wir (ohne Budget, nur mit Bordmitteln), multimedial per Social Media dokumentierten. Die Inhalte flossen auch in das Journal 2|2015 der Hochschule RheinMain ein. Das war wahrlich traumhaft.

Doch all dies, so traurig es klingen mag, spiegelt nicht (mehr) das zuvor geschilderte wider, speziell nach meinen Erfahrungen am 2. Dezember 2015. Der Alltag an der Hochschule ist ein anderer. Trotz aller Ambitionen regiert aus meiner Sicht statt Weitblick das Silodenken. Die Lernprozesse wurde verschult, was die Freiheit im Denken und die ungehemmte Lust am kreativen, kunstsinnigen Experimentieren lähmt. Ganz zu Schweigen davon zu hinterfragen, ob die Prinzipien des „Wissens“, die Dr. Pöppel aufzeigte, überhaupt Anwendung finden.

 

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© Grafik: Andreas Weber

 

TEIL 2: DRAMA (oder Posse?)

„Wenn Menschen etwas Neuem und Unbekanntem begegnen, reagieren sie zutiefst verwirrt!“

Aufgrund dieser Vorgeschichte und Erkenntnisse sowie der Tatsache, dass ich seit fast 40 Jahren der Gutenberg-Stadt Mainz sowie seit über 20 Jahren der Hochschule RheinMain eng verbunden bin, sagte ich gerne zu, als von Prof. Gregor Krisztian die Anfrage zu einem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des Wintersemesters 2014/2015 kam.

Was ich dann am 2. Dezember 2015 bei meinem Vortrag erlebte, war ein regelrechtes Desaster. Es war mir bis dato in den Ausmaßen noch nicht klar, über wie wenig solides Wissen Studierende selbst nach der Examens-Prüfung zum Bachelor verfügen. Das betrifft Allgemeinbildung ebenso wie Fachwissen. Und vor allem: Es betrifft die Art und Weise, wie man sich mit Neuem, Unvorhergesehenem vertraut macht, um davon zu profitieren, indem man sein eigens Ich, sein Talent, seine Skills, seine kognitiven Prozesse stärkt und weiterentwickelt. Also das zu kultivieren, was wissenschaftlich nachweisbar ein Genie wie den Nobelpreisträger Albert Einstein geistig fit hielt bis ins hohe Alter: Sein kindliches Gemüt! Seine Offenheit. Seine Neugier. Sein Experimentiergeist. So gesehen ist Einsteins berühmter Satz „Ich bin lieber ein Idiot als ein Intellektueller“ eine Hommage an das Kreativ-Unverbrauchte, das wir uns erhalten müssen.

Bei den Wiesbadener Studenten war am 2. Dezember 2012 davon wenig bis gar nichts zu spüren. Meine Diagnose: Kommunikative Demenz, in jungen Jahren. Validierung, angelehnt an medizinische Prinzipien: Demenz lässt sich in der Frühphase erkennen, wenn ein Patient zwei elementare Dinge nicht mehr gleichzeitig tun kann. Wie zum Beispiel Laufen und Reden. Bei den Studenten klappt es nicht, zu zuhören, um zu lernen, und daraus unmittelbar Nutzen für uns alle zu erzeugen…

Mag sein, dass sich diese kommunikative Demenz in jüngster Zeit verstärkt hat oder aber latent immer schon verbreitet war. Wer weiß… — Der bereits erwähnte HSRM-Prof. Guido Ludes, leider 64-jährig allzu früh im Dezember 2013 verstorben, war bei seinen Studenten hoch geschätzt. Warum? Er hatte  als Maler, Zeichner, Fotograf und Professor für künstlerische Grafik seine Studenten stets gefördert und motiviert, auch abseits der Hochschule in ihre Bildung zu investieren, vor allem was tagespolitische Ereignisse sowie das Kunst- und Kulturgeschehen insgesamt angeht. Er führte sie in die Welt der Kunst ein, um Talent und Inspiration mit kulturellen Werten zu verbinden. Das funktionierte bestens.  — Sei’s drum. Mein Fazit ist und bleibt: Im Vergleich zu meinen sonstigen Vorträgen, Seminaren und Coaching, in Summe seit 1990 weit über 1.500 in 32 Ländern mit mehr als 115.000 Besuchern (!), schnitten die Wiesbadener Studenten, die am 2. Dezember 2015 an der Ringvorlesung teilnahmen, aus meiner Sicht so schlecht ab, wie bis dato noch keine Gruppierung mit der ich zu tun hatte. Und ich habe schon viel „Merkwürdiges“ erlebt.

 

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© Grafik: Andreas Weber

 

Was war geschehen? 

Für alle, die es nicht kennen: Als Gast-Dozent an der HSRM, Unter den Eichen, gibt man stets sein Bestes. Und darf frohe Erwartungen haben, im Team mit einem interessierten Publikum. Beide Seiten sollen profitieren. Wobei der Gastredner kein Honorar bekommt, er/sie arbeitet sozusagen pro domo. Und das in Räumlichkeiten eines Hochschulgebäudes, das von außen schick aussieht, sich im Innern aber als nicht sehr glücklich gelungen erweist: Im Sommer zu heiss, im Winter zu kalt; die Vorlesungsräume sind zweckmäßig-karg, wenig kommunikationsfördernd eingerichtet; die Beleuchtung ist eine Zumutung (zu grell oder zu dunkel, wenn ein Beamer eingesetzt wird); die Präsentationstechnik ist launig, mal geht etwas, dann nicht mehr, stabiles W-LAN ist beinahe Glücksache; die Beamer-Projektionsfläche ist kleindimensioniert. — Und es gibt stets besondere Erlebnisse, die kein Zufall sein können: Als ich den Aufzug betrat, lagerten darin zum Empfang für mich drei vollgestopfte, blaue Müllsäcke; oben angekommen erwartete mich ein (sorry to say) schlecht gekleideter bis ungepflegt aussehender Mann mit Pudelmütze. Es war aber nicht der Besitzer der Müllsäcke, sondern einer der Professoren des Hauses…).

„Das Vortragsprogramm zum Thema ‚Strategien im Doppelpack. Profis sagen, was Sache ist.’ ist dank Ihrer Bereitschaft mitzumachen ein spannendes geworden. Rund 30 Studierende im Masterprogramm (davon hälftig Designer und Media-Manager) freuen sich auf Sie und Ihr Thema”, verkündete Prof. Gregor Krisztian. Mein Thema am 2. Dezember 2015, ab 17.45 Uhr: „Willkommen im Kommunikationsparadies, dem Reich der Kunstsinnigkeit.”

Das Briefing an mich war klar: Im Sinne von „Profis sagen, was Sache ist“ zu zeigen, welche Strategien ich verfolge mit meinem „Kommunikationsparadies als Reich der Kunstsinnigkeit“.Mein Vortrag könne anspruchsvoll sein, da ich ja mit Master-Studenten quasi die Elite derer anspreche, die sich anschicken nach dem Master-Studienabschluss auf anhieb solide Design-/Media-Management-Aufgaben wahrzunehmen.

 

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© Grafik: Andreas Weber

 

Es begann harmlos vor meinem Vortrag mit der Frage eines Studierenden, ob er per Smartphone eine Sprachaufzeichnung meines Vortrags machen dürfe. Klar, sagte ich. Er könne das auch mit seinem Smartphone per Periscope live streamen. Oh, Twitter sei nicht so sein Ding, entgegnete er. Ich sagte: „Ups, das war schon der Biss in den Apfel im Kommunikationsparadies…“. Der Student betrachtete mich irritiert, verstand aber, dass er sich wohl selbst ins Abseits gestellt hat.

Gravierender war dagegen: Von den angekündigten 30 Studierender kamen nicht mal die Hälfte. Die, die kamen, waren durchweg Erstsemester. Durch eine Verspätung der Bahn konnte mein Co-Referent, der zuerst reden sollte, noch nicht anwesend sein. Joachim Kobuss, Designers Business, Berlin, hatte zum Thema: Identität und Positionierung im Designbusiness. Da ich recherchiert hatte, womit er sich beschäftigt, und dass er zu dem Schluss kommen werde, dass sich das Design Business und damit die Aufgabe des Designers stark verändert hat, hatte ich mir eine spezielle, ziemlich provokante Präsentation ausgedacht. Motto: No Risk, no Fun!

Ich machte also notgedrungen den Anfang mit dem zweiten Schritt vor dem ersten. Mein Vortrag, der rückblickend aus Sicht der Anwesenden eine Qual gewesen sein musste, weil ich Vollgas gab und durch die Bündelung an Informationen bewusst überstrapazierte, könnte psychologisch fast schon wie eine Konfrontationstherapie gewirkt haben. (Anmerkung: Ich hatte für den Wiesbaden-Vortrag schon die Dosis des reduziert gegenüber dem, was in meinen privaten Bltztrainings für die aus meiner Sicht Hochbegabten ansetze; ich achtete in Wiesbaden auch strikt darauf meine Redezeit von 45 Minuten einzuhalten). — Es ging damit los, dass ich zu einem Kunstwerk, das ich für meine Charts-Präsentations als Titelbild wählte und das minutenlang sichtbar war, fragte, ob jemand weiß, wer das gemacht habe. Keiner wusste respektive sagte es. Und das, trotzdem durch den Tod von Prof. Hermann Zapf im Juni 2015 sein Werk und speziell das gezeigte an vorderster Stelle bei Typografen und Designer weltweit im Gespräch war. Ich erläuterte also, dass dies eines der weltbekannten Meisterwerke von Hermann Zapf sei. Keine Reaktion. Ich erläuterte kurz, wer Zapf war und welche Bedeutung er einnimmt, sogar noch im 21. Jahrhundert für Steve Jobs und Apple durch die Zapfino. Keine Reaktion. In der Folge zeigte sich, dass auch andere, über Typo & Design hinaus bekannte Meisterwerke der Bildenden Kunst, z. B. von Picasso (Guernica) und Paul Gauguin (D’ou Venons Nous / Que Sommes Nous / Où Allons Nous) nicht erkannt wurden bzw. man ihre Bedeutung gar nicht wusste. Diese Meisterwerke sind nicht nur Gemälde, sondern Ikonen der Kommunikationskunst. Also für Gestalter ein Muss, wie Prof. Guido Ludes zu sagen pflegte!

 

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Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.

– Picasso: Dezember 1937

 

Studi’s Dream Team:
Kommunikative Demenz plus mürrische Indifferenz!

Eigentlich ein völliges K.O.-Kriterium für mein Vortragsthema, wenn das studentische Publikum die o. g. Meisterwerke nicht kennt. Wie soll man mit Menschen ins Gespräch kommen, die solche gravierenden Wissensdefizite bei Kunst und Kultur haben, aber nach dem Masterstudium „Design & Media Manager“ werden wollen? Ich sagte also gleich zu Anfang meines Vortrags, dass Kommunikationsdesigner aus meiner Sicht ein Defizit haben, wenn sie denken, Design, das sie schaffen, kommuniziere, sie aber selbst als Person gar nicht professionell kommunizieren könnten.

Zur Info: Ich hatte rund acht Tage vor dem Vortrag einen Blogpost dazu verfasst, das Wichtigste in Kürze als Text verfasst und meine Charts komplett per Slideshare zugänglich gemacht. Dies hatte ich Gregor Krisztian mitgeteilt wie auch per Facebook in den Fachgruppen der HSRM/Kommunikationsdesignern sowie per Twitter, LinkedIn, Google Plus und XING mitgeteilt. Das was ich sagen wollte und die Art wie ich es präsentieren werde, waren also rechtzeitig publik und offen zugänglich.

Werthaltige Kommunikation, so meine weitere Aussage am Vortragsbeginn, entstehe durch Kunstwerke und Künstler sowie die Gespräche mit ihnen und generell via Kommunikation über die Kunst. Das ist zum einen m. E. die Erläuterung des Begriffs „Kunstsinnigkeit“; aber zum anderen auch eine von mir bewusst inszenierte Konfrontation, die nach dem Dialektik-Prinzip der griechischen Antike und ihrer Philosophen zum kritischen Diskurs und zum Überdenken der eigenen Position führen kann. Nur meine durch disruptives Denken erzeugte Konfrontation führte nicht zum geistigen Disput, was notwendig gewesen wäre, weil spontan gar keine Antworten auf meine Fragen/Aufforderungen kamen. Wohl aus dem Grund, dass anders als z. B. bei Psychotherapien, die Kranke heilen sollen, in Vorlesungen ja geistig Gesunde sitzen, die keinen Bedarf an „Heilung“ für sich sehen. Es ist ja alles gut. Man tut brav, was die Professoren/Dozenten resp. das Curriculum vorgeben, hat auch schon seine Bachelor-Urkunde und entsprechend alles Wichtige gelernt. Und weil dem scheinbar so ist, kann man als Studierende(r) wie in meinem Fall geschehen, einfach das Visier runterlassen, wenn es unangenehm wird, und sogar zumindest verbal draufhauen. Oder man kann versuchen, wie die meisten der anwesenden Studierenden am 2. Dezember 2015, die Dinge einfach an sich abprallen zu lassen. — Der Satiriker Pelzig hatte für eine solche Geisteshaltung in seiner letzten ZDF-Sendung, einen Tag vor meinem Hochschulvortrag einen wunderbaren Ausdruck: „Mürrische Indifferenz“ aus der eine „muffige Gleichgültigkeit“ entspringe, was sozusagen eine intellektuelle Verbrämung eines „Leck mich am Arsch-Denken“ sei. — Volltreffer! 

 

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© Grafik: Andreas Weber

 

Zur Reaktions- und Diskussionskultur bei meinem Vortrag noch weitere, aufschlussreiche Details: Auf meine mehrfachen Zwischenfragen während meines Vortrags hin schauten die meisten Studierenden immer nur unter sich, um sich gar nicht erst direkt angesprochen zu fühlen. Und sie gaben letztlich keine Antwort. Zum Ende kam aber doch etwas: Ich erntete nach dem Vortrag von einem Studierenden die Beurteilung, es sei ja völlig daneben und schlecht, wie und was ich da präsentiert hätte. Und mit Anglizismen könne er schon gar nichts anfangen. Meine Charts seien zutiefst unprofessionell gestaltet. Sozusagen für ästhetisch geschulte Designer seines Schlages eine Zumutung. (Hinweis: Meine Darstellungen via Charts zielen im Wesentlichen auf die Nutzung durch Mobilgeräte ab und nicht nur auf Projektionen durch schlechte Beamer; diese Mobilnutzung entspricht dem „Digital Age“ und erfolgte am 2. Dezember 2015 zeitgleich zum Vortrag via Slideshare und meinem Blog durch hunderte Menschen, ohne dass es zu Beschwerden kam, da es außerordentlich wirksam ist und bestens funktioniert!).

Der junge Mann, der im Vorlesungraum in Wiesbaden „kritisierte“, war vor Vorlesungsbeginn sehr wichtig tuend im Vorlesungsraum umher geschritten, lässig gekleidet wie Steve Jobs in seiner besten Zeit (Jeans, Sweet Pullover), aber im Unterschied zum Apple-Gründer trug der Studierende signalbunte, leuchtend orange-rote Sneakers. Diese signalisierten: Ich bin wichtig! Er hatte vor Beginn wohl auch mit seinem Professor geklärt, dass er, weil es so seine Art wäre, offen Kritik üben müsse, da er sich wohl über meinen Blogpost zu dem, was ich vortragen werde, informiert habe. Der Rest der Studierenden verhielt sich völlig unauffällig bis verschüchtert. Nur einer sagte ganz zum Schluss: „Sie machen ja alles anders, als wir das hier im Studium gelernt haben“. Und ein zweiter merkte an, er vermute, ich trete wohl in meinem Kommunikationsparadies ganz anders auf. — Volltreffer Nummer zwei! Denn damit kamen wir zu des Pudels Kern: Ich hatte ein wohlklingendes Thema in das in der Werbung übliche Gewandt der Push-Kommunikation gepackt. Plakativ, aufdringlich, überfrachtend. Fast belästigend.

Meine abschließenden Äußerungen, nach der Kritik durch den Leuchtschuh-Erstsemester-Master-Programm-Studierenden (sorry, er vergaß, seinen Namen zu nennen; wahrscheinlich setzte er voraus, dass ich ihn kenne!) verursachten noch mehr Unverständnis. Denn ich sagte, dass ich mich über kontroverse Reaktionen freue, da ich mich darauf eingestellt hatte, zu provozieren, sogar bereit war, das „Arschloch“ zu spielen (sic!), um Reaktionen während des Vortrags zu bekommen — was leider ausblieb — ich mich aber wundere, dass niemand früher, also wie von mir angeboten während des Vortrags, etwas sagte, sondern nur recht barsch und anmaßend von einem einzigen nach dem Vortrag unsachliche, despektierlich von oben herab geäußerte Kritik kam. Auf meine weitere Äußerung, dass ich mehrfach während meines Vortrags gefragt habe, ob alle noch dabei seien, weil das „harter Tobak“ wäre, entgegnete einer, er hätte dies als rhetorische Frage empfunden und daher nicht geantwortet. Und Prof. Gregor Krisztian bekundete den Studierenden, abgewendet von mir, er habe sich das auch ganz anders vorgestellt. Etwas aus der Fassung geraten, warum auch immer, bot er an, die Diskussion, die ja keine war, sondern eine Beleidigung für mich, zu beenden, und min. 10 Minuten Pause zu machen bis dann der zweite Referent Vortrag würde.

Meine Erkenntnis: Willkommen im „verlorenen Kommunikationsparadies“ an der Hochschule RheinMain! Glückwunsch zur Selbstvertreibung! — Ein Vorgang, der für mich fast schon wie das Derivat einer Geistes-Welt wirkte, die Satiriker (allen voran in der ZDF Heute Show), so gern aufs Korn nehmen: Ich verstehe zwar überhaupt nicht, worum es geht, aber ich erlaube mir vehement dagegen zu sein und es abzulehnen, mich konstruktiv-kritisch mit einem für mich neuem Sachverhalt auseinander zusetzen. Basta! — Auf die aus meiner Sicht tragfähigen und wichtigen Inhalte, die wie eingangs dargelegt an das anknüpfen, was Professoren aus Mainz und Wiesbaden dereinst praktizierten, wurde am 2. Dezember 2015 gar nicht eingegangen. Tempora mutantur?

 

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© Grafik: Andreas Weber

 

Die Lehre, die ich persönlich daraus ableite: Jung-Designer, die Manager werden wollen, fehlt es offensichtlich an Wissen, Verständnis und Diskussionsfreude, um sich aktiv und engagiert mit neuen-alten Inhalten auseinander zu setzen. Sie verschanzen sich stattdessen hinter ihrer Uneinsichtigkeit und urteilen Andersdenkende und -agierende aus eindimensionalen (fast schon borniert wirkenden) Gründen pauschal ab. — Na dann, viel Spaß im Berufsleben. Vor allem für Firmen, die solche „Jung-Talente“ einstellen sollten. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es waren ja mehrheitlich Erstsemester. Die können bis zum Masterstudien-Abschluss noch dazu lernen.

Übrigens kam wie so oft das beste ganz am Schluss: Der „Leuchtschuh-Studierende“ fragte mich, was ich denn eigentlich von Beruf mache. Ob ich Künstler sei. Er hatte wohl schon vergessen, dass mich Gregor Krisztian zu Beginn genau vorstellte…

Aus den Infos der Hochschule RheinMain:

WAS KANN ICH DAMIT MACHEN?

Die Einsatzmöglichkeiten der Absolventinnen und Absolventen liegen sowohl in den TIMES-Branchen (Telecommunications, Information Technology, Media, Entertainment, Security) als auch in mediennahen Funktionen in klassischen Industrie-, Handels- und Dienst­leis­tungs­unternehmen. Mit den erworbenen Qualifikationen können sie auch komplexe Projekte führen bzw. als Medien- und Designmanagerin bzw.- manager das Zusammenwirken der Projektbeteiligten über die verschiedenen Schnittstellen hinweg organisieren. Berufs­felder sind z. B. Film, Funk und Fernsehen, Werbe-, Kommunikations- und Kreativ­agen­turen sowie Medien- und Tele­kom­muni­kationsunternehmen. Zusätzlich bieten sich Einsatzfelder in Marketing, Öffentlich­keits­arbeit sowie in der Markt- und Unternehmens­kommunikation.

 

Nachtrag: Mein Co-Referent Joachim Kobuss ging davon aus, er referiere vor Studenten des Bachelor-Studiengangs. Insofern hatte er in seinen Vortrag Basis-Informationen parat, die m. E.  bei den Master-Studierenden schon hätten bekannt sein müssen, wenn sie ihre „Berufung“ ernst nehmen. Zumal er eine Reihe von Büchern dazu publizierte und die wichtigsten Inhalte online stehen hat. Es war aber so gut wie nichts von dem bekannt, was Joachin Kobuss vortrug! Alles war Neuland für die anwesenden Studierenden, alle schrieben eifrig mit… Der Wissensbedarf war so hoch, dass der Vortrag statt 45 Minuten rund 90 Minuten dauerte! — Eigentlich hätte das jeder im Selbststudium in kürzerer Zeit erledigen können. 

Es war aber anders, da die Wissenslücken riesige Dimensionen zeigten. Sogar die seit Jahren bekannte Tatsache war unbekannt, dass der Design-Markt mit 19 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr zwar riesig ist, sich aber mit der klassischen Praxis die allermeisten der Designer gar nicht genug erwirtschaften können, um von ihrer Arbeit zu leben. Der Tipp des Experten: Weniger bei Design an Gestaltungsentwürfe und deren Umsetzung denken, sondern BERATER werden! Dazu müsse man sich klar POSITIONIEREN. Dies veranlasste eine Studierende zu der Bemerkung, dass hätte sie sich auch schon gedacht, man müsse heutzutage selbst zur Marke machen. — Um zu wissen, was Personen zu Marken ausmacht, ist Thema eines weiteren Vortrags in der Ringvorlesung, den Jasmin Siddiqui alias Hera aus Frankfurt am Main am 20. Dezember halten wird.

Besonders pikant war aus meiner Sicht  weiterhin: 

  • Erstens. Den Studierenden war nicht bekannt, dass es seit vielen Jahren valide Marktanalysen zum Design-Markt gibt, von der Bundesregierung in Jahresberichten als Monitoring  publiziert und für alle frei zugänglich. Ich hatte dies in meinem Vortrag zum Schluss bereits angesprochen.
  • Zweitens. Die Frage von Joachim Kobuss, „Was war 1984?“, blieb ohne Antwort.

Nun, 1984 datiert der Start des Apple Macintosh, der die Designwelt wie auch unser gesamtes Kommunikationsverhalten verändert hat. Kobuss verwies auf Steve Jobs als Innovator und empfahl, die legendäre Präsentation zum ersten Apple iPhone anzuschauen. (Seit damals, am 9. Januar 2007, war die iPhone-Präsentation von Jobs immer Bestandteil meiner Vorlesung an der HSRM zu Professionell Präsentieren, da es kaum ein besseres Beispiel gibt).Unerwähnt blieb allerdings von Joachim Kobuss das Wichtigste: Aus dem Wirken von Steve Jobs bei Apple ergab sich das für Design & Media-Fachleute wichtigste Faktum: Steve Jobs enger Vertrauter war Jonathan Ive, Apple’s Chefdesigner. Nach Jobs frühem Tod machte folgerichtig Jobs-Nachfolger Tim Cook den genialen Designer Jonathan Ive zum Chief Design Officer, der bei der Software-Entwicklung von Apple die Regie übernahm und diese umfassend veränderte.

 

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TEIL 3: EXKURS — Ein Blick zurück nach vorne!

Plädoyer für das schöpferische Machen im Streben nach einer humanen Welt!

»Die meisten Menschen haben nur einen Job, aber keine Arbeit mehr. Und von dem, der arbeitet, ist noch lange nicht gesagt, dass er etwas macht. Machen ist ein selbst zu verantwortendes Tun, an dem jemand mit Konzept, Entwurf, Ausführung und Überprüfung beteiligt ist. Das, was er macht, steht unter seiner Kontrolle und Verantwortung und ist Teil seiner selbst. Machen ist die Verlängerung des Ich in die selbstorganisierte Welt hinaus. Im Machen erfüllt sich die Person. Und dies in dem Maße, als ein eigenes Konzept, ein eigener Entwurf beteiligt ist und in einer ständigen Rückkoppelung aus dem Machen Erkenntnisse gewonnen werden für die Korrektur von Konzept und Entwurf. Nur das schöpferische Machen ist wirkliche Arbeit, ist Entfaltung der Person. Der Entwurf ist das Signum der Kreativität, durch ihn wird Aktivismus und Job erst human. Eine humane Welt setzt eine Arbeit und ein Machen voraus, die durch den Entwurf gekennzeichnet sind, weil im Entwurf das Motiv der Person erscheint.« —

Otl Aicher: Die Welt als Entwurf, Ernst & Sohn Verlag, 1991, S. 190

 

Seit über 30 Jahren bin ich mit Design & Media intensiv und auf hohem Niveau vertraut. National, wie international. Die Liste derer, mit denen ich in Projekten zusammenarbeiten durfte, ist lang: Angefangen mit dem Übervater des modernen Designs, Otl Aicher, der für mich Lehrmeister und Geschäftspartner in einem war, da ich für Agfa Compugraphic seine Schriftenfamilien „Rotis“ erfolgreich auf den Markt brachte; weiter über die Schriftkunst- und Typo-Idole wie Adrian Frutiger, Hermann Zapf, Max Caflisch, Erik Spiekermann bis hin zu Neville Brody, David Carson sowie der Kalligraf Werner Schneider (ehedem als Professor an der Fachhochschule Wiesbaden tätig) folgten seit der „Zeitenwende“ ins 21. Jahrhundert viele „Designer“ der neuen Generation, die zunehmend ihrem Kernbereich Design hohe Technologie-Kompetenz zufügten. Wir waren mit dieser neuen Kategorie von Design-Schaffenden schon 1999 in Verbindung, als ich für Gregor Krisztian und Guido Ludes den Kontakt zwischen der Fachhochschule Wiesbaden und der School of Visual Arts in New York City herstellte. SVA hatten damals längst schon Design mit Computer Sciences verknüpft. Einer der engsten Partner der SVA wurde damals Adobe.

 

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Person und Werk von Otl Aicher war auch Thera in meinem Impulsvortrag ›Tolle Typen‹ im Dezember 2010 an der Hochschule RheinMain (im Team mit Linotype).

 

Die allermeisten Vertreter dieses neuen „Designer-Typus“, den auch Otl Aicher lebenslang propagierte und auf den wir im 21. Jahrhundert nach wie vor aufbauen müssen, sind namentlich gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt. Die Einflussreichsten arbeiten in Teams u. a. bei Google, Facebook oder Twitter, also bei Technologiekonzernen und Digitalpionieren. Hierzulande sind „nur“ noch die Chefs von Design-Agenturen bekannt, die sich aber zunehmend zurückziehen, wie Uli Mayer-Johannssen, ehemals neben Erik Spiekermann Co-Gründerin und bis Ende 2014 CEO von Meta Design AG. Als Personen-Marke im Design resp. als globaler Megastar gesetzt ist lediglich der bereits erwähnte Jonathan Ive, Chief Design Officer bei Apple, der wie gesagt auch die Software-Applikationen des erfolgreichsten Konzerns der Welt „dirigiert“.

Die also weitgehend anonym agierenden Designer der neuen Generation tragen aktiv dazu bei, das klassische Design- und Media-Modell auszuhebeln: Algorithmen, Business Intelligence-Tools und letztlich die neue Realität des IoT (Internet of Things) automatisieren, was „normalerweise“ die hauptsächliche Aufgabe der Designer ist: Inhalte zu erstellen, in Form zu bringen und zu visualisieren. Am besten lässt sich das nachvollziehen, wenn man bei Googles „Art, Code & Copy“-Initiative nachschaut, was sich da tut! Auf klassischen Kommunikationswegen lässt sich kaum noch nachvollziehen, was passiert.  — Dieser radikale, irreversible Umbruch beim Design verläuft in etwa so, wie ehedem im Desktop Publishing via PageMaker, Quark, InDesign, Photoshop und PostScript, wodurch die elitäre Setzer- und Reprografen-Zunft eliminiert wurde. Treiber waren damals Apple, Aldus, Adobe und Linotype. Das Motto lautete: Jeder sein eigener Gutenberg!

Erfreulich und wichtig in diesem Zusammenhang: Ich konnte Ende November 2015 auf Anhieb Laurence Gaveau, Leiter des Labs von Google’s Cultural Institute in Paris, von meinem Kommunikationsparadies mit Sitz in der Gutenberg-Stadt Mainz begeistern. Er hat mich ad hoc eingeladen, gleich Anfang 2016 zu ihm nach Paris zu kommen. Der Kontext von Kommunikation, Technologie und Kunst, wie ihn mein Kommunikationsparadies herstellt, trifft seine Vorstellungen und Aktivitäten exakt. Alle, die es interessiert sind herzlich eingeladen ins „Paradies“ zu kommen und sich aktiv einzubringen.

 

Hier meine Vortragscharts in vollem Umfang:

 

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