26. Kunstpreis Eisenturm 2015: Meister der Adaption!

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© 2015 Foto und Bildcollage: Andreas Weber, Mainz/Frankfurt am Main

26. Kunstpreis Eisenturm 2015

Steht der Begriff der Moderne immer noch für Innovation, Aufbruch, Zeitgeist, Fortschritt, Erneuerung – Avantgarde? Oder ist er zum einengenden Korsett und Dogma erstarrt und reflektiert den Pluralismus unserer Gesellschaft nicht mehr? Wie sehen Künstler die momentane Diskussion, die mittlerweile einen Großteil der gestalterischen Erzeugnisse der Zeit nach 1945 erfasst hat? 

Dies fragte der Kunstverein Eisenturm Mainz (KEM) mit der Ausschreibung seines 26. Kunstpreises 2015 im Rahmen seines 40-jährigen Jubiläums. Teilnahmeberechtigt waren alle Künstler/innen, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Hinweis: Der nachfolgende Text erläutert die hohe Bedeutung des diesjährigen Wettbewerbs, der speziell über Social Medien und die KEM Facebook-Seite eine grossartige Resonanz fand..Ausschreibung, Zwischenstand und Live-Berichte von der Preisverleihung fanden über 150.000 Viewers!

Provoziert von dem mehrdeutigen Titel und Ausschreibungstext haben sich fast 700 Künstler und Künstlerinnen am Wettbewerb um den Mainzer Kunstpreis Eisenturm beworben.

Die 39 in der Ausstellung im MVB-Forum vertretenen Werke haben sich von den Klassikern und Ikonen der Moderne inspirieren lassen. Gemäß Hans Belting werden Exemplare der Moderne zu Gegenwartskunst erst, wenn ihre nationale Provenienz zu Gunsten einer globalen Aussage aufgegeben wird, die den Zeitgeist erfasst. Demgemäß wurde aus dem Sammelbecken des www und mit den Mitteln zeitgenössischer Reproduzierbarkeit komponiert aber entgegen der Angst Walter Benjamins schließlich ein auratisches Kunstwerk geschaffen.

Zu den Abbildungen: Dietmar Gross, 1. Vorsitzender des Kunstvereins Eisenturm, und Daniela Schmitt, Regionalmarktdirektorin bei der Mainzer Volksbank, überreichten der Berliner Künstlerin Anne Grau am 5. November 2015 den mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis. Der 2. und 3. Preis waren mit 3.000 Euro bzw. 2.000 Euro dotiert. Fotos: Klaus Benz

Preis 3 geht an Marcus Günther, der ein Bild aus Elementen der Pop Art und des Surrealismus schuf. Eine utopische Szene erinnert an die Mondlandung und an Science Fiction Serien wie Star Trek sowie Verschwörungstheorien. Andy Warhols Farbspektrum und plakative Werkeästhetik lassen an der Ernsthaftigkeit des Titels „Fakt“ zweifeln. Befinden wir uns in einer medizinischen Werkekampagne?

Preis 2 geht an Heike Negenborns Landschaft aus der Aufsicht mit dem Titel „Net-scape“. Nach einem historischen Browser benannt, zeigt sich die Netzlandschaft als verpixelte Darstellung aus einer Überwachungs- und Kontrollperspektive, die aufgrund von im Netz kursierenden frühen Drohnenaufnahmen möglicherweise kriegerisch konnotierbar ist. Die Bildästhetik der in Ölfarben ausgeführten Quadrierung verweist auf den impressionistischen Pinselduktus, den Pointillismus sowie die Zeitungsraster der Pop Art und schließlich auf nicht hochauflösende Digitalbilder aus dem Netz. Waren die Impressionisten aufgrund käuflich zu erwerbender Farbtuben flexibel in der Wahl ihrer Location geworden, sind Künstler heute aufgrund eines gewaltigen, globalen Bildarchives im Internet, das hier technisch reproduziert wurde, nicht nur flexibel in der Motivwahl sondern auch mobil.

Der 1. Preis geht an Anna Grau, die mit ihrem „Meister“ ein Meisterwerk geschaffen hat, das zugleich den Meister der Adaption älterer Kunst aktualisierend zitiert. Ihr Gemälde bringt „Les Demoiselles d‘ Avignon“ auf den neuesten Stand. Die rosa Periode Pablo Picassos wird pink-himbeere, zumal die Parade der Prostituierten zur Gayparade bzw. zur Präsentation eines Transsexuellen oder Transvestiten umgemünzt wird. Gemäß Belting gibt es seit dem Ende des Kolonialismus keine Primitiven und keine „Negerskulptur“ mehr und so übersetzt sie ihr Personal in einen Menschen mit Migrationshintergrund. Die kubistischen Rhomben und Dreiecke werden schließlich fragmentiert.

Stimmen und Meinungen zum Wettbewerb und der bis zum 11. Dezember dauernden Ausstellung werden per Link aufgeführt und fortlaufend ergänzt.

“Anna Grau siegt beim 26. Mainzer Kunstpreis Eisenturm”. In: Wirtschaft-News vom 6. November 2015.

Zur Ausstellung im MVB Forum 

Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag von 8:15 – 18:00 Uhr, Mittwoch und Freitag von 8:15 – 13:00 Uhr im Forum der Mainzer Volksbank, Neubrunnenstraße 2, 55116 Mainz.

Impressionen von der Preisverleihung. Fotos: Klaus Benz.

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